Viren in der Luft: «Eine Maske ist auch im Büro ein Muss»

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Viren in der Luft«Eine Maske ist auch im Büro ein Muss»

Klimaanlagen stehen im Verdacht, Viren in Räumen zu verteilen. Der Tessiner Infektiologe Christian Garzoni hofft deshalb auf eine Maskenpflicht für Büros.

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Christian Garzoni, Klinikleiter des Spitals Moncucco in Lugano, rät zum Tragen von Masken – auch im Büro.

Christian Garzoni, Klinikleiter des Spitals Moncucco in Lugano, rät zum Tragen von Masken – auch im Büro.

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Wenn ein Corona-Infizierter hustet oder niest, schleudert er Tröpfchen und damit die Viren bis zu acht Meter weit. Es entstehen sogenannte Aerosole.

Wenn ein Corona-Infizierter hustet oder niest, schleudert er Tröpfchen und damit die Viren bis zu acht Meter weit. Es entstehen sogenannte Aerosole.

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Klimaanlagen können die Aerosole in der Luft weiterverteilen. Im chinesischen Guangzhou steckte ein asymptomatischer Patient in einem Restaurant fünf Personen an Nebentischen an.

Klimaanlagen können die Aerosole in der Luft weiterverteilen. Im chinesischen Guangzhou steckte ein asymptomatischer Patient in einem Restaurant fünf Personen an Nebentischen an.

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Darum gehts

  • Durch kleinste Tröpfchen bleibt das Coronavirus längere Zeit in der Luft.
  • Klimaanlagen könnten es so in Büros weiter im Raum verteilen.
  • Arzt Christian Garzoni befürwortet deshalb eine Maskenpflicht für Büros.
  • Der Basler Kantonsarzt sieht noch keinen Handlungsbedarf.

Wenn ein Corona-Infizierter hustet oder niest, schleudert er Tröpfchen und damit die Viren bis zu acht Meter weit. Es entstehen sogenannte Aerosole – auch nur schon beim Atmen–, weniger als fünf Mikrometer kleine Tröpfchen, die als Wolke in der Luft hängen bleiben. Diese Erkenntnis beunruhigt die Wissenschaft: So richteten jüngst 239 Forscher weltweit einen Appell an die WHO, die Gefahr der Übertragung durch Aerosole anzugehen.

Klimaanlagen können die Aerosole in der Luft noch weiter verteilen. Das eindrücklichste Beispiel bisher: Im chinesischen Guangzhou steckte ein asymptomatischer Patient in einem Restaurant fünf Personen an Nebentischen an – wohl weil die Klimaanlage die Viren in deren Richtung blies. Auch im Fall des deutschen Schlachtbetriebs Tönnies, wo sich über 1500 Arbeiter angesteckt hatten, war die Luft nicht mit ausreichend Frischluft angereichert worden.

Virenschleudern Klimaanlagen?

Die Übertragung von Coronaviren über die Klimaanlagen in geschlossenen Räumen erhält nun auch in der Schweiz vermehrt Aufmerksamkeit – nicht zuletzt, weil die Temperaturen steigen. Christian Garzoni, Klinikleiter des Spitals Moncucco, Infektiologe und Mitglied der Eidgenössischen Kommission für Pandemievorbereitung und -bewältigung, warnt vor Coronavirus-Übertragungen über Klimaanlagen. «Diese könnten das Coronavirus in einem Büro verteilen, indem sie die Luft im Raum bewegen oder diese nur rezyklieren statt austauschen», sagt Garzoni zu 20 Minuten.

Er nennt ein Beispiel, weshalb durch Klimaanlagen auch die Abstandsregel von 1,5 Meter nicht mehr wirkt: «Wenn jemand drei Meter neben mir sitzt, kann die Klimaanlage die Viruswolke an meinen Arbeitsplatz befördern.» Zudem sei es problematisch, wenn zu wenig Frischluft in die Räume gelange, die die Virusbelastung reduzieren könne.

Maskenpflicht für Büros gefordert

Für Garzoni ist deshalb klar: «Auch im Büro ist Maskentragen ein Muss.» Er appelliert an die Firmen, diese Empfehlung in ihre Schutzkonzepte aufzunehmen. Gleichzeitig hofft er, dass das BAG sowie die Behörden sich in den nächsten Tagen für eine Maskenpflicht im Büro, in Geschäften und für Ansammlungen entscheiden.

Auch die wissenschaftliche Taskforce des Bundes hat sich mit der Übertragung durch Aerosole in geschlossenen Räumen beschäftigt. In einer Minute lauten Sprechens könne ein Infizierter rund 1000 Tröpfchen mit Viren verbreiten, die acht Minuten in der Luft blieben, schreiben die Forscher. «Auch wenn der Hauptübertragungsweg direkter Kontakt ist, zeigen Studien, dass Sars-CoV-2 via Aerosole übertragen werden kann, besonders in schlecht belüfteten Räumen.»

«Auch im Büro ist Maskentragen ein Muss.»

Christian Garzoni

Daneben rät die Taskforce, geschlossene Räume regelmässig zu lüften. Auch sie empfiehlt das Tragen einer Maske in schlecht belüfteten Räumen, wo der Abstand nicht eingehalten und das Contact-Tracing nicht garantiert werden könne.

Behörden behalten Entwicklung im Auge

Die Firmen sind sich der Problematik bewusst. Viele geben Gratismasken an die Mitarbeitenden ab (siehe Box). Beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) war am Freitag nicht zu erfahren, ob es Ansteckungsfälle durch Klimaanlagen gegeben hat. Der Basler Kantonsarzt Thomas Steffen sagt auf Anfrage, das BAG gehe im Moment «von keinem erhöhten Ansteckungsrisiko aus bedingt durch Klimaanlagen, wenn diese gut unterhalten sind». Die Forschung auf diesem Gebiet sei aber noch nicht abgeschlossen.

Die Kantone behalten allfällige Ansteckungen in Büros im Auge. «In der derzeitigen Lage werden alle Fälle besonders bei Häufungen in verschiedenste Richtungen analysiert, um allfällige Ursachen rasch zu erkennen. Dies ist ein übliche Vorgehensweise, welche beispielsweise auch beim Auftreten von Legionellen-Erkrankungen eingesetzt wird», sagt Steffen. Am Point de Presse am Donnerstag erklärte das BAG, aktuelle Ansteckungen seien in Clubs, aber auch an Beerdigungen oder am Arbeitsplatz festgestellt worden.

Gratismasken bei der Post

Auch die Schweizerische Post stellt den Mitarbeitenden Gratismasken zur Verfügung. Sie setzt zudem weiter auf Homeoffice. «Büros der Post werden etappenweise bis maximal 50 Prozent belegt, um die behördlichen Vorgaben zum Schutz der Mitarbeitenden einzuhalten», sagt Sprecher Oliver Flüeler. Zurzeit liege die Belegung der Büros bei 30 Prozent. «Seit der Rückkehr eines Teils der Mitarbeitenden aus dem Homeoffice sind uns keine Erkrankungsfälle bekannt, die ursächlich mit dem Büro oder mit Klimaanlagen im Zusammenhang stehen.»

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