Krebs durch Oralsex kommt immer öfter vor – auch in der Schweiz?

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Internationale EntwicklungDurch Oralsex ausgelöster Krebs wird immer häufiger – auch in der Schweiz? 

Krebs durch Oralsex? Das kommt häufiger vor als man denkt. Und zwar zunehmend. In manchen Ländern werde bereits von einer Epidemie gesprochen, so der Krebsspezialist Hisham Mehanna.

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Sex gilt als die schönste Nebensache der Welt, aber auch als eine, die Folgen haben kann. 

Sex gilt als die schönste Nebensache der Welt, aber auch als eine, die Folgen haben kann. 

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Etwa eine Schwangerschaft, zumindest bei heterosexuellen Paaren. 

Etwa eine Schwangerschaft, zumindest bei heterosexuellen Paaren. 

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Generell besteht auch die Möglichkeit, sich mit einer sexuell übertragbaren Krankheit zu infizieren. 

Generell besteht auch die Möglichkeit, sich mit einer sexuell übertragbaren Krankheit zu infizieren

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Darum gehts

  • Krebs durch Oralsex wird immer häufiger. 

  • Manche Experten sprechen ob des rapiden Anstiegs bereist von einer Epidemie, so der britische Krebsexperte Hisham Mehanna hin. 

  • Vor allem die Mundrachenkrebs-Zahlen würden steigen. 

  • Laut Mehanna könnte die HPV-Impfung den Negativ-Trend wieder umkehren.

Krebs im Mundbereich ist auf dem Vormarsch. In den letzten zwei Jahrzehnten sei der Anstieg in der westlichen Welt so rapide gewesen, dass er «von einigen als Epidemie bezeichnet wird», so Hisham Mehanna vom Institut für Krebs- und Genomwissenschaften an der Universität Birmingham. Dies betreffe vor allem Fälle von sogenannten Oropharynxkrebs, bei dem die Mandeln und der Rachen betroffen sind.

Hauptursache für die auf Deutsch als ​​Mundrachenkrebs bezeichnete Erkrankung ist laut Mehanna das humane Papillomavirus (HPV), das vor allem im Zusammenhang mit Gebärmutterhalskrebs genannt wird. In den USA und Grossbritannien werde Oropharynxkrebs mittlerweile häufiger als Gebärmutterhalskrebs diagnostiziert, schreibt er auf Theconservation.com.

Linda (27) erhielt im März 2020 die Diagnose Krebs. Nebst Bestrahlungs- und Chemotherapie, die auf sie zukamen, musste sie sich von einem Tag auf den anderen entscheiden, ob sie je eigene Kinder haben will.

Anja Zingg/Melchior Kall

Situation in der Schweiz

Risiko steigt mit der Zahl der Oralsexpartnerinnen und -partner

Ursache des Anstiegs ist laut Mehanna vor allem immer häufiger praktizierter Oralsex und häufig wechselnde Sexualpartner: «Diejenigen mit sechs oder mehr lebenslangen Oralsex-Partnern haben ein 8,5-mal höheres Risiko, an Oropharynxkrebs zu erkranken als diejenigen, die keinen Oralsex praktizieren», warnt der Experte. Als weitere Hauptrisikofaktoren gelten Rauchen und Alkoholkonsum.

«Diejenigen mit sechs oder mehr lebenslangen Oralsex-Partnern haben ein 8,5-mal höheres Risiko, an Oropharynxkrebs zu erkranken als diejenigen, die keinen Oralsex praktizieren.»

Hisham Mehanna, Institut für Krebs- und Genomwissenschaften an der Universität Birmingham.

Auf die von Cunnilingus und Fellatio ausgehende Gefahr wies vor einigen Jahren schon Dietmar Thurnher von der Medizinischen Universität Graz hin: «Früher waren die typischen Patienten im Schnitt 50 bis 60 Jahre alt, es waren vor allem Männer, die viel geraucht und viel getrunken haben.» Mittlerweile seien die Betroffenen rund zehn Jahre jünger und beiderlei Geschlechts. Auch Nichtraucher und Menschen, die keinen oder kaum Alkohol trinken, gehörten dazu.

Umkehr der Entwicklung möglich

Laut Mehanna könnte die HPV-Impfung den Negativ-Trend wieder umkehren: «Es gibt zunehmende, wenn auch noch indirekte Beweise dafür, dass die Impfung auch bei der Vorbeugung einer HPV-Infektion im Mund wirksam sein kann.» Zudem deute sich an, dass Jungen in Ländern mit einer hohen Durchimpfungsrate bei Mädchen (über 85 Prozent) durch die sogenannte Herdenimmunität auch geschützt sind. «Zusammengenommen kann dies hoffentlich in einigen Jahrzehnten zu einer Verringerung von Oropharynxkrebs führen.»

Zudem können sich auch Buben selbst gegen das humane Papillomavirus impfen lassen – zum Selbst- und Fremdschutz (siehe folgende Bildstrecke). Seit einigen Jahren wird hierzulande die HPV-Impfung auch Buben empfohlen.

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Andrea hat sich im Alter von 26 Jahren gegen HPV impfen lassen. Das, weil bereits mehrere Frauen in seinem Umfeld Biopsien machen mussten. «Plötzlich stand das Wort ‹Krebs› im Raum, und damit verbunden grosse Ängste. Das hat mich berührt.»

Andrea hat sich im Alter von 26 Jahren gegen HPV impfen lassen. Das, weil bereits mehrere Frauen in seinem Umfeld Biopsien machen mussten. «Plötzlich stand das Wort ‹Krebs› im Raum, und damit verbunden grosse Ängste. Das hat mich berührt

privat
HPV ist ein Virus, das Krebsvorstufen bei Frauen, aber auch bei Männern auslösen kann. Eine möglichst frühe Impfung könnte die Verbreitung von HPV einschränken.

HPV ist ein Virus, das Krebsvorstufen bei Frauen, aber auch bei Männern auslösen kann. Eine möglichst frühe Impfung könnte die Verbreitung von HPV einschränken.

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Während die Durchimpfungsquote (zwei Dosen) bei Mädchen in der Schweiz bei 59 Prozent liegt, lassen sich laut Infovac.ch nur 17 Prozent der männlichen Jugendlichen impfen. Das hat die letzte Erhebungsperiode ergeben.

Während die Durchimpfungsquote (zwei Dosen) bei Mädchen in der Schweiz bei 59 Prozent liegt, lassen sich laut Infovac.ch nur 17 Prozent der männlichen Jugendlichen impfen. Das hat die letzte Erhebungsperiode ergeben.

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Das Bundesamt für Gesundheit strebt für eine Durchimpfungsrate von 80 Prozent an. Doch davon ist man noch weit entfernt. In der letzten Erhebungsper​​iode (2017 bis 2019) lag die durchschnittliche Durchimpfung bei 16-jährigen Mädchen bei 59 Prozent, bei den Jungs bei 17 Prozent. In Anbetracht der Corona-Pandemie dürfte der generelle Impfwille aber abgenommen haben, so Mehanna. Eine Entwicklung, die die Weltgesundheitsorganisation WHO und die US-Gesundheitsbehörde CDC auch für die Masernimpfung festgestellt haben.

Nicht jede HPV-Infektion scheint zu Krebs zu führen

Laut dem Bundesamt für Gesundheit BAG infizieren sich nach Schätzungen 70 bis 80 Prozent der sexuell aktiven Frauen und Männer im Laufe ihres Lebens mit HPV. In 70 Prozent dieser Fälle verschwinde das Virus innerhalb eines Jahres nach der Infektion und in 90 Prozent innerhalb von zwei Jahren.

Eine kleine Anzahl von Menschen sei jedoch nicht in der Lage, die Infektion loszuwerden, schreibt Mehanna, «möglicherweise aufgrund eines Defekts in einem bestimmten Aspekt ihres Immunsystems.» Bei diesen Patienten könne sich das Virus kontinuierlich replizieren und integriere sich im Laufe der Zeit an zufälligen Positionen in die DNA des Wirts, von denen einige dazu führen können, dass die Wirtszellen krebsartig werden.

Prominente Fälle

Dass Cunnilingus oder Fellatio derart unangenehme und potenziell lebensbedrohliche Folgen haben können, ist spätestens seit dem Jahr 2013 bekannt. Damals gab Hollywood-Schauspieler Michael Douglas bekannt, dass sein Kehlkopfkrebs auf Oralsex zurückzuführen war. ​​

Zu Beginn verursacht Mundrachenkrebs relativ wenig Symptome. Es kann daher schwierig sein, die Erkrankung in einem frühen Stadium zu erkennen. In der Regel stellt man zunächst Schwellungen oder Knoten am Hals und Schluckbeschwerden fest. Die Lymphknoten im Kopf-Halsbereich vergrössern sich. Im weiteren Verlauf kommt es zu Schmerzen im Hals, die bis zu den Ohren ausstrahlen können. Später treten Mundgeruch und Wunden im Mund-/Rachenraum auf. Auch länger als zwei bis drei Wochen anhaltende Heiserkeit, ein veränderter Klang der Stimme sowie ein Fremdkörpergefühl im Hals können auf Mundrachenkrebs hindeuten.

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