Drei Tage ohne Handy und TV: «Es war viel schlimmer, als ich es mir vorstellte»

Aktualisiert

Drei Tage ohne Handy und TV«Es war viel schlimmer, als ich es mir vorstellte»

Drei Tage hat Michael Helbling (16) ohne elektronische Geräte und andere Ablenkungen in seinem Zimmer verbracht: «Ich bin sehr froh, dass es vorbei ist», sagt der Schüler.

Marco Lüssi
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Marco Lüssi

Michael Helbling verbrachte drei Tage allein und ohne elektronische Geräte in seinem Zimmer. Er hatte einzig eine DIgitalkamera dabei, um den Versuch zu filmen.

Michael, du hast bis am Freitagmittag drei Tage allein in deinem Zimmer verbracht – ohne elektronische Geräte. Wie wars?

Michael Helbling: Es war viel schlimmer, als ich es mir vorgestellt hatte. Mir fehlten ja nicht nur der TV, der Computer und das Handy, ich hatte das Zimmer bis auf die Möbel ausgeräumt. Die Langeweile war extrem, und sie ging nicht weg.

Gewöhnt man sich nicht langsam daran, nichts zu tun?

Nein. Das Gefühl der Langeweile war bis zum Schluss präsent und nahm nie ab. Ich habe immer wieder daran gedacht, das Ganze abzubrechen, und zwar umso öfter, je länger es dauerte. Es war wirklich hart. Die Zeit vergeht unglaublich viel langsamer, wenn man keine Ablenkung hat. Oft wünschte ich mir, ich könnte wenigstens ein Buch lesen. Obwohl ich eigentlich alles andere als ein Bücherwurm bin.

Du hast wie geplant drei Tage durchgehalten. Wie hast du das geschafft?

Ja, immerhin bin ich nicht durchgedreht. Ich habe gemerkt, dass ich mit der Zeit begann, auch die kleinsten Dinge spannend zu finden. Ich hatte beispielsweise eine Mineralwasserflasche im Zimmer und begann, den Text auf dem Etikett zu studieren. Den kann ich jetzt fast auswendig. Und ich zählte, wie viele Parkettreihen es auf dem Boden meines Zimmers gibt – es sind 47. Ich spielte Tic Tac Toe gegen mich selber. Und ich brachte alle meine Gedanken zu Papier. Dabei ist mir etwas Erstaunliches aufgefallen.

Was?

Am ersten Tag waren die Gedanken, die ich zu Papier brachte, völlig ungeordnet und meine Handschrift unsauber. Am zweiten Tag war alles schon viel schöner und geordneter, und am dritten Tag kamen die Texte, die ich niederschrieb, wie ein Schulaufsatz daher.

Wie erklärst du dir das?

Möglicherweise lag es daran, dass ich mit der Zeit besser mit dem Stress klarkam, den die Langeweile bei mir auslöste – und die Anspannung abnahm. Oder dass mir das Alleinsein immer mehr geholfen hat, Ordnung in meine Gedanken zu bringen.

Konntest du während dieser drei Tage schlafen?

Das war anfangs ganz schön schwierig. In der ersten Nacht habe ich kein Auge zugemacht. Ich fühlte mich zwar müde, konnte aber nicht aufhören zu denken. Ich glaube, ich hatte einfach zu wenig erlebt, um einschlafen zu können. Man braucht offenbar etwas, das man verarbeiten kann, um schlafen zu können. In den folgenden Nächten ging es dann besser.

Glaubst du, du hast durch dein Experiment eine Ahnung bekommen, wie sich ein Häftling fühlen muss, der in Einzelhaft sitzt?

Nein, das ist wohl nicht zu vergleichen. Immerhin konnte ich noch aus dem Fenster sehen, auch wenn ich dies erstaunlich selten tat. Hinter unserem Haus ist aber halt auch wenig los. Zudem hörte ich immerhin die Hintergrundgeräusche, die meine Eltern im Haus verursachten.

Was hast du während deines Versuchs am meisten vermisst?

Die Kommunikation mit anderen Menschen. Als ich meinen Versuch beendet hatte, ging ich als Erstes zu meinen Eltern, um mit ihnen zu sprechen. Ziemlich schnell nahm ich dann auch wieder mein Handy zur Hand – weil ich sehen wollte, ob mir jemand geschrieben hatte. Die Kommunikation hat mir mehr gefehlt als die Unterhaltung, die elektronische Geräte auch bieten.

Du hast vor dem Versuch jeden Tag im Schnitt vier Stunden vor dem Fernseher und drei vor dem Computer verbracht. Wird sich daran etwas ändern?

Ich hatte vorher schon das Gefühl, dass dies zu viel ist, und ich will es jetzt wirklich reduzieren. Es ist aber nicht so, dass ich durch diese drei Tage ein anderer, neuer Mensch geworden wäre. Aber klar ist: Ich bin froh, dass ich den Versuch hinter mir habe.

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