Wie viele Fälle gibts?«Ein Hundehasser hat meine Kira vergiftet»
Labrador-Mischling Kira ist tot. Laut ihrem Frauchen hat sie einen Gift-Köder gefressen. Im Internet wird vor Dutzenden Hundehassern gewarnt. Geschnappt wird kaum einer.
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- hal/hvw
«Wie kann jemand nur wollen, dass ein Hund so qualvoll stirbt wie unsere Kira?» B. S. (Name der Redaktion bekannt) ist nicht nur sehr traurig, sondern auch sehr wütend. Am Freitag wurde ihre Hündin eingeschläfert. Der 12-jährige Labrador-Mischling hatte hohes Fieber und musste erbrechen. «Am Donnerstag war unsere Kira noch frisch und fröhlich. Einen Tag später ging es ihr miserabel.»
Die Hündelerin aus Langendorf SO ist sich sicher: «Kira hat einen präparierten Köder gefressen. Jemand hat sie vergiftet.» Diesen Verdacht hat auch Tierarzt Martin Gugelmann, der Kira behandelte. «In Langendorf in der Nähe des Schützenhauses sind Giftköder ausgelegt. Schon zwei Hunde sind gestorben», warnt er via Facebook.
Dutzende Warnungen im Netz
In sozialen Netzwerken, auf Websites und über Warn-Apps hat sich der Fall schlagartig verbreitet. Es ist bei Weitem nicht die einzige Warnung vor Hundehassern. Allein auf der Facebook-Seite «Gift-Köder-Alarm Schweiz» wird seit Anfang September vor mit Gift versetzten Pouletstücken oder Cervelats in Stansstad NW, Oberbüren SG, Sand-Schönbühl BE, dem Zürcher Glatttal, Reiden LU, Veltheim ZH, Gächlingen SH, Greifensee ZH und Safenwil AG gewarnt. Die Liste liesse sich beliebig verlängern.
Erwischt werden die Täter fast nie. Bekannt ist lediglich, dass 2011 eine 29-Jährige gefasst wurde, die im Glarnerland mit Schneckenkörnern versetzte Köder ausgelegt hatte. Und 2010 konnte die Walliser Polizei einen 80-Jährigen ermitteln, der vergiftete Fleischstücke verstreute – angeblich, um Füchse zu töten.
Trauben, Pflanzen, Schokolade
In wie vielen Fällen Hunde wirklich absichtlich vergiftet werden, ist unklar. Eine Statistik gibt es nicht, auch keine Meldepflicht. Die meisten Veterinärämter können deshalb keine Zahlen herausgeben. Anders das Tox-Zentrum in Zürich: Dort werden pro Jahr eins bis fünf Verdachtsfälle gemeldet; beim Basler Kantonstierarzt Michel Laszlo sind es ein bis zwei.
Insgesamt gehen jährlich 1000 Anfragen wegen Vergiftungen von Hunden beim Tox-Zentrum ein – die meisten, weil Hunde etwa Trauben, Zimmerpflanzen, Schokolade oder Ratten- und Mäuse-Köder gefressen haben. Hinter wie vielen Fällen Hundehasser stehen könnten, wagt nicht einmal der Schweizer Tierschutz STS zu schätzen.
«Es macht aber den Anschein, dass in den letzten Jahren vermehrt Fälle an die Öffentlichkeit gelangt sind», so STS-Sprecherin Helen Sandmeier. Facebook und Co. tragen hier wesentlich dazu bei.
Panik wegen Warnungen
Alle angefragten Spezialisten begrüssen diese Online-Dienste grundsätzlich, weil sich so weitere Fälle verhindern liessen und die Hundehalter sensibilisiert würden. «Als Warnsystem für Hundebesitzer sorgen sie für eine höhere Sicherheit der Tiere», sagt Hugo Kupferschmidt, Direktor des Tox-Zentrums.
Allerdings handle es sich bei den meisten verbreiteten Fällen nur um Vermutungen. «Es besteht die Gefahr, dass sich Hundebesitzer davon ungerechtfertigt in Angst versetzen lassen», so Kupferschmidt. Laut dem Basler Veterinär Michel Laszlo können falsche Meldungen «zu unnötiger Verunsicherung und Panik bei Hundehaltern führen».
«Wir möchten endlich um Kira trauern»
Anna Jaggi, stellvertretende Kantonstierärztin im Baselbiet, versteht die Hundehalter trotzdem: «Der plötzliche Verlust eines Haustiers ist sehr schmerzlich und viele Tierhalter neigen dazu, mit Abwehr und Schuldzuweisungen zu reagieren.» Sie rät, bei konkretem Verdacht auf eine Vergiftung die Polizei einzuschalten. Laut dem stellvertretenden St. Galler Kantonstierarzt Eugen Fauquex kann dann «aufgrund einer pathologisch-anatomischen Untersuchung eventuell die Art einer Vergiftung diagnostiziert werden».
Auch B. S. hat nach dem Tod ihrer Hündin die Polizei alarmiert. «Aber wir konnten nicht beweisen, dass Kira vergiftet wurde.» Sie wird deshalb keine Anzeige erstatten. «Wir wollten einfach die anderen Hündeler warnen. Jetzt möchten wir endlich in Ruhe um Kira trauern.»
Sadismus und Rache
Die Motive der Hundehasser sind so perfid wie unterschiedlich. Einerseits gebe es Leute, die sich durch Hunde und Katzen belästigt fühlten und sich am Kot oder Bellen der Tiere störten, sagt Helen Sandmeier vom Schweizer Tierschutz. «Andere haben eine sadistische Ader und Spass am Quälen.» Oft dürfte allerdings weniger das Tier, sondern der Besitzer das eigentliche Ziel sein. Der Berner Kantonstierarzt Michel Laszlo empfiehlt grundsätzlich, Hunde beim Suchen und Schnüffeln am Boden genau zu beobachten und zu kontrollieren, «falls der Hund auf etwas rumkauen sollte».