BahrainEin Schweizer erklärt Scheichs den ÖV
Staus und versiegende Ölquellen: Das Königreich Bahrain will ein öffentliches Verkehrssystem aufbauen – und holt sich Hilfe vom ÖV-Vorbild Schweiz.
- von
- nj

Der öffentliche Verkehr in Bahrain ist noch kaum ausgebaut. (Symbolbild)
Die Voraussetzungen dafür, im Inselstaat Bahrain einen funktionierenden öffentlichen Verkehr aufzubauen, sind denkbar schlecht: Jeder Haushalt besitzt im Schnitt mehr als zwei Autos, hohe Temperaturen machen Aufenthalte im Freien zur Qual und Benzin kostet kaum mehr als Wasser in Flaschen. Kein Wunder also, dass sich das Königreich jetzt Unterstützung besorgt hat. Und zwar aus der Schweiz, die wie kaum ein anderes Land mit Bahn und Bus erschlossen ist.
Thomas Sauter-Servaes, Leiter des Studiengangs Verkehrssysteme an der ZHAW School of Engineering, wurde von der Kingdom University Bahrain eingeladen. In einem Workshop sollte der Verkehrsexperte helfen, Projektvorschläge zu erarbeiten. Denn auch das sehr gut ausgebaute Strassensystem in Bahrain stösst laut Sauter-Servaes langsam an seine Kapazitätsgrenzen: «Zu Stosszeiten entstehen nun erste Staus, weil wirklich jeder im eigenen Auto unterwegs ist.»
Frauen fahren Auto – aus Sicherheitsgründen
Ganz einfach ist die Aufgabe mit dem ÖV-Netz nicht. «Der ÖV steckt dort noch in den Kinderschuhen. Deshalb lässt sich nicht einfach das Schweizer System analog umsetzen», sagt Sauter-Servaes. Es gibt zwar im Königreich Busse, aber die verkehren nur auf wenigen Linien und mit grossen zeitlichen Abständen. «Dementsprechend gering ist die Motivation der Bevölkerung, vom eigenen Auto auf den Bus umzusteigen.» Ein weiteres Problem stellt die in dem arabischen Land weit verbreitete Meinung dar, öffentliche Verkehrsmittel seien für Frauen zu gefährlich.
Beim Besuch des Schweizer Experten galt es also, nicht nur Ausbaumöglichkeiten zu finden, sondern auch Strategien, wie die Bevölkerung überhaupt zur Nutzung des ÖV motiviert werden könnte. Verschiedene Ansätze wurden entwickelt. Das fängt dabei an, den Sonnenschutz auf dem Weg zur Bushaltestelle und während der Wartezeit dort zu verbessern. Ein anderer Vorschlag zielt darauf ab, angepasst an die Hauptverkehrsachsen ein ringförmiges Busnetz zu definieren, auf dem regelmässig Busse verkehren.
Erster Schritt: Carpooling statt ÖV-Ausbau
Die von Sauter-Servaes favorisierte Projektidee lässt den Ausbau der Busse vorerst ganz weg. «Ich denke, es ist am vielversprechendsten, die Leute fürs Erste gar nicht aus dem eigenen Auto zu holen.» Einfacher umzusetzen sei sehr wahrscheinlich eine Art Carpooling. «Über eine Mitfahrzentrale – etwa mittels App – könnten sich Personen, die die gleiche Route fahren wollen, zusammentun.» Besonders für Frauen wäre das interessant, ist sich Sauter-Servaes sicher: «Sie könnten sich gegenseitig abholen und wieder absetzen, ohne mit Männern unterwegs sein zu müssen.»
Noch ist unklar, ob eine Variante und wenn ja welche in Bahrain demnächst umgesetzt wird. «Wir haben die Ergebnisse des Workshops dem zuständigen Ministerium übergeben und warten auf Feedback.» Die Regierung habe sich aber bisher sehr interessiert gezeigt. Je nach Projekt dürfen die Scheichs auch in Zukunft auf Schweizer Unterstützung zählen: «Wir sind weiterhin involviert», erklärt Sauter-Servaes.