Tötungsdelikt in Rapperswil-Jona«Es ist ein hoch traumatisches Erlebnis für die ältere Schwester»
Ein Vater hat mutmasslich seine 12-jährige Tochter und sich selber getötet. Ein Psychologe erläutert, wie der überlebenden Schwester geholfen werden kann. Die Schule bereitet sich derweil auf den ersten Schultag vor.
- von
- Christina Pirskanen
Darum gehts
Am Montagmorgen kam es in Rapperswil-Jona zu einem Tötungsdelikt.
Die Polizei mutmasst, dass ein Vater seine 12-jährige Tochter und dann sich selbst getötet hat.
Zurück bleiben die Mutter und eine ältere Tochter.
Ein Kinder- und Jugendpsychologe erläutert, wie Umfeld und Schule nun helfen können.
Noch sind in Rapperswil-Jona Herbstferien – die Schule bereitet sich jedoch mit Fachleuten der Schulsozialpflege und der Krisenintervention auf den ersten Schultag nächste Woche vor.
Am Montagmorgen ist es in Rapperswil-Jona zu einem Tötungsdelikt gekommen. Die Polizei geht davon aus, dass ein 54-jähriger Vater zuerst seine zwölfjährige Tochter und danach sich selbst getötet hat. Der 54-Jährige war der Kantonspolizei St. Gallen nicht bekannt, wie Mediensprecher Hanspeter Krüsi bestätigt. Die Hintergründe der Tat sind noch unklar.
Für die zurückgebliebene Familie beginnt nun eine schwierige Zeit. Vor allem für die ältere Schwester werde die Verarbeitung der Geschehnisse lange Zeit dauern: «Es ist eine Katastrophe und eine wirklich schwierige Situation», sagt Kinder- und Jugendpsychologe Philipp Ramming.
Ein normaler Alltag wirkt stabilisierend
Die Tat des Vaters bedeute für die ältere Tochter einen schweren Vertrauensverlust – dazu komme der Verlust der jüngeren Schwester. «Das ist etwas so Unerwartetes und ein hoch traumatisches Erlebnis für die ältere Schwester», so Ramming. Es werde viel Zeit, Normalität und Raum brauchen, um diese schwierigen Momente zu verarbeiten. Diese Woche sind in Rapperswil-Jona noch Herbstferien. Ramming glaubt aber, dass es positive Effekte haben könnte, wenn das Mädchen am Montag wieder in die Schule geht. «Der normale Alltag kann sehr stabilisierend wirken in einer Situation, die völlig ausserhalb der Normalität liegt», sagt der Experte.
Die Situation sei nicht nur für die Familie schwierig. Auch die Schul-Gspänli werden psychologische Unterstützung benötigen. «In diesem Alter sind die Kinder in einem Entwicklungsstadium, wo sie nicht sehr stabil sind», sagt der Psychologe. Einige Kinder würden solche einschneidenden Ereignisse gut verdauen, andere nicht. «Daher ist es nun wichtig, dass die Klassenlehrpersonen gut auf die betroffenen Gspänli aufpassen», sagt Ramming. Wichtig sei aber auch, dass Lehrerinnen und Lehrer nicht vergessen würden. «Sie brauchen ebenfalls Unterstützung.»
Schul-Gspänli sollen klar informiert werden
In der Praxis beobachtet man laut Ramming, dass der Nachhall solcher traumatischen Erlebnisse rund drei Wochen dauere. Seien Kinder danach immer noch betroffen, müssten diese zusätzliche Unterstützung erhalten. Für den Schulbeginn nächste Woche seien nun die Bedürfnisse der Schulkinder essentiell: «Sie brauchen jetzt einfache, klare Informationen und müssen die Möglichkeit erhalten, Antworten auf ihre Fragen zu bekommen», erklärt Ramming.
Um die Rückkehr in die Schule für die ältere Schwester zu erleichtern, solle mit den Schul-Gspänli eine offene Kommunikation herrschen. «In Angesicht eines solchen Ereignisses kann man sich nicht ‹korrekt› verhalten, man kann nur einfühlsam und menschlich sein», sagt der Experte.
Schüler sollen Abschied nehmen können
Auch die Schule bereitet sich auf den Montag vor, wie Schulpräsident Luca Eberle sagt. Der Unterricht soll wieder stattfinden. Zusammen mit Fachleuten der Schulsozialarbeit und der Krisenintervention werde nun abgeklärt, wie das Geschehen schulisch thematisiert werden soll. «Wir müssen klären, wie wir den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geben können, Abschied zu nehmen», sagt Eberle. Zudem werde für Kinder und Lehrpersonen psychologische Betreuung bereitstehen.
Das Vorgehen der Schule werde mit der betroffenen Familie abgestimmt. Auch die zwei betroffenen Klassenlehrpersonen sollen Unterstützung erhalten: «Ich hoffe, dass wir gemeinsam herausfinden können, welche Hilfestellung benötigt wird. Jede Person braucht da etwas anderes», sagt der Schulpräsident. Das Vorgehen der Schule erntet vom Psychologen Ramming Anerkennung: «Ausgezeichnet, genau so soll es gemacht werden.»
Mitbürger sammelt Spenden
Auch finanzielle Unterstützung wird der Familie bereits angeboten. So wurde eine Crowdfunding Seite gegründet, um Spenden für die Gedenkfeier der getöteten 12-Jährigen zu sammeln. Das Delikt habe den Organisator «sprachlos und traurig» gemacht, wie er unter dem Spendenaufruf schreibt.
«Ich habe selbst mal Unterstützung durch eine Gofundme-Aktion erhalten, das hat mich sehr berührt. Nun hatte ich das Bedürfnis, etwas zurückzugeben und möchte die betroffene Familie unterstützen», sagt der Organisator aus Rapperswil. Auch auf Facebook haben sich schon mehrere Personen erkundigt, wie der Familie geholfen werden könne.
Hast du oder hat jemand, den du kennst, ein Trauma erlitten?
Hier findest du Hilfe:
Pro Mente Sana, Tel. 0848 800 858
Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer SRK, Tel. 058 400 47 77
Angehörige.ch, Beratung und Anlaufstellen
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Hast du oder hat jemand, den du kennst, ein Kind verloren?
Hier findest du Hilfe:
Fachstelle Kindsverlust, Beratung während Schwangerschaft, Geburt und erster Lebenszeit
Himmelskind.ch, für Akuthilfe und Trauerbegleitung
SIDS, nach plötzlichem Kindstod
Verein Regenbogen Schweiz, Hilfe für trauernde Familien
Mein-Sternenkind.ch, für betroffene Väter, Familien, Angehörige
Lifewith.ch, für betroffene Geschwister
Appella, Telefon- und Onlineberatung bei früher Fehlgeburt
Pro Pallium, Trauergespräche und Trauertreffen
Seelsorge.net, Angebot der reformierten und katholischen Kirchen
Muslimische Seelsorge, Tel. 043 205 21 29
Verband Schweizerischer Jüdischer Fürsorge, Tel. 044 206 30 67
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