LöhneExtra-Gratifikation gefällig?
Die Unternehmen weisen für das Jahr 2010 Rekordgewinne aus. Die Lohnerhöhungen hielten sich allerdings in engen Grenzen. Müssten jetzt Taten folgen?
- von
- Hans Peter Arnold

Eine Gratifikation macht die Gewerkschaften nicht heiss.
Von den zumeist fetten Unternehmensgewinnen im letzen Jahr konnten die Mitarbeiter fast gar nicht profitieren. Zwar stiegen die Löhne laut Berechnungen des Bundesamtes für Statistik (BFS) um 0,8 Prozent. Die Teuerung von 0,7 Prozent hat jedoch fast den ganzen Lohnzuwachs wieder weggefressen. Unter dem Strich blieb ein realer Lohnzuwachs von 0,1 Prozent – so wenig wie seit 1999 nicht mehr.
Im Gegensatz zu den Angestellten hatten die Schweizer Firmen 2010 ein ausgezeichnetes Jahr. Einige Unternehmen wie beispielsweise die Post, der Baulöwe Implenia oder die Migros verzeichneten sogar Rekordgewinne. Aber auch kleinere Unternehmen haben ihre Erwartungen mehrheitlich übertroffen. Wäre es da nicht angebracht, wenn sich jetzt die Chefs mit einer spontanen Gratifikation bei den Mitarbeitenden bedanken würden?
«So genannte Topshots zocken ab»
«Eine Gratifikation für alle, die bis jetzt nicht zu den Profiteuren der guten Unternehmensabschlüsse gehörten, wäre nichts als angezeigt», ist der Grüne Nationalrat Daniel Vischer überzeugt. Sie wäre nicht nur gerechtfertigt, sondern würde auch signalisieren, dass die «etablierte Firmenmacht» begriffen habe, um was es gehe. Der Umverteilungsprozess nach oben gehe weiter und niemand merke es, ärgert sich Vischer. Die Geschäfte würden in der Tat florieren.
Vischer ereifert sich: «Die sogenannten Topshots – vielmals in der Finanzkrise Versager und Hasardeure – zocken weiterhin ab, derweil die Löhne für die Normalarbeitnehmer und Normalarbeitnehmerinnen stagnieren.»
Potenzial in der nächsten Lohnrunde
Ungewöhnlich zahm ist hingegen die Reaktion bei den Gewerkschaften auf den Vorschlag einer Gratifikation. «Wir haben bisher bei unseren Verbänden von einer Forderung nach einer ausserordentlichen Gratifikation nichts gehört», meint Ewald Ackermann vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB). «Das ist auch nicht unsere Politik.»
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund lege den Fokus auf die regulären Lohnverhandlungen, die im August beginnen würden. Ackermann: «Da gibt es sicher ein Potenzial für eine Offensive, einen Nachholbedarf.» Rückblickend hält er selbstkritisch fest: Arbeitnehmer wie Arbeitgeber hätten den Aufschwung während der letztjährigen Lohnverhandlungsrunde oft unterschätzt.
«Reserve für schlechte Zeiten»
«Wir freuen uns nicht generell darüber, dass die Lohnerhöhungen aufgefressen werden», sagt Ruth Derrer Balladore vom Arbeitgeberverband. «Aber das ist ein Problem der Lohnfestsetzung in der Schweiz: Zur Zeit der Lohnverhandlungen weiss man nicht, wie die Teuerung ausfallen wird.» Zudem: «Wenn sämtliche Gewinne jetzt verteilt würden, hätten wir keine Reserve für schwierige Zeiten», so Derrer Balladore.
Der Grund für den abrupten Rückgang des Lohnwachstums führt das BFS auf die im Jahr 2009 andauernde Wirtschaftskrise und auf die sehr tiefe Inflation zurück. «Die Lohnentwicklung 2010 wurde im Herbst 2009 beschlossen, dies vor dem Hintergrund einer weltweiten Rezession.
Immerhin sieht es fürs laufende Jahr besser aus: Die Lohnverhandlungen vom vergangenen Herbst sollten wieder zu einer Reallohnerhöhung von 0,5 bis 1 Prozent führen. Das effektive Ausmass ist erst Ende Jahr bekannt, wenn die durchschnittliche Jahresteuerung feststeht. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen sind weiterhin gross.