Erstmals über 100 Beschwerden beim Presserat

Aktualisiert

Erstmals über 100 Beschwerden beim Presserat

Beim Schweizer Presserat sind 2003 erstmals mehr als 100 Beschwerden eingegangen, fast doppelt soviele wie noch drei Jahre zuvor.

Fast die Hälfte der Beschwerden wurden gutgeheissen. Der Presserat überwacht die Einhaltung medienethischer Grundsätze.

«Beunruhigt» ist der Presserat über die nachlassende «Reflexion der Medien über sich selbst», wie Präsident Peter Studer am Donnerstag vor den Medien sagte. Viele Zeitungen hätten ihre Medienseiten abgeschafft. Die «Schrumpfung des regelmässigen qualitativen und ethischen Mediendiskurses» vertrage sich schlecht mit der Tatsache, dass der Medienkonsum der Bevölkerung in den letzten Jahren weiter zugenommen habe.

Verletzung von Privatsphäre und Fairnessgebot

Stellung genommen hat der Presserat im Jahr 2003 zu 62 Fällen. Rund 40 Beschwerden waren laut Studer nicht reglementsgemäss begründet oder wurden wieder zurückgezogen.

Bei vielen der 30 ganz oder teilweise gutgeheissenen Beschwerden ging es um Verstösse gegen den gebotenen Respekt vor der Privatsphäre, insbesondere bei Namensnennung von Personen in Strafuntersuchungen.

Ebenfalls viele Beschwerden wegen der Verletzung des Fairnessgebots wurden gutgeheissen. Dabei ging es darum, dass Betroffene zu schweren Vorwürfen nicht angehört wurden oder ihre Gegenbehauptung im Bericht nicht - zumindest knapp - wiedergegeben wurde.

Weitere Rügen betrafen die Unterlassung von Berichtigungen nach Falschmeldungen, die Verletzung der Pflicht zur Wahrhaftigkeit bei übertriebenen Zuspitzungen in Titeln und Plakataushängen sowie um Diskriminierungen.

Von sich aus hat sich der Presserat mit der Bearbeitung digitaler Fotos befasst. Dabei seien die geltenden Regeln bestätigt worden. Wenn Bildinhalt und Aussage eines Bildes verändert werde, müsse dies offengelegt werden, wird festgehalten. Neu empfiehlt der Presserat Fotografinnen und Fotografen ausdrücklich, digitale «Originale» im Erststadium samt allen Angaben zu speichern und aufzubewahren.

Verleger in der Trägerschaft?

Nach wie vor offen ist die Frage, ob Verleger in die Trägerschaft des Presserates aufgenommen werden sollen. Die Meinung im Stiftungsrat sei geteilt. Befürchtet wird, dass das Gremium seine Unabhängigkeit verlieren könnte. Gemäss Studer sind heute in praktisch allen europäischen Presseräten - mit Ausnahme desjenigen von Malta - die Verleger vertreten.

Weil sie in der Trägerschaft nicht erwünscht sind, hätten mehrere grosse Verlage - wie Basler Medien, Ringier und NZZ - ihre Beiträge an den Presserat gestrichen, sagte Presserats-Sektretär Martin Künzi. Trotzdem wies die Rechnung 2003 schwarze Zahlen aus. (sda)

Deine Meinung