Fragen und Antworten: Euro gerettet, Franken wieder auf Kurs?

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Fragen und AntwortenEuro gerettet, Franken wieder auf Kurs?

Nach dem Entscheid von EZB-Chef Mario Draghi, unlimitiert Staatsanleihen aufzukaufen, schiessen die Aktienmärkte nach oben und der Franken nach unten. Wird jetzt alles gut?

von
Lukas Hässig

Er hielt, was er versprach: Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank, beschloss gestern, so viele Schuldpapiere maroder EU-Staaten zu kaufen, wie es zur Beruhigung der Krise nötig sei. Die Welt jubelt, die Aktien schiessen in die Höhe.

Vor allem jene der grossen Finanzhäuser. UBS und CS kennen kein Halten mehr. Die CS-Aktie nahm im Vormittagshandel locker die 20-Franken-Hürde, die UBS nähert sich 12 Franken. Vor allem lässt der Druck auf den Franken nach. Gelingt Draghis Plan, überlebt die Einheitswährung, so die Überlegung. Erstmals seit langem ist der Euro wieder mehr wert als 1.21 Franken.

Ende gut, alles gut? Kaum. Die folgenden Fragen und Antworten zeigen, was hinter dem Entscheid Draghis und seiner Zentralbank-Kollegen steckt und wie die Euro-Reise weitergehen könnte.

Wieso ist nach der Ankündigung der EZB, Ramschanleihen von Krisenstaaten zu kaufen, der Euro stärker geworden?

Draghis «Bazooka» unlimitierter Käufe hebt den Preis für Staatsanleihen verschuldeter Süd-Nationen an. Schliesslich stossen sie jetzt ja wieder auf eine Nachfrage – von Draghis EZB. Dadurch sinken die noch vor kurzem rekordhohen Zinsaufschläge – ein Konkurs der Länder ist vorerst abgewendet. Das stärkt den Glauben an ein Überleben der Einheitswährung Euro.

Der Franken wird schwächer – das kann den Schweizer Konsumenten nicht freuen. Wird die Nationalbank (SNB) nun dafür sorgen, dass der Eurokurs bei 1.20 Franken bleibt?

Im Gegenteil. Die SNB atmet auf. Am liebsten würde sie den Kurs weit weg von der fixierten 1.20er-Untergrenze haben, damit sie den Euro nicht mehr durch Milliarden-Käufe stützen muss und sie endlich ihren gigantischen Euro-Berg abbauen kann. Weil die SNB den Franken gegenüber dem Euro immer noch als überbewertet betrachtet, dürfte sie sich eher überlegen, die günstige Stimmung zu nutzen und die Untergrenze auf 1.25 oder 1.30 anzuheben.

Ist die Ankündigung der EZB von «unbegrenzten» Staatsanleihe-Käufen nicht ein Fass ohne Boden? Kommt es zu einer Inflation in der Eurozone?

Alles hat seine Grenzen, auch die EZB-Interventionen. Mit unbegrenzten Käufen will EZB-Chef Draghi die Investoren davon abhalten, weiter auf einen Euro-Zerfall zu wetten. Das versuchte auch die SNB mit ihrer Ankündigung, unbegrenzt Euro zu kaufen. Trotzdem wurde sie nach einer Stillhalte-Zeit von den Märkten getestet. Theoretisch führt ein Meer von Euro zwingend zu Inflation, da einer gleich bleibenden Güter- und Dienstleistungsmenge mehr Geld gegenübersteht. Die grosse Unbekannte ist, wann die Inflation zündet und ob es Draghi und SNB-Chef Thomas Jordan gelingt, die Geldmenge rechtzeitig wieder zu reduzieren.

Beim Beschluss der EZB hat es eine Gegenstimme gegeben – jene von Deutschland. Warum sträubt sich Deutschland gegen den Entscheid?

Die Deutsche Bundesbank (Buba) zählt historisch zum Lager der geldpolitischen Falken. Diese legen das Mandat der Zentralbanken eng auf die Geldwertstabilität, sprich auf die Verhinderung von Inflation, aus. Der Buba-Vertreter in der EZB hat entsprechend gegen die massive Ausweitung des Mandats opponiert, gleich wie der frühere Buba- und heutige UBS-Präsident Axel Weber. Die Buba befürchtet, dass das viele EZB-Geld zu starker Inflation führt. Die Mehrheit um den Italiener Draghi hingegen sah den Euro kurz vor dem Absturz. Sie sind bereit, das Mandat der EZB auszuweiten und die Lasten der Südeuropäer auf die eigene Bilanz zu nehmen.

Wer profitiert?

Die verschuldeten Südstaaten können sich dank der EZB-Hilfe weiter verschulden. Weil hinter der EZB der ganze Euro-Raum steht, sind die starken Euro-Länder Deutschland, Holland und Finnland respektive deren Steuerzahler die ultimativen Garanten für die Süd-Schulden. Da nur Deutschland das nötige Gewicht hat, läuft Draghis Staatsanleihen-Einkaufstour darauf hinaus, dass die Schulden der Südländer implizit zu Deutschlands Schulden werden.

Ist der Euro damit gerettet?

Time will tell. Sicher können die Regierungen von Spanien, Italien und weiteren Südstaaten fürs Erste aufatmen. Ihnen bleibt der Zugang zum Kapitalmarkt offen, ihre Schuldscheine bleiben werthaltig. Weil sie somit nicht untergehen, lebt auch der Euro weiter. Nachhaltig gelöst ist die Krise aber erst, wenn die Südstaaten ihre verkrusteten Wirtschaftsstrukturen aufbrechen und zu einem System finden, dass auf Eigenverantwortung und Privatwirtschaft setzt. Nur so ist neues Wachstum möglich. Ohne Wachstum findet der Euro-Raum nie aus der Krise.

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