WM-ViertelfinalsEuropas Fussball-Macht bröckelt
An der WM sind die Hälfte der Viertelfinal-Plätze von südamerikanischen Teams besetzt. Die europäischen Teams sind so schlecht wie noch nie.
- von
- Herbie Egli
Seit 1986 ist der Modus an Fussball-Weltmeisterschaften gleich. Nach den Gruppenspielen beginnt die K.o.-Phase mit den Achtelfinals und geht mit den Viertelfinals weiter. Unter den letzten acht Nationen waren meist europäische Länder anzutreffen. Nur Südamerika konnte einigermassen mithalten. Afrika und Asien spielten jeweils die Aussenseiterrolle. Mit der WM in Südafrika hat sich dieses Bild an der Spitze verändert.
Zum ersten Mal überhaupt stehen gleich vier südamerikanische Teams in den Viertelfinals. Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay heissen die glücklichen Nationen. Nur 1986 – bei der Einführung der neuen K.o.-Runde – waren mit drei Südamerikanern noch ähnlich viele Teams unter den letzten acht dabei. Ansonsten wechselten sich Brasilien und Argentinien ab oder kämpften zusammen um den Halbfinal-Einzug. Je einmal durften dies auch Mexiko und die USA.
Grosse Verlierer der diesjährigen Endrunde sind die Europäer. Italien und Frankreich scheiterten als letztmalige Finalisten schon in der Vorrunde. Auch England kam als Mutterland des Fussballs nicht über die Achtelfinals hinaus. Mit Holland, Deutschland und Spanien sind nur noch drei europäische Vertreter in den Viertelfinals, was ebenfalls ein Novum ist. Bei den letzten Endrunden waren es mindestens vier oder mehr. Dreimal stellte Europa sechs Vertreter, 1994 sogar deren sieben.
David gegen Goliath
Die letzten acht Plätze an einer WM waren fast immer Teams aus Südamerika und Europa vorbehalten. Asien und Afrika kämpfen zwar seit längerem dagegen an, meist aber nur mit bescheidenem Erfolg. An dieser und den letzten sechs WM-Endrunden schafften es gerade einmal vier Nationen unter die besten acht. Ghana, Senegal und Kamerun, sowie Südkorea als einziger asiatischer Vertreter. Der Kampf der Davids gegen die Goliaths wird wohl auch in Zukunft weitergehen.
Warum die Kehrtwende?
Wieso sich die Kräfteverhältnisse von den Europäern zu den Südamerikanern verschoben haben, ist schwierig zu erklären. Neben argentinischen und brasilianischen Stars spielen auch viele aus Paraguay und Uruguay in Europas Topligen. Es kann also nicht sein, dass diese Spieler frischer sind als andere. Auch sie haben eine lange Saison hinter sich. Ebenfalls kein Grund dürften die klimatischen Bedingungen sein. Während die Südamerikaner in der Vergangenheit immer bei «heissen» Endrunden brillierten, dominieren sie nun im eher kühlen Südafrika.
Diese Dominanz kann sogar damit enden, dass die WM ab den Halbfinals zu einer südamerikanischen Kontinental-Meisterschaft avanciert. In jedem Viertelfinal ist ein Team davon vertreten. Kommt es wirklich dazu, ist auch früh klar, dass eine Mannschaft aus Südamerika den WM-Titel gewinnt.