Paris Saint-GermainEine Milliarde Euro in den Sand gesetzt
Nach der blamablen Vorstellung von PSG steht der Trainer vor dem Aus, namhafte Nachfolger werden gehandelt. Es drohen aber grössere Probleme.
- von
- Fabian Sangines
Die Aufregung war riesig. Soeben hatte es Paris Saint-Germain geschafft, mit Neymar einen absoluten Weltstar zu verpflichten. Eine der grossen Figuren vom FC Barcelona. Dazu schnappen die Franzosen Real Madrid das Riesentalent Kylian Mbappé vor der Nase weg. Experten aus aller Welt waren sich einig: PSG ist jetzt so weit. Dank der Hilfe der katarischen Geldgeber haben sich die Pariser endgültig an die Spitze des Weltfussballs katapultiert – jetzt sind sie der grosse Favorit auf den Champions-League-Titel. Dieser Erfolg soll dann auch die störenden Nebengeräusche wegen der Transfersummen, die dank Neymar (222 Millionen) und Mbappé (180 Millionen) neue, irrwitzige Sphären erreicht und möglicherweise gegen das Financial Fairplay verstossen haben, endgültig verschwinden.
Die Fallhöhe war hoch, der Schmerz nach dem Aufprall auf dem Boden der Realität umso grösser. 2:5 lautet das Gesamtskore gegen Real Madrid, bereits im Achtelfinal der Königsklasse ist Schluss mit den Titelträumen. Einmal mehr. Schon im Vorjahr war in der ersten Runde nach der Gruppenphase Schluss. Ohnehin kam PSG in seinen bisher sieben Saisons im finanziellen Schlaraffenland nie weiter als in den Viertelfinal.
Video: Die Tore des Rückspiels in Paris
Real Madrid siegt in Paris 2:1.
Denn seit Sommer 2011 hat Qatar Sports Investments, angeführt von Nasser al-Khelaifi, 1115 Millionen Euro an Transfersummen bezahlt. Der internationale Erfolg kam aber weder mit Startrainer Carlo Ancelotti, der im Januar 2012 den (zu) unbekannten Antoine Kombouaré beerbte, noch mit dem ehemaligen französischen Abwehr-Idol Laurent Blanc, und auch nicht jetzt mit Unai Emery.
Insbesondere mit dem Spanier waren die Hoffnungen verbunden, einen Spezialisten für K.-o.-Spiele an der Seitenlinie zu haben. Schliesslich gewann er mit Sevilla zwischen 2014 und 2016 dreimal in Folge die Europa League. Dass er für einen attraktiven, aufopferungsvollen Spielstil steht, steigerten die Erwartungen zusätzlich, die mit den hochkarätigen Transfers ins Unermessliche stiegen. Umso ernüchternder ist die Bilanz, auch wenn er in diesem Jahr immerhin die Liga gewinnen dürfte – im Gegensatz zum Vorjahr.
Schon vor einem Jahr viel Kredit aufgebraucht
Einen Grossteil seines Kredits verspielte Emery vor einem Jahr, als er nach dem brillanten 4:0 im Hinspiel gegen Barcelona mit seiner ultradefensiven Ausrichtung fürs Rückspiel das wundersame Comeback der Katalanen erst möglich machte. Und auch bei den Spielern scheint er angezählt. Nach dem Ausscheiden gegen Real wetterte Julian Draxler: «Wir hätten den Gegner unter Druck setzten sollen, aber das haben wir nicht gemacht. Das sollte uns zu denken geben.»
Bilder: Die Achtelfinal-Rückspiele vom Dienstag
Ohnehin war der deutsche Nationalspieler bedient, weil er schon früher als in der 76. Minute hätte eingewechselt werden sollen. Nach dem 1:1 in der 71. Minute wurde er aber vorerst wieder auf die Bank zurückbeordert. Im ZDF sagte er dazu: «Das war unsensibel und habe ich auch nicht ganz verstanden. Das 1:1 hat uns überhaupt nichts gebracht. Ich war überrascht und auch ein bisschen sauer.» Schon nach dem 1:3 im Hinspiel wetterte die Ehefrau von Ángel Di María gegen Emery auf Instagram: «Deine Hingabe + dein Zusatztraining + deine Tore + deine Torvorlagen + deine Topform = Ersatzbank. Aber es sind natürlich wir Frauen, die keine Ahnung von Fussball haben...»

Jetzt scheint auch die Geduld von al-Khelaifi aufgebraucht zu sein. Leicht dramatisch titelt die französische Sportzeitung «L'Équipe»: «Bedeutet diese Niederlage das Ende einer Ära?» Der Vereinsboss sagte dazu: «Wir sind genervt, aber dürfen im Frust jetzt keine Entscheidungen treffen.» Man werde mit kühlem Kopf reflektieren und dann schauen, was es zu ändern gilt. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass er damit die Einkaufspolitik meint – zumindest bis zur Fussball-WM 2022 in Katar.
Auf den Punkt bringt es «Le Parisien». Das Blatt stellt nicht die Frage in den Raum, ob Emery bleiben, sondern wer den Basken beerben soll – sein Vertrag läuft noch bis im Sommer. Im Karussell tauchen Namen auf wie Juve-Trainer Massimiliano Allegro, der frühere Barça-Trainer Luis Enrique oder der bei Chelsea mittlerweile unbeliebte Antonio Conte. Der absolute Wunschkandidat soll gemäss verschiedenen Medienberichten in Frankreich und Spanien ausgerechnet Zinédine Zidane sein. Der frühere Weltfussballer gewann zweimal in Folge mit Real die Champions League und als Franzose würde er dem Wunsch von al-Khelaifi entsprechen, PSG wieder ein Stück heimischer zu machen.
Eine Nachricht an Neymar
Aufgrund der katastrophalen nationalen Auftritte Reals wird in Spanien ein Abgang Zidanes immerhin nicht ausgeschlossen. Dennoch ist die Trainerfrage möglicherweise nicht das grösste Problem bei PSG. Schliesslich ranken sich seit Wochen Gerüchte um einen Transfer von Neymar zu Real Madrid. Provokativ titelte «Marca», das Hausorgan Reals, am Mittwochmorgen: «Dieser Sieg ist eine Nachricht an Neymar: Um zu gewinnen, musst du nach Madrid.»
Und zu allem Überfluss ist da noch das drohende Verfahren der Uefa wegen eines möglichen Verstosses gegen das Financial Fairplay. Ein Ausschluss aus der Champions League würde alles verkomplizieren: die Suche nach dem geeigneten Trainer, den Verbleib Neymars – und natürlich den langersehnten Gewinn des Henkelpotts.