Ausschaffung drohtEine Familie kämpft um diese Zwillinge
Die Zwillinge Maddox und Mattheus werden mit ihrer Mutter nach Brasilien ausgewiesen – obwohl die Kinder hier aufgewachsen sind. Nun wehrt sich die Familie des Vaters dagegen.
- von
- R. Neumann
Die Zwillinge Maddox (8) und Mattheus (8) sind in der Schweiz geboren, gehen in Dietikon zur Schule und ins Fussballtraining, sprechen Schweizerdeutsch – haben aber die brasilianische Staatsbürgerschaft. So wie ihre Mutter Ana A.* (29). Sie lebt seit mehr als zehn Jahren in der Schweiz.
Ein Jahr lebte sie mit Saroeun B.*, dem Vater von Maddox und Mattheus, zusammen, kümmerte sich um die Kinder, während er arbeiten ging. Dann zerbrach die Beziehung. Da sie nicht verheiratet waren, hatte sie das alleinige Sorgerecht – lebte aber von der Sozialhilfe. Mittlerweile arbeitet Ana A. wieder als Coiffeuse und Putzfrau. Vergangenen Juli stellte sie den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung.
Doch im Februar der Schock: Das Migrationsamt Zürich lehnt ihren Antrag ab. Der niederschmetternde Entscheid: Per 16. April muss sie die Schweiz verlassen. Und mit ihr Maddox und Mattheus. Für Ana A. unverständlich: «Ich selbst kann mich vielleicht in Brasilien durchschlagen, aber für die Kinder ist das eine unmögliche Situation.»
1000 Unterschriften gesammelt
Der Kindsvater Saroeun B. und dessen Verlobte Theavy H.* kämpfen nun für die Kinder. Das gemeinsame Sorgerecht haben sie bereits erfolgreich beantragt – die Mutter hat dazu die Einwilligung gegeben. Mutter Ana A. sagt gar: «Auch wenn ich gehen müsste, würde ich bevorzugen, wenn sie hier bleiben könnten – auch wenn es mir das Herz brechen würde.»
Theavy H. sagt: «Wir haben ein Vertrauensverhältnis zu den Zwillingen aufgebaut, sie sind gerne bei uns.» Sie würde mit ihrem Verlobten gerne die Kinder aufnehmen, um die drohende Wegweisung abzuwenden. Um auch öffentlich darauf aufmerksam zu machen, hat sie eine Facebook-Gruppe eingerichtet, um Unterschriften für das Anliegen zu sammeln. Über 1000 Personen haben die Petition bereits unterzeichnet.
Ana A. hat nun Rekurs bei der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich eingereicht. Ihr Anwalt wollte gegenüber 20 Minuten keine Stellung nehmen.
«Anpassungsfähiges Alter»
Doch wie kommt das Migrationsamt zu einem solchen Schluss, hier aufgewachsene Kinder in ein ihnen völlig fremdes Land zu schicken? Bei der Sicherheitsdirektion kann Sprecher Urs Grob aus Datenschutzgründen keine Auskunft zum konkreten Fall geben. Er sagt allgemein gehalten: «Unmündige Kinder haben aus familienrechtlichen Gründen grundsätzlich die ausländerrechtlichen Folgen für den sorgeberechtigten Elternteil zu teilen.» Es werde ausserdem jeweils geprüft, ob die Kinder noch in einem anpassungsfähigen Alter sind und eine Wegweisung mit dem Kindswohl vereinbar sei.
Geprüft wird laut Grob jeweils auch, wie das Verhältnis eines Kindes zum nicht sorge- bzw. obhutsberechtigten Elternteil sei. «Dabei wird untersucht, ob eine intakte und gelebte Beziehung besteht.» Laut der Verlobten des Kindsvaters hat diese Prüfung aber nicht stattgefunden. «Wir erfuhren von der drohenden Ausschaffung erst im Februar.»
«Kind hat Anrecht auf beide Elternteile»
Nathalie Poehn, Leiterin der Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht, kann die Entscheidung des Migrationsamtes nicht nachvollziehen: «Achtjährige Zwillinge auszuschaffen, die hier aufgewachsen und sozialisiert sind und die Sprache in ihrem Heimatland nicht sprechen, ist aus unserer Sicht ganz klar unzulässig.» Ein Kind habe Anrecht auf beide Elternteile, in diesem Fall käme es auch zu einer Trennung vom Vater.
Laut Poehn geschieht es öfter, dass Migrationsämter mit der «Anpassungsfähigkeit» argumentieren. «Wir haben leider erlebt, dass die Behörden auch bei einem volljährigen Jugendlichen so argumentiert haben, obwohl er nie im Ursprungsland gelebt hat.» Für sie ist im Fall der Zwillinge klar: «Die Sozialisierung ist schon so weit fortgeschritten, dass dies einer starken Entwurzelung gleichkommt.»
* Namen der Redaktion bekannt