Strassenschlacht«Ein solches ‹Tanz dich frei› gibt es nicht mehr»
Nach der Strassenschlacht von Bern verteidigt sich der Sicherheitsdirektor Reto Nause: Man habe alles richtig gemacht. Das Problem seien die militanten Kriminellen, die man bekämpfen müsse.
- von
- A. Müller
Herr Nause, die Bilanz der «Tanz Dich frei» – Veranstaltung ist ernüchternd. Es gab 20 verletzte Polizisten und enorme Sachbeschädigung. Bürgerliche Politiker kritisieren, der Sicherheitsdirektor mache seinen Job nicht. Was sagen Sie dazu?
Reto Nause: Wir konnten nicht damit rechnen, dass die Sicherheitskräfte auf diese Art und Weise attackiert wurden. Wir haben von dieser Kundgebung abgeraten und während den Ausschreitungen alles darangesetzt, die Sicherheit der Teilnehmenden soweit möglich zu gewährleisten
Warum hat man nicht einfach gesagt, wir dulden diesen Anlass nicht?
Das hätte man so nicht machen können. Wir gehen von 10'000, mehrheitlich friedlich tanzenden Teilnehmern aus. Ich war am Bahnhofsplatz, ich war in der Menschenmasse drin. Es wäre ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, einen solchen Anlass im Tränengas zu ersticken. Wir haben mit Augenmass gehandelt und den Polizeieinsatz mit massiven Einsatz zu Ende geführt. Wir haben es hier mit militanten Kriminellen zu tun, die den Staat herausfordern. Die Antwort muss sein, diese zu bekämpfen, anstatt Entscheide der Behörden zu hinterfragen.
Den Vorwurf der Laissez-faire Politik lassen Sie also nicht gelten…
Von Laissez-faire kann keine Rede sein. Tränengas und Gummischrot wurde massiv eingesetzt. Es wird uns sogar vorgeworfen, wir hätten die Eskalation gesucht. Wenn man solche Vorwürfe hört muss man sagen, dass wir in einer Lose-Lose-Situation waren. Dank dem Polizeieinsatz wurde Schlimmeres verhindert.
Dennoch - bereits zum zweiten Mal innerhalb einer Woche wurden Teile die Berner Innenstadt verwüstet.
Es ist eine unbefriedigende Situation und ein ungemütlicher Mai. Hinzu kommen auch noch die Fussballspiele in diesen Tagen. Wir als Behörden suchen diese Konfrontation nicht. Wir tun alles, damit es nicht zur Eskalation kommt. Es sind andere, die es soweit kommen lassen.
Die gestrige Kundgebung, für die nie ein Gesuch einging, wurde toleriert – aus Angst, dass ein Verbot zu einer Eskalation führen könnte. Wird man auch «Tanz dich frei IV» tolerieren?
Darüber will ich nicht spekulieren. Aber ein solches Tanz Dich frei, wie es heute gab, wird es nicht mehr geben.
Sie wollen mit einer Klage gegen Facebook vorgehen, um die Identität der anonymen Organisatoren zu gelangen. Sind Sie zuversichtlich?
Facebook hat ermöglicht, dass so eine Veranstaltung anonym über die Bühne gehen kann. Ich gehe davon aus, dass die Behörden von Amtes wegen ihre Ermittlungen hier aufnehmen und rechtliche Schritte gegenüber Facebook ergreifen werden – mit dem Ziel der Preisgabe der Autorenschaft dieses Anlasses. Polizisten wurden verletzt, hohe Sachbeschädigungen verursacht. Wenn das als juristische Grundlage nicht ausreicht verstehe ich die Welt nicht mehr.
Auf Online-Plattformen finden zurzeit aggressive Angriffe auf Ihre Person statt. Wie geht es Ihnen dabei?
Es erschüttert mich. Wenn man uns die Schuld an der Eskalation gibt, nachdem die Randalierer die Polizei mit Steinen beworfen haben, dann ist das eine verkehrte Welt.
Aufgezeichnet von Adrian Müller