Musliminnen nehmen Stellung«Ein Kopftuch käme für mich durchaus in Frage»
Was denken Musliminnen in der Schweiz über die CVP-Forderung, das Kopftuch an Schulen zu verbieten? 20 Minuten hat mit ihnen gesprochen.
- von
- D. Pomper
Die CVP will das Kopftuch an Schulen verbieten. Was sagen Musliminnen in der Schweiz dazu?
« Ich fühlte mich noch nie bevormundet»
S. Jakupi (25) aus Luzern, Betriebsökonomie-Studentin.
«Ich habe mich sehr aufgeregt, als ich von diesem Kopftuchverbot an Schulen gehört habe. Die CVP inszeniert sich als Helfer in der Not. Sie drängt uns Muslimas in eine Opferrolle und tut so, als ob wir Muslimas alle unterdrückt würden. Aber das stimmt nicht! Meine Eltern stammen aus dem Balkan, ich bin in einer muslimischen Familie aufgewachsen. Weder meine Mutter noch meine Schwester oder ich wurden je unterdrückt. Ich fühlte mich noch nie bevormundet. Aber die CVP mit ihrer Forderung würde mich bevormunden. Selber trage ich kein Kopftuch. Es käme für mich jedoch durchaus in Frage. Die Vorstellung, nicht die Freiheit zu haben, eines zu tragen, macht mich traurig und hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. Käme die CVP mit ihrem Verbot durch, würde ich mich nicht von Männern, sondern von der Schweizer Gesellschaft unterdrückt fühlen.
Wäre die Schweizer Gesellschaft Kopftuchträgerinnen gegenüber nicht so negativ eingestellt, würde ich ein Kopftuch tragen. Ich fühle mich damit selbstbewusster und geschützter. Vor dem Wetter, aber auch vor Männerblicken. Noch aber fehlt mir der Mut zu diesem Schritt. Im Gegensatz zu meiner Schwester. Ich bewundere sie dafür, dass sie die Stärke hat, trotz Gegenwind ein Kopftuch zu tragen.
Klar gibt es muslimische Familien, die ihren Töchtern das Kopftuch aufdrängen. Aber das hat nichts mit dem Islam zu tun, sondern mit der falsch interpretierten Religion und Familien mit einem ungesunden Verhältnis untereinander. Schliesslich gibt es überall auf der Welt unabhängig von der Religion «kranke» Familien.»
«Ich wehrte mich gegen das Kopftuch»
Bahar Koçal (42) aus dem Raum Winterthur, tätig im Verkauf und Marketing.
«Die Forderung der CVP ist für mich als Muslima ein Befreiungsschlag. Endlich eine Partei, die sich den Dogmen des politischen Islam nicht länger beugt. Ich wurde in eine islamische Familie hineingeboren und habe in Jugendzeiten erlebt, wozu meine muslimischen Freundinnen gezwungen wurden. Ich erinnere mich an ein Mädchen, das zurück in die Türkei geschickt wurde, weil es sich geweigert hatte, ein Kopftuch zu tragen. Auch in meiner Familie war das Kopftuch ein Thema. Mein Vater erwartete von meiner Mutter, dass sie eines trägt. Sie aber wehrte sich dagegen. Mein Vater wollte auch, dass ich ein Kopftuch trage. Dieses würde meine innere Schönheit nach aussen tragen. Ich hatte aber schon früh eine Abneigung gegen Dogmen, das Kopftuch machte für mich keinen Sinn. Als starke Person konnte ich mich dem Druck widersetzen. Das Kopftuch trug ich höchstens, wenn es nicht anders ging, zum Beispiel wenn wir die Moschee besuchten.
Dass viele muslimische Mädchen im Namen der Religionsfreiheit das Kopftuchverbot kritisieren, erstaunt mich nicht. Die wenigen Male, die ich das Kopftuch trug, redete ich mir ein, dass ich das freiwillig machte. Wer gibt schon gern zu, dass man etwas macht, weil man dazu gezwungen wird? Indem man sich die Situation schönredet, versucht man, die eigene Würde zu schützen. Sich im jungen Alter dagegen zu wehren, ist extrem schwierig. Zu behaupten, ein Kopftuchverbot an Schulen verletze die Religionsfreiheit, ist falsch. Im Koran steht nirgends, dass Muslima ein Kopftuch tragen müssen. Es ist einzig ein Machtelement des politischen Islam.»
«Besser als all diese Halbnackten»
Weitere Stimmen junger Musliminnen:
Enisa H. (18):
«Jungs dürfen keinen Hut tragen. Das ist uns bewusst. Jedoch haben ein Hut und ein Kopftuch nicht die gleiche Bedeutung. Ich finde es unverschämt, wenn man in einem so demokratischen Land nicht selber aussuchen darf, ob man sich bedeckt oder nicht!»
Yasmine T. (26)
«Man nimmt uns Muslimen immer mehr die Möglichkeit unseren Glauben zu praktizieren. Ich trage zwar kein Kopftuch. Aber es ist schön zu wissen, dass ich eins tragen könnte. Es ist mein persönliches Recht, selbst entscheiden zu dürfen. Jeder behauptet, das Kopftuch sei ein Zeichen der unterdrückten Frau. Ist es aber nicht auch eine Unterdrückung, mir Vorschriften zu machen, wie ich mich kleiden soll? Diese Doppelmoral nervt! Die Religionsfreiheit gilt für jeden. Nur nicht für Muslime.»
Özlem L. (20)
«Das Kopftuch stellt weder eine Unterdrückung der Frau dar noch ist es ein Zeichen eines terroristischen Akts. Mit einem Kopftuch ist eine Frau immer noch unsere Nachbarin, unsere Arbeitskollegin und unsere Schulkameradin. Wo bleibt die Humanität, die Toleranz für andere Religionen und das Mitgefühl unseren Mitmenschen gegenüber?»
Blerta H. (19)
«Ich finde es in Ordnung, wenn eine Frau ein Kopftuch trägt. Ich trage selbst keines, aber wenn eine Frau eines tragen will, dann soll man das auch akzeptieren! Das ist immer noch besser als diese Halbnackten, bei denen man das Gefühl hat, dass sie am Meer sind und nicht in der Schule! Und noch etwas. In der Schweiz gibt es Religionsfreiheit. Wie kann man das verbieten?!»
Amina (20)
«Ich als Muslima mit Kopftuch finde das gar nicht in Ordnung. Das Verbot würde die Menschenrechte verletzen. In der Schweiz herrscht auch die Religionsfreiheit. Das Kopftuch ist ein Teil des Islam. Wenn es verboten wird, wird automatisch auch die Religionsfreiheit infrage gestellt.»