Geschenke auf Kredit: «Eltern haben Angst, ihre Kinder zu frustrieren»

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Geschenke auf Kredit«Eltern haben Angst, ihre Kinder zu frustrieren»

Eltern verschulden sich für ihre Kinder. Dies liegt laut einem Schuldenberater daran, dass sie zu wenig mit den Kindern über Geld reden.

P. Michel
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P. Michel
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Laut dem neuen «Consumer Payment Report» der Inkasso-Firma Intrum Justitia haben sich letztes Jahr 28 Prozent der Schweizer finanziell übernommen, weil sie den Druck gespürt haben, ihren Kindern ein Produkt zu kaufen.

Laut dem neuen «Consumer Payment Report» der Inkasso-Firma Intrum Justitia haben sich letztes Jahr 28 Prozent der Schweizer finanziell übernommen, weil sie den Druck gespürt haben, ihren Kindern ein Produkt zu kaufen.

the Washington Post
Und 20 Prozent gaben an, sich dafür in den letzten sechs Monaten mindestens einmal gar Geld geliehen zu haben. Besonders gefährdet sind laut der Umfrage Eltern zwischen 18 und 34 Jahren.

Und 20 Prozent gaben an, sich dafür in den letzten sechs Monaten mindestens einmal gar Geld geliehen zu haben. Besonders gefährdet sind laut der Umfrage Eltern zwischen 18 und 34 Jahren.

Keystone/Walter Bieri
Um ihre Kinder nicht zu enttäuschen, kauften die Eltern am häufigsten Smartphones (27 Prozent) ...

Um ihre Kinder nicht zu enttäuschen, kauften die Eltern am häufigsten Smartphones (27 Prozent) ...

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Herr Mercier, 28 Prozent der Eltern haben im letzten Jahr etwas für ihre Kinder gekauft, das sie sich eigentlich nicht leisten konnten. Warum übernehmen sich die Eltern?

Wir leben in einer Konsumgesellschaft. Daher ist es gerade etwa in der Weihnachtszeit für Eltern wahnsinnig schwer, wenn sie aus finanziellen Gründen die Wünsche ihrer Kinder nicht erfüllen können. Einige haben Angst, ihre Kinder zu frustrieren, wenn sie ihnen sagen, dass ein neues Smartphone einfach nicht drin liegt. Da ist es verständlich, wenn sich einige den Kindern zuliebe Geld leihen, um sie glücklich zu machen. Wer das einmal macht, für den ist das meist kein Problem. Leiht man sich aber regelmässig Geld für Geschenke, sollten die Alarmglocken läuten.

Laut der Umfrage ist der soziale Druck dafür verantwortlich, dass Eltern nachgeben. Wie wichtig ist es heute aus Sicht der Eltern, den Kindern etwas bieten zu können?

Der Druck aus dem sozialen Umfeld ist gross. Dieser wird nicht zuletzt durch die Werbung angeheizt: Ein guter Vater oder eine gute Mutter wird dort als jemand dargestellt, der seinen Kindern Konsumwünsche erfüllen kann. Besonders Personen, die sonst schon aufs Geld achten müssen, bekommen das deutlich zu spüren: Ihre Kinder und sie selbst fühlen sich ausgegrenzt.

Welche Rolle spielen die sozialen Medien?

Bei jungen Eltern ist das ein Thema. Sie bewegen sich in diesen Netzwerken und machen Vergleiche. Dass Eltern in den sozialen Medien nachsehen, was die Kinder der Nachbarsfamilie als Geschenk erhalten, und dann nachziehen, dürfte allerdings eine Randerscheinung sein. Bei Kindern spielt dieser Effekt mehr: Sie schauen darauf, was die Kollegen auf Social Media posten, und wollen das auch haben. Sobald sie aber ins Teenageralter kommen, sind sie nicht mehr so beeinflussbar.

Was sollen Eltern tun, wenn sie die Wünsche ihrer Kinder nicht erfüllen können?

Viele Eltern trauen sich nicht, den Kindern zu sagen, dass deren Wünsche einfach nicht ins Budget passen. Dabei hilft es, offen und ehrlich zu sein. Klar gibt es Kinder, die dann sagen: Das ist unfair, auch ich will das neuste Smartphone. Aber ich stelle fest, dass die Kinder bei einem solchen Gespräch erstmals verstehen, wie die Eltern finanziell dastehen, und sie stecken dann ihre Wünsche zurück. Einmal sagte gar ein Kind bei einer Beratung, es wolle den Eltern sein Sparschwein geben.

Die meisten leihen Geld bei Familie und Freunden oder überziehen die Kreditkarte. Wie problematisch ist das?

Grundsätzlich sollte man immer vorsichtig sein, egal bei wem man einen Kredit aufnimmt. Gerade in der Familie kann viel zerbrechen, wenn einst das Geld nicht mehr zurückgezahlt wird. Es ist deshalb ratsam, die Bedingungen zu Beginn klar festzuhalten. Zum Überziehen der Kreditkarte: Kurzfristig ist das oft kein Problem und finanziell verkraftbar. Wird diese Option aber genutzt, um andere Rechnungen zu tilgen, nimmt die Schuldenspirale an Fahrt auf.

Sébastien Mercier ist Geschäftsführer der Schuldenberatung Schweiz.

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