Attentäter von RouenErst Simpsons und Rihanna, dann IS und Krieg
Mit dem Attentat von Paris soll die Radikalisierung von Adel Kermiche (19) begonnen haben. Dann gab es noch die Bekanntschaft mit einem Franzosen, der in Syrien Menschen köpft.
- von
- gux
Adel Kermiche (19), einer der erschossenen Geiselnehmer von Rouen, mochte einst die Zeichentrickserie Simpsons und die Sängerin Rihanna. Später mochte er die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und wollte gegen die Soldaten des syrischen Machthabers Baschar al-Assad kämpfen. Zweimal versuchte er nach Syrien auszureisen, zweimal scheiterte der Professoren-Sohn aus Mont-Saint-Aignan, einer kleinen Gemeinde neben Rouen.
Entscheidend für seine Radikalisierung seien das Attentat auf die Redaktion des Satiremagazines «Charlie Hebdo», aber auch die Bekanntschaft mit Maxime Hauchard (24) gewesen, wie französische Medien schreiben. Hauchard wohnte in einem Vorort von Rouen und reiste 2013 nach Syrien, wo er sich dem IS anschloss. 2014 machte der konvertierte Franzose mit der Köpfung von syrischen und amerikanischen IS-Gefangenen Schlagzeilen. Er soll nach wie vor am Leben sein und im November mit Anschlägen an den Olympischen Spielen in Rio gedroht haben.
«Idealisierte Vision des Krieges»
Kermiche «verbrachte enorm viel Zeit auf Facebook», so Terrorexperte Jean-Paul Rouiller vom Genfer Terrorzentrum GCTAT, der sich mit Kermiches Tätigkeiten im Internet auseinandersetzte, nachdem dieser 2015 am Flughafen Genf verhaftet worden war. «Anhand seiner Posts lässt sich seine Entwicklung beobachten: Es zeichnet sich immer mehr ab, dass er in die Schlacht ziehen will – basierend auf einer idealisierenden Vision des Krieges.»
Ein Freund Kermiches erzählt: «Er sprach von nichts anderem mehr als von Syrien»; und ein anderer sagt: «Irgendwann ging es bei ihm nur noch um Religion.» Aber als die Freunde Kermiche aufgefordert hätten, aus dem Koran zu zitieren, habe er das nicht gekonnt. «Wir wollten ihn deswegen verhauen. Aber das haben wir uns dann doch nicht getraut: Er wusste, wo wir wohnen und hatte vielleicht ja wirklich Kontakt zum IS.»
«Seine Eltern versuchten alles»
Aus seiner Faszination für die mordende Terrorbande machte Kermiche keinen Hehl. Als er 2015 mit 17 Jahren das erste Mal nach Syrien aufbrechen wollte, baten seine Eltern die Behörden um Hilfe. Seine Mutter verlangte, dass man ihm bereits damals eine elektronische Fussfessel anlege. Wegen seiner Minderjährigkeit wurde dies abgelehnt. «Seine Geschwister, seine Eltern und auch ich – wir versuchten alles, ihn aus den Fängen des IS herauszubekommen», sagt ein Nachbar der Familie.
«Er sagte mir, dass er in Frankreich seine Religion nicht in Frieden ausüben könne», sagte Kermiches Mutter nach dessen gescheiterten Ausreiseversuchen nach Syrien im letzten Jahr. «Er verwendete Worte, die nicht nach ihm klangen. Er wurde verhext, wie durch eine Sekte.»