Shitstorm nach Tweet: «Es war nicht schlau, dass Brotz sich nicht zurückhaltender äusserte»

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Shitstorm nach Tweet«Es war nicht schlau, dass Brotz sich nicht zurückhaltender äusserte»

Die Aussagen von Arena-Moderator Sandro Brotz über Teilnehmer einer Corona-Demo sind für einen Experten heikel, weil bei der SRF-Sendung eine neutrale Moderation erwartet werde.

von
Daniel Graf
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«Arena»-Moderator Sandro Brotz äusserte sich auf Twitter über die Teilnehmer einer Corona-Demo – und bezeichnete sie alle als Flat Earther.

«Arena»-Moderator Sandro Brotz äusserte sich auf Twitter über die Teilnehmer einer Corona-Demo – und bezeichnete sie alle als Flat Earther.

Screenshot Twitter
Rund 6000 Personen hatten sich am Samstag in Liestal an einer Demo gegen die Corona-Massnahmen beteiligt.

Rund 6000 Personen hatten sich am Samstag in Liestal an einer Demo gegen die Corona-Massnahmen beteiligt.

20 Minuten/Oliver Braams
Für den Journalismus-Professoren Vinzenz Wyss war Brotz’ Äusserung unklug: «In der Arena wird eine neutrale Moderation erwartet. »

Für den Journalismus-Professoren Vinzenz Wyss war Brotz’ Äusserung unklug: «In der Arena wird eine neutrale Moderation erwartet. »

Darum gehts

  • «Arena»-Moderator Sandro Brotz bezeichnete auf Twitter die Teilnehmer einer Corona-Demo pauschal als Flat Earther.

  • Daraufhin erntete er Kritik, unter anderem griff die «Weltwoche» ihn frontal an.

  • Auch ein Experte findet Brotz’ Aussagen heikel – insbesondere, weil in der «Arena» eine neutrale Moderation erwartet werde.

«Arena»-Moderator Sandro Brotz hat auf Twitter über 50’000 Follower. Jetzt steht er in der Kritik, weil er die Teilnehmer einer Demo gegen die Corona-Massnahmen (siehe unten) in einem Tweet pauschal als «Flat Earther» bezeichnet und sich damit öffentlich gegen sie gestellt hat. Fast 600 Mal wurde der Tweet kommentiert. Deswegen bezeichnete die «Weltwoche» Brotz als «fatalste Fehlbesetzung, die sich der SRF je geleistet hat». Brotz rechtfertigte seinen Tweet wenig später damit, er habe sich auf Plakate an der Demo in Liestal bezogen und postete ein entsprechendes Bild. Dass die Debatte rund um die Corona-Massnahme immer rauher wird, ist derzeit auch in deutschen Medien ein Thema (siehe unten).

Der Journalismus-Professor Vinzenz Wyss von der ZHAW beurteilt Brotz’ Aussage so: «Theoretisch muss es zwar möglich sein, dass sich Sandro Brotz in seiner Rolle als Bürger öffentlich äussert. Praktisch ist jedoch die Trennung seiner Person und der Rolle als bedeutsamer ‹Arena›-Moderator aber schlicht nicht durchsetzbar.» Heikel sei dies insbesondere, da Brotz beim öffentlich Fernsehen arbeite, wo bei Sendungen wie der Arena eine neutrale Moderation erwartet werde. «Bei einem so delikaten Thema war es nicht schlau, dass Brotz sich nicht zurückhaltender geäussert hat.»

«Alle in einen Topf zu schmeissen ist diskriminierend»

Dazu kommt laut Wyss: «Man sollte diese sehr heterogene Gruppe an Demonstranten nicht einfach in einen Topf schmeissen und alle als ‹Flat Earther› bezeichnen. Das ist diskriminierend.» Klar sei aber auch: «Der Hass, der Brotz nach der ‹Weltwoche›-Kampagne in den sozialen Medien entgegenschlägt, ist in keinster Weise zu tolerieren.»

Diesen Hass hat Brotz in einem weiteren Thread thematisiert. «Hass ist keine Meinung. Und wird von mir nicht toleriert. Darum mache ich weiter. Auf Twitter. Facebook. Instagram», schreibt er darin unter anderem. Auch gegen die «Weltwoche» teilt er auf Twitter aus.

Neben Hass und Häme erhielt Brotz auf Twitter auch viel Zuspruch.

Manifest der offenen Gesellschaft

Die Tageszeitung «Die Welt» und die Wochenzeitung «Freitag» haben ein «Manifest der offenen Gesellschaft» veröffentlicht. Die Unterzeichner wie die Publizistin Franziska Augstein, der Kabarettist Matthias Richling und der Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen treten darin für mehr Offenheit in der Corona-Debatte ein. Nach monatelangem Streit zwischen Befürwortern und Gegnern der Corona-Politik gehe es um einen Dialog auf Augenhöhe und um die Kraft der Argumente, sagte einer der Initiatoren des Manifestes, der Historiker René Schlott, im Deutschlandfunk Kultur. Beide Seiten müssten sich aufeinanderzubewegen. Gegenwärtig gebe es eine Krise der Debattenkultur, der politischen Kultur, der Parteipolitik, der Pandemiepolitik. Es müsse zu einem ruhigen, sachlichen Ton zurückgefunden werden, betonte Schlott.

Publizistische Leitlinien von SRF sind klar

In den publizistischen Leitlinien von SRF heisst es: «Programmmitarbeitende geben auch im Internet keine Stellungnahmen zu politischen und wirtschaftlichen Themen ab.» Darauf angesprochen, ob das nicht im Widerspruch dazu stehe, dass Brotz weiter zum Thema twittert, schreibt der Sender: «SRF nimmt die Meinung der ‹Weltwoche› zur Kenntnis, teilt diese jedoch nicht und kommentiert sie nicht weiter. Sandro Brotz hat seinen Tweet in den sozialen Medien weitergehend erklärt. Selbstverständlich spricht man jedoch bei SRF intern über Kritik – dies ist ein fester Bestandteil der offenen Gesprächskultur in jeder Redaktion.»

Die Leitlinien stehen für Wyss nicht bedingungslos im Widerspruch dazu, dass sich Brotz zum Thema Corona-Demonstrationen äussern darf. Aber: «SRF hat mit seiner Stellungnahme die Chance verpasst, öffentlich zu erklären, wie die eigenen Spielregeln im Medienbetrieb sind. Dies könnte man auch tun, ohne den Mitarbeiter Sandro Brotz an den Pranger zu stellen.»

Brotz selber will sich nicht weiter zur Thematik äussern: «Aus meiner Sicht ist alles gesagt.»

Online-Protest #NoLiestal

Tausende Twitter-User protestierten unter dem Hashtag #NoLiestal gegen Corona-Demos wie jene in Liestal. Der Tenor ist, dass diese Menschen sich lieber an die Auflagen halten, auch wenn diese nerven, anstatt mit physischen Demos ohne Abstand und Maske weitere Infektionen zu riskieren. Dazu wurden Selfies mit Schildern gepostet.

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