Profiler zu Bekennerschreiben: «Er ist ein kleiner Fisch, der keiner sein will»

Aktualisiert

Profiler zu Bekennerschreiben«Er ist ein kleiner Fisch, der keiner sein will»

Der Rohrbomben-Täter von Zürich-Seebach hat ein Bekennerschreiben veröffentlicht. Was kann man daraus lesen? Ein Sprachprofiler klärt auf.

fum
von
fum

Herr Drommel*, der mutmassliche Rohrbomber-Täter von Seebach hat sich mit einem Bekennerschreiben zu Wort gemeldet. Was lesen Sie daraus?

Raimund Drommel: Alles deutet auf einen verwirrten, männlichen Einzeltäter hin. Es ist ein hochspannender Fall, der Text widerspricht nämlich in vieler Hinsicht der «üblichen» Form: Der Schreibende stellt seine Tat nicht in einen grösseren Kontext und schreibt in der Ich-Form. Normalerweise benutzen Täter die Wir-Form, damit das Bedrohungspotenzial grösser wirkt.

Woraus schliessen Sie, dass es ein Mann ist?

Beim Sprachprofiling bestätigen sich alte Klischees: Frauen schreiben wortreicher und emotionaler – der vorliegende Text ist aber völlig frei von emotionalen Momenten. Zudem passt diese Art von Abrechnung eher zu Männern.

Der Text ist voll von Rechtschreibefehlern. Hat der Täter dies vielleicht bewusst gemacht, um eine falsche Fährte zu legen?

Damit muss man immer rechnen, auf den ersten Blick sieht es hier aber nicht so aus. Ein kommunikativ versierterer Mensch würde irgendwann ein Signal setzen, dass er es eigentlich besser könnte. Hier ist nichts davon zu erkennen. Ganz offensichtlich ist er mit Bomben besser vertraut als mit der Orthografie.

Was will der Täter mit dem Schreiben bezwecken?

Er will um jeden Preis Aufmerksamkeit erlangen. Darum auch der Drei-Phasen-Plan: Zuerst der Anschlag, nun das Bekennerschreiben und am Ende will er sich der Polizei stellen – was ich übrigens durchaus für realistisch halte. Er ist ein kleiner Fisch, der keiner sein will. Der Einstieg ist sinnbildlich dafür: Anstatt der angekündigten «Klarstellung» kommt dann ein völlig wirrer Text.

Ist es üblich, dass Bekennerschreiben digital auftauchen?

Heutzutage absolut, fast kein Täter operiert mehr handschriftlich. Und wenn es einer tut, ist es eher ein Hinweis auf sein fortgeschrittenes Alter. Auch die aus Filmen bekannten Klebebuchstaben werden kaum mehr verwendet.

Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie sich irren?

So richtig vertan habe ich mich bisher erst einmal: Das war bei einem 25-Jährigen mit doppelter Persönlichkeit, der in der Sprache seines 50-jährigen Vaters geschrieben hat. In über 90 Prozent der Fälle gelingt es mir aber, den Kreis der Verdächtigen entscheidend einzugrenzen. Im Fall Seebach halte ich es für durchaus realistisch, dass sich der wirkliche Täter zu Wort gemeldet hat.

Raimund Drommel ist einer der renommiertesten deutschsprachigen Sprachprofiler. Im Auftrag von Unternehmen und Gerichten analysiert er regelmässig Drohbriefe und Bekennerschreiben. Drommel hat zum Thema das Buch «Der Code des Bösen» verfasst.

Deine Meinung