Fussball-WM in KatarEine «hoch riskante» Wahl
Die Fussball-WM 2022 in einem winzigen, streng islamischen Land, bei Temperaturen von 50 Grad? Sogar die FIFA war im Vorfeld bezüglich Katar skeptisch.
- von
- Peter Blunschi
Das Bewerbungsvideo von Katar.
Ein gutes Argument lässt sich für die sensationelle Vergabe der Fussball-WM 2022 an Katar finden. Im Gegensatz zu den Mitfavoriten Australien und USA ist Fussball im Golfemirat – und überhaupt in der arabischen Welt – enorm populär. Doch dann wird es schwierig: Katar hat von allen Bewerbern (2018 und 2022) die schlechtesten Noten im FIFA-Evaluationsbericht erhalten. Im operationellen Bereich wurde es als einzige Kandidatur als «hoch riskant» eingestuft.
Das Klima im Sommer in der Wüste ist mörderisch, mit Temperaturen von 50 Grad Celsius und hoher Luftfeuchtigkeit. Das bedeute «ein potenzielles Hitzerisiko für die Spieler, Funktionäre, die FIFA-Familie und die Zuschauer», heisst es im FIFA-Bericht. Die Veranstalter versprechen Grosses: «Alle Stadien, Trainingsstätten und Fanzonen werden auf 27 Grad Celsius klimatisiert sein. Alles wird mit Solarenergie betrieben und damit kohlenstoffneutral sein», sagte Hassan al Thawadi, der Chef der WM-Bewerbung.
Drei Milliarden Dollar werden investiert
Eine «grüne WM» soll es werden, heisst es, was im Ölstaat paradox erscheint. Doch Katar will sich ein modernes Image geben, und Geld spielt im Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt keine Rolle. Rund drei Milliarden Dollar werden investiert. Neun der zwölf Stadien werden in modularer Bausweise komplett neu erstellt. Nach der WM sollen sie abgebaut und aus den Modulen 22 neue Arenen in Entwicklungsländern errichtet werden.
Mit 11 500 Quadratkilometern ist Katar etwa viermal kleiner als die Schweiz. Folglich wird es eine «WM der kurzen Wege» geben, fünf der sieben Spielorte liegen in einem Umkreis von nur 25 Kilometer. Das bedeutet aber auch eine gewisse Enge, weshalb die FIFA vor einer «logistischen Herausforderung» warnte. So wird die Anreise der Fans ausschliesslich über den internationalen Flughafen der Hauptstadt Doha erfolgen, der ausgebaut werden soll. Das gilt auch für das Verkehrsnetz, dennoch drohen Staus und überfüllte Züge.
Vergleichsweise liberal
Daneben gibt es «atmosphärische» Bedenken. Das streng islamische Emirat ist eine absolute Monarchie, es gibt kein Parlament und keine Parteien, und Hauptquelle der Gesetzgebung ist die Scharia. Homosexualität ist illegal. In anderen Bereichen ist Katar im Vergleich mit anderen Golfstaaten relativ liberal. Der Fernsehsender «Al Jazeera», der viele arabische Potentaten ärgert, hat seinen Sitz in Doha, und seit 2008 gibt es eine christliche Kirche.
Der Alkoholkonsum von Nicht-Muslimen wird toleriert, nicht aber in der Öffentlichkeit. Was geschieht, wenn Horden durstiger und leicht bekleideter Fussballfans in das konservative Land einfallen? Und da wäre noch die politische Lage. Katar befindet sich in einer der explosivsten Regionen der Welt, der Iran und der Israel/Palästina-Konflikt sorgen regelmässig für Zündstoff. Optimisten glauben, die Fussball-WM könnte das Image des Nahen Ostens verändern. Sie dürften den Einfluss des Sports auf die Politik überschätzen.
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