Eine Prostituierte als Stadt-Wahrzeichen
Sie ist aus der deutschen Stadt Koblenz nicht wegzudenken: Die Prostituierte «Brigittchen» wartet seit beinahe einem halben Jahrhundert auf ihre Freier. Ans Aufhören denkt sie noch lange nicht.
Egal, ob es regnet, schneit oder die Sonne vom Himmel brennt: Brigittchen steht in der Koblenzer Innenstadt und wartet auf Kundschaft. «Seit 47 Jahren mache ich das, und es macht mir immer noch Spass», erklärt die Prostituierte mit den blondierten Haaren und den schwarz nachgezogenen Augenbrauen. Stadtführer wie Manfred Gniffke halten mit ihren Besuchergruppen stets am «Altengraben» an. «Brigittchen ist wahrscheinlich die einzige Hure der Welt, die auch als Wahrzeichen der Stadt gilt», scherzt er.
Jeder in und um Koblenz kennt das Brigittchen. «Sicher hat sie bereits eine Million Euro verdient und arbeitet gerade an der zweiten», meint Gniffke lachend. Vor kurzem spielte Brigittchen neben anderen Koblenzer Prominenten in dem inoffiziellen, ironischen Werbefilm für die Stadt namens «Dau bist Kowelenz» mit. Die Medien berichteten über den Film und so auch über das Brigittchen. Die kann den Trubel um ihre Person nicht verstehen. «Ich mache nur meinen Job», sagt sie. «Aber wenn ich mal nicht mehr da bin, können die hier ruhig eine Bronze-Statue für mich aufstellen», gibt die Liebesdienerin den Stadtoberen einen Rat.
Über ihr Alter und den Nachnamen schweigt sich die gebürtige Koblenzerin beharrlich aus. Sie sei Mitte sechzig, lässt sie immerhin wissen. Als junge Frau habe sie Friseurin gelernt, dann in der Polizeischule in der Kantine gearbeitet und im Hotelgewerbe ihr Glück versucht. Schliesslich wechselte Brigittchen ins horizontale Gewerbe - warum, das verrät sie nicht. Doch sie beteuert, dass sie den Schritt nie bereut habe. «Die Männer sind alle nett, freundlich, wollen ein bisschen schwätzen und was Sex haben.»
Ihre Kundschaft besteht ausschliesslich aus Männern aus Koblenz und Umgebung im Alter zwischen 21 bis 90 Jahren. «Die verstehe ich, und die machen keinen Ärger.» Viele seien Stammkunden. «Ich habe einen Mann, der kommt schon seit dreissig Jahren», erzählt die Frau mit der beachtlichen Oberweite lachend. Seinen Namen weiss sie bis heute nicht. Diskretion ist alles.
Der Arbeitstag von Brigittchen beginnt morgens um halb sieben. Da steht sie auf, trinkt einen Kaffee und wartet auf Kundschaft. Das geht bis spät in die Nacht. Nach eigenen Angaben hat die sie bis zu 15 Kunden am Tag. Noch etwa zehn Jahre will Brigittchen ihren Beruf ausüben. «Dann setze ich mich zur Ruhe», sagt die Koblenzerin. Doch nach kurzer Bedenkzeit fügt sie hinzu: «Aber wenn jemand vorbeikommt, ist das auch kein Problem.» Einen Ehemann wollte Brigittchen nie haben. «Ich habe lieber alle zehn Minuten einen Neuen als wenn ich selber einen hätte.»
Ausserhalb von Koblenz war Brigittchen bisher nur, um Urlaub zu machen. Sie hat sich auch in Hamburg die Amüsiermeile auf St. Pauli angeschaut und gemerkt, dass ihr das nicht gefällt. Frauen in Schaufenstern, die sich den Männern anbiedern, versteht sie nicht. Ihre Kundschaft kommt ganz ohne Werbung. Ab und zu fährt Brigittchen nach Frankfurt, weil sie die Geschäfte in der Innenstadt mag. «Da wurde ich sogar erkannt», erinnert sie sich. «Dabei wollte ich in Ruhe einkaufen.» (sda)