«Time-out»: Ein Hockey-Gott zwischen Herz und Verstand

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«Time-out»Ein Hockey-Gott zwischen Herz und Verstand

Eine Geschichte über Freundschaft und Enttäuschung, Stolz und Eitelkeiten: Klotens Kultfigur Felix Hollenstein steht vor der schwierigsten Entscheidung seiner Karriere.

Klaus Zaugg
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Klaus Zaugg

Er hat nie für ein anderes Hockeyunternehmen als Kloten gespielt und gecoacht. Felix Hollenstein ist Klotens «Hockey-Gott». Er gehört zu Kloten wie Moritz Leuenberger zur SP, Marc Lüthi zum SCB oder Klaus Schwab zum Weltwirtschaftsforum. Leuenberger aus der SP ausschliessen? Lüthi feuern? Schwab absetzen? Undenkbar. Völlig undenkbar.

Aber Felix Hollenstein ist im letzten Sommer aus einem laufenden Trainer-Vertrag entlassen worden.

Hollenstein soll zurückkommen

Nun wollen ihn jene, die ihn gefeuert und zutiefst im Stolz verletzt haben, wieder zurückholen. Niemand sagt das offiziell. Aber viele inoffiziell, und die Gewährsleute berichten übereinstimmend: Klotens neuer Sportchef André Rötheli versucht den verlorenen Sohn zurückzuholen. Am liebsten per sofort. Aber auf alle Fälle für nächste Saison.

Damit steht Felix Hollenstein vor der schwierigsten Entscheidung seiner Laufbahn. Da ist einerseits die tiefe Genugtuung, dass es ohne ihn also doch nicht geht. Dass jene, die ihm die bitterste Enttäuschung seiner Karriere beschert haben, nun den roten Teppich ausrollen. Damit er im Triumph durch die Vordertüre zurückkehren kann. Seinem Ego wird geschmeichelt. Seinem Selbstvertrauen flattiert. Seinem Selbstwertgefühl hofiert.

Sofortiges Comeback ist risktant

Felix Hollenstein hat eine so starke emotionale Bindung zu Kloten, dass er dieses Angebot nicht einfach ablehnen wird. Es ist sein Klub. Seine Welt. Was auch immer passiert ist: Sein Herz sagt, dass er die Klotener nicht im Stich lassen darf. Zu viele sind auch seine Freunde. Diese Freundschaften sind stärker als die Enttäuschung des letzten Sommers.

Aber sein Verstand wird ihm sagen, dass er sich eine Rückkehr sehr gut überlegen muss. Dass es nur eine Heimkehr zu seinen Bedingungen geben darf. Dass ein sofortiges, unüberlegtes Comeback riskant ist. Gewinnen kann er dabei nichts. Er setzt sein Charisma, seine Autorität aufs Spiel, wenn er noch während dieser Saison für ein paar Spiele an die Bande steht. Weil er dann bereits wieder mitten drin ist und die weitere Entwicklung nicht mehr beeinflussen kann. Wenn in Kloten der Trainer denn tatsächlich noch während der laufenden Saison ausgewechselt werden muss, gibt es ja genügend andere Kandidaten für eine Feuerwehrübung. Von Kent Ruhnke, Christian Weber, Ivano Zanata, Bob Mongrain bis John Fust.

Dreijahresvertrag mit mindestens 1,5 Millionen Franken?

Hört Felix Hollenstein auf seinen Verstand, lehnt er eine sofortige Rückkehr ab. Wartet ab, wie sich die Dinge entwickeln und stellt dann im Sommer kompromisslos die Bedingungen für eine Übernahme des Teams. Dazu gehört ein Dreijahresvertrag im Wert von mindestens 1,5 Millionen Franken. In der neuen Welt des Sportkapitalismus wird er nur mit einem Vertrag eine starke Position haben, der seine Entlassung zu teuer macht. Doug Shedden wäre in Zug schon nach ein paar Wochen gefeuert worden, wenn er nicht wegen eines teuren Dreijahresvertrages aus wirtschaftlichen Gründen unentlassbar gewesen wäre. Die Nordamerikaner haben für die Gänge und Läufe im Sportbusiness einen bitterbösen Spruch kreiert: «Money talks, bullshit walks.»

Lässt sich Felix Hollenstein hingegen von seinen Emotionen leiten, kehrt er noch während dieser Saison zurück und setzt alles aufs Spiel. Was er unterschätzt: Im Eishockeygeschäft des 21. Jahrhunderts gibt es in Kloten auch für ihn keine Sentimentalitäten mehr. Alles was zählt, sind die Resultate. Die Erwartungen sind hoch. Mit ihm würden diese Erwartungen noch höher. Himmelhoch. Das Kloten, das er kennt, das Kloten in dem er gross geworden ist, das Kloten, das ihn geprägt und zu einer der grössten Persönlichkeiten in unserem Hockey gemacht hat, existiert so nicht mehr. Es ist im letzten Sommer untergegangen. So wie es auch die Swissair, den Bankverein und die Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB) und das geteilte Deutschland nicht mehr gibt.

Wäre eine Pause besser?

Wenn ich sein Karriere-Berater wäre, würde ich ihm vorschlagen, erst einmal zwei oder drei Jahre Abstand zu gewinnen. Bis er dazu in der Lage ist, mit dem Verstand und nicht mehr mit dem Herzen die Situation einzuschätzen und eine Offerte der Kloten Flyers zu prüfen. In der Zwischenzeit kann er beim Verband als U20-Nationaltrainer arbeiten. So würde er in Kloten in höchstem Ansehen bleiben. Und wann immer er möchte, könnte er später in der Position, die er wünscht, nach Kloten zurückkehren. Wenn er zu früh wieder in Kloten einsteigt, ist die Gefahr des Scheiterns zu gross. Wenn er scheitert, gilt er als Vertreter des Eishockeys des letzten Jahrhunderts. Und erntet Spott und Mitleid.

Aber es liegt in der Natur des Sportgeschäftes vernünftig zu denken und unvernünftig zu handeln. Auch das gehört zur Faszination des Sportes.

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