Munition in Schweizer SeenExperten raten von Munitionsbergung ab
Die vom Verteidigungsdepartement (VBS) beauftragten Experten raten von einer Bergung der über 8000 Tonnen in Schweizer Seen versenkten Munition ab. Diese wäre «mit grossen Risiken und Kosten verbunden», lautet das Fazit.
In ihrem am Dienstag publizierten Bericht begründen die Experten den Befund mit der durch eine Bergung ausgelösten Schädigung des heute intakten ökologischen Gleichgewichts im Thunersee, wo mit 4600 Tonnen die grösste Munitionsmenge lagert. Am oberen Brienzersee demonstrierten sie ihre Erkenntnisse vor Ort.
Bei einer Bergung würden grosse Mengen Sediment aufgewirbelt. Dies brächte den Sauerstoffgehalt des Sees nachhaltig durcheinander und hätte «erhebliche Folgen für das Ökosystem. Demgegenüber gebe es gar keinen Sanierungsbedarf für das Seewasser, lautet der Befund.
Kein Nachweis
Die Wasseranlaysen ergaben, dass die gefährdungsrelevanten Stoffe TNT, Dinitrobenzol, Quecksilber und Blei im Thunersee auch mit neusten Messmethoden nicht nachgewiesen werden können. Ein Worst-Case-Szenario bei Stofffreisetzung zeige zudem, dass die Grenzwerte der Altlastenverordnung auch in Zukunft nicht erreicht werden könnten.
Für vier weitere Stoffe (Diphenylamin, Azid, Antimon und Perchlorat) könne diese Aussage nicht gemacht werden, da nur marginale Analysedaten vorliegen. Die Gutachter kommen dennoch zum Schluss, dass die Gefährdungsabschätzung auch für diese Stoffe dieselbe sein werde.
Für die Experten ist klar, dass zum heutigen Zeitpunkt auf eine Bergung der in den Schweizer Seen versenkten Munition zu verzichten ist. Falls sich in Zukunft neue wissenschaftliche Erkenntnisse ergeben sollten, müsse eine neuer Lagebeurteilung vorgenommen werden.
Beteiligt an der Studie über die Gefährdungsabschätzung waren neben Gutachterbüros unter anderen die «Rock-Water Interaction» Gruppe der Uni Bern, die Limnogeologie-Gruppe der ETH Zürich sowie Munitionsspezialisten der armasuisse.
Untersucht wurde in den letzten Jahren auch, ob die Geschlechtsveränderungen bei den Felchen im Thunersee etwas mit der Munitionsablagerung zu tun haben könnte. In Betracht gezogen wurden dabei auch Bauchemikalien von der Neat-Baustelle am Lötschberg, doch ergaben die Untersuchungen bisher keine Hinweise für einen Zusammenhang.
(sda)
Übervolle Magazine nach dem 2. Weltkrieg
Nach dem 2. Weltkrieg waren die Munitionsmagazine der Schweizer Armee übervoll. Das Gefährdungspotenzial war hoch; 1947 explodierten bei Kandergrund 7000 Tonnen Munition und forderten neun Menschenleben. Danach begann die Versenkung in den Seen.
In den Jahren 1948 und 1949 fanden die vom Militärdepartement angeordneten Versenkungsaktionen statt. Der Löwenanteil landete mit 4600 Tonnen im Thuner- und mit 2800 Tonnen im Urnersee. Versenkt wurden hauptsächlich Artilleriegeschosse und Handgranaten.
Auch andere Seen mussten für weitere Armeematerialien herhalten wie Gasmaskenfilter, Kochkisten oder Flugzeugtrümmer, wie bei der Bestandesaufnahme von 2004 zu den Ablagerungs- und Versenkungsaktionen verlautete. Auch Schiessübungen und Flugzeugabstürze spielten dabei eine Rolle.
(SDA)