IranEine Blume im lockigen Haar – wie Masih Alinejad gegen den Hidschab kämpft
Aus Protest gegen den Tod der 22-jährigen Mahsa Amini in Teheran schneiden Iranerinnen ihre Haare ab. Die Aktivistin Masih Alinejad bietet den verärgerten Frauen eine Plattform an – sie gilt in ihrer Heimat als Symbol des Protests gegen das Tragen des Hidschabs.
- von
- Karin Leuthold
Darum gehts
Die Iranerin Masih Alinejad hat ihr Leben damit verbracht, für die Rechte der Frauen in ihrem Land zu kämpfen – und bezahlte einen hohen Preis dafür. Alinejad wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, floh vor zehn Jahren aus ihrem Heimatland und darf ihre Familie nicht sehen. Heute verleiht die 46-jährige Fernsehmoderatorin und Aktivistin der Anti-Hidschab-Revolte im Iran über ihre Social-Media-Kanäle eine Stimme.
Auslöser der derzeitigen Proteste ist der Tod der 22 Jahre alten Iranerin Mahsa Amini. Sie war vor einer Woche von der Sittenpolizei in Teheran wegen eines Verstosses gegen die strenge islamische Kleiderordnung festgenommen worden. Was genau mit Amini nach ihrer Festnahme geschah, ist unklar. Bekannt ist, dass sie zunächst ins Koma fiel und am 16. September in einem Spital verstarb. Kritiker werfen der Moralpolizei vor, Gewalt angewendet zu haben.
Aminis Tod löste eine Welle der Empörung aus. Bei den Demonstrationen im Iran nehmen Frauen als Zeichen des Protests ihre von den Behörden vorgeschriebenen Kopftücher ab und verbrennen sie. Andere schneiden sich die Haare ab und posten Videos davon im Netz. Alinejad nutzte ihre Reichweite, um die Aufnahmen zu verbreiten. Am Samstag schnitten unter anderem auch in Zürich mehrere Frauen aus Solidarität mit Mahsa Amini ihre Haare ab.
Eine Woche nach dem Tod der 22 Jahre alten Mahsa Amini im Iran sind wieder Menschen auf die Strassen gegangen, um ihre Wut und Trauer auszudrücken.
Seit 2014 mit offenen Haaren durchs Leben
Masih Alinejad war dem iranischen Regime seit ihrer Jugend ein Dorn im Auge. Immer wieder beschwerte sie sich lautstark gegen das obligatorische Tragen des Hidschabs. Mit 18 Jahren wurde sie von der Sittenpolizei festgenommen, weil sie politische Flugblätter gegen die iranische Regierung gedruckt hatte. 2005 deckte sie als Reporterin bei einer liberalen Zeitung mehrere Korruptionsskandale im Iran auf. Als Reaktion darauf bezeichneten die Mitglieder des Regimes sie als Prostituierte. «Mir wurde vorgeworfen, sexuelle Beziehungen zu Parlamentsmitgliedern zu haben», sagte Alinejad einst in einem Interview. Ihre Gegner würden Frauen wegen ihres Geschlechts angreifen, «wenn man erfolgreich, kritisch oder mutig ist», fügte sie hinzu.
Ihr Kampf gegen den obligatorischen Hidschab erlebte einen Durchbruch, als die Aktivistin 2014 ein Foto auf Facebook postete, auf dem sie freudig durch London läuft – mit offenen Haaren. Die Frauen im Iran lobten das Bild und sagten, sie seien neidisch auf ihre Freiheit. Daraufhin postete Alinejad weitere Bilder von ihrem lockigen Haar, die allerdings heimlich im Iran aufgenommen worden waren. Alinejad forderte die Frauen auf, dasselbe zu tun und ihre unverhüllten Bilder zu teilen. So begann ihre Kampagne «My Stealthy Freedom» (übersetzt meine heimliche Freiheit).
«Sie können unsere Hoffnung und unsere Träume nicht töten»
Wenig später lancierte die Aktivistin eine zweite Kampagne: Mit «White Wednesdays» ruft sie Iranerinnen dazu auf, immer mittwochs weisse Kopftücher oder weisse Kleidung als Symbol des Protests gegen die Hidschab-Pflicht zu tragen. Alinejad teilt die Videos auf ihren Social-Media-Plattformen. Der BBC sagte sie: «Die Frauen übernehmen selbst die Führung, sie brauchen mich nicht, sie brauchen nur eine Plattform – und die habe ich ihnen gegeben.»
Obwohl Iraner und Iranerinnen mit strengen Konsequenzen rechnen müssen, wenn sie mit Alinejad kommunizieren, tun sie es weiterhin. In einem kürzlich von der Aktivistin geteilten Video ist eine Frau zu sehen, die ihr Kopftuch abzieht. Dazu schreibt sie: «Ich habe dieses Video aus Saghez erhalten, der Stadt, in der Mahsa Amini geboren wurde. Die Frau sagt: ‹Ich bin auch 22 Jahre alt, wie Mahsa. Die Regierung hat Instagram gefiltert, das Internet eingeschränkt und Menschen auf der Strasse umgebracht, aber sie können unsere Hoffnung und unsere Träume nicht töten›.»
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von sexualisierter, häuslicher, psychischer oder anderer Gewalt betroffen?
Hier findest du Hilfe:
Polizei nach Kanton
Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz
Lilli.ch, Onlineberatung für Jugendliche
Frauenhäuser in der Schweiz und Liechtenstein
Zwüschehalt, Schutzhäuser für Männer
LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133
Alter ohne Gewalt, Tel. 0848 00 13 13
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Beratungsstellen für gewaltausübende Personen
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