5G-Netz: «Erst die Antenne zeigt uns die Gefahr»

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5G-Netz«Erst die Antenne zeigt uns die Gefahr»

Warum stört eine Funknetzantenne erst, wenn sie ins eigene Quartier soll? Psychologin Mirjam Hauser über das «Not in my backyard»-Phänomen.

V. Sadecky
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V. Sadecky
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Bei Menschen, die schnelles Internet wollen, aber keine Funknetzantenne im Quartier, spricht man laut Konsumpsychologin Mirjam Hauser von der Gesellschaft für innovative Marktforschung vom «Not in my backyard»-Phänomen.

Bei Menschen, die schnelles Internet wollen, aber keine Funknetzantenne im Quartier, spricht man laut Konsumpsychologin Mirjam Hauser von der Gesellschaft für innovative Marktforschung vom «Not in my backyard»-Phänomen.

Dabei wird versucht, potenzielle Gefahren von sich wegzuschieben, weil man sie nicht in der Nähe haben möchte.

Dabei wird versucht, potenzielle Gefahren von sich wegzuschieben, weil man sie nicht in der Nähe haben möchte.

Keystone/Christian Beutler
Die Swisscom hats mit 5G eilig – der Ständerat nicht.

Die Swisscom hats mit 5G eilig – der Ständerat nicht.

Stevan Bukvic/CUSTOM IMAGES

Die Swisscom verspricht, noch 2018 ein 5G-Netz zu lancieren. Der Ständerat will das Strahlenschutzgesetz aber noch nicht revidieren. Die Debatte um die Funknetzantennen ist emotional aufgeladen. Immer wenn neue Antennen geplant werden, kommt es zu regionalen Protesten. Diese gehen so weit, dass antennenfreie Wohngebiete gefordert werden.

Die Konsumpsychologin Mirjam Hauser von der Gesellschaft für innovative Marktforschung erklärt, warum Menschen erst gegen Antennen, Fluglärm und Atommüll-Lager protestieren, wenn sie in der Nähe davon wohnen.

Frau Hauser, alle wollen schnelles Internet, aber keiner eine Antenne vor dem Haus. Ist das nicht total widersprüchlich?

In der Psychologie gibt es einen Ausdruck für dieses Verhalten: «Not in my backyard», also «Nicht in meinem Hinterhof». Man versucht potenzielle Risiken und Gefahren von sich wegzuschieben, weil man sie nicht in der Nähe haben möchte.

Aus den Augen, aus dem Sinn?

Besonders bei Umweltthemen wie der Ablehnung von Fluglärm oder Atommüll-Lagern. Solange der Strom einfach aus der Dose kommt, muss man sich nicht damit auseinandersetzen, weil man Atomenergie nur abstrakt kennt. Sobald Atomabfälle ins eigene Dorf verlegt werden, wird die Gefahr real.

Wie funktioniert das genau?

Wenn man die Gefahr an etwas Realem festmachen kann, also zum Beispiel die mögliche Strahlengefahr an einer Antenne, wird man ständig an sie erinnert. So kämpft man immer wieder mit einem Dilemma, einem Widerspruch in sich.

Kann man das Dilemma überwinden?

Im ersten Moment nicht. Denn da ist nach dem Psychologen Daniel Kahneman das intuitive, schnelle Denken am Werk. Manche nennen es auch Bauchgefühl. Man kann sich aber dafür entscheiden, das rationale, langsame Denken einzusetzen, das mehr kognitive Energie kostet. Es kommt immer dann zum Zug, wenn man wichtige Entscheidungen treffen soll: Welches Jobangebot nehme ich an? Für welche Wohnung unterschreibe ich den Mietvertrag? Beende ich eine Beziehung?

Handystrahlung soll schädlicher sein als die von Antennen. Trotzdem telefoniert jeder mit dem Handy am Ohr. Ist das nicht irrational?

Ja, wenn etwas im Alltag schon sehr wichtig ist, fällt es schwer, darauf zu verzichten, da der Verzicht persönliche Folgen hat. Bei «Not in my backyard» hingegen geht es häufig um Dinge, von denen die ganze Gesellschaft profitiert, aber nur das Quartier die Kosten tragen muss, in dem die Antenne montiert wird.

Haben Sie schon mal gegen eine in Ihrer Umgebung geplante Antenne Einsprache erhoben? Und falls ja, wie sieht es mit Ihrer Handy-Nutzung aus?

Sind Menschen überhaupt rational bei ihren Entscheidungen?

Wir sind häufig nicht rational, wenn wir entscheiden. Wir können aber nur so im Alltag funktionieren. Wir fällen pro Tag Tausende schnelle Entscheidungen, und für diese kommt nur das schnelle Denken in Frage, das bezieht unser Bauchgefühl mit ein, unsere Erfahrungen. Wenn wir jedes Mal komplett rational das Pro und Kontra abwägen würden, wäre das viel zu aufwändig, es ist einfach nicht effizient.

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