Wahlkampf«Extreme Grüne» – GLP-Präsident erteilt Solarpflicht-Initiative Abfuhr
Die Grünliberalen gehören in Umfragen nicht zu den grossen Wahlsiegern. Höchste Zeit mit GLP-Präsident Jürg Grossen Klartext zu reden über die Abgrenzung zu den Grünen und die Schwammigkeit seiner Partei.
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Du bist gerade im Zug, am Wandern oder am Bügeln? Dann sieh dir hier das ausführliche Interview mit Jürg Grossen an.
Darum gehts
Der GLP-Präsident teilt der Solarpflicht-Initiative der Grünen eine klare Abfuhr.
Jürg Grossen will, dass die Partei nicht mehr als «schwammig» wahrgenommen wird.
Er fordert eine Elternzeit von 14 Wochen für Mütter und Väter.
Herr Grossen, die Bilanz nach der «Klimawahl 2019» ist durchzogen. Ihre Reaktion?
Die Ablehnung des CO2-Gesetzes im Juni 2021 war für mich ein Tiefpunkt. Aber ich wusste auch: Es geht weiter. In der Schweiz sucht man nach einem Nein immer neue Wege, um ein Thema voranzubringen. Ich bin froh, dass das Klimaschutzgesetz dieses Jahr deutlich angenommen wurde. Das ist ein wichtiges Gesetz.
Eine extreme Vorlage, bei der die Bevölkerung und die Parteien nicht an Bord sind.
In wenigen Wochen geht es in den Räten um eine Solarpflicht, der Ständerat will diese voraussichtlich streichen, Grünen-Präsident Glättli will die Solarpflicht per Volksinitiative in die Verfassung schreiben. Hat er ihre Unterstützung dabei?
Herr Glättli bringt wieder einmal eine extreme Vorlage, bei der die Bevölkerung und die Parteien nicht an Bord sind. Das ist typisch für die Grüne Partei! Sie sind zu idealistisch unterwegs und wollen sich profilieren, statt mehrheitsfähige Lösungen zu erarbeiten.
Klar, eine Pflicht würde die letzten Bauherren verpflichten, eine Solaranlage zu bauen. Und auch mich nervt, dass heute nicht auf jedem neuen Dach eine Anlage gebaut wird, aber man muss doch die Leute in erster Linie mit Argumenten überzeugen und nicht mit Ideologien. Die Solarenergie wird so oder so zur tragenden Säule unserer Energieversorgung. Im Jahr 2022 hatten wir einen absoluten Zubaurekord. Dieses Jahr wird das nochmals getoppt! Machen wir so weiter, produziert die Solarenergie in wenigen Jahren mehr als die Atomkraft. So schaffen wir die Energiewende.

Jürg Grossen zeigt die Solar-Fassade an seinem Haus. Diese produziere besonders im Winter viel Strom.
Die SP wird als Gleichstellungspartei wahrgenommen, nicht die GLP. Ärgert sie das?
Gleichstellung heisst nicht Gleichmacherei, das unterscheidet uns von der SP. Die Ehe für alle basiert auf einem Vorstoss der GLP. In Genf haben wir das geschafft, woran die SP bisher gescheitert ist: die Einführung einer Elternzeit auf kantonaler Ebene.
Sie fordern nun auch einen gleich langen Elternurlaub für Väter und Mütter?
Ja, ich will je 14 Wochen für erwerbstätige Väter und Mütter. Ich merke, dass Unternehmer beim Einstellen von Frauen immer noch zumindest unterbewusst den Gedanken haben, «die Frau könnte irgendwann schwanger werden». Das müssen wir ändern. Dafür braucht es gleich lange Spiesse für Väter und Mütter.

Jürg Grossen fordert einen Elternurlaub, aber mit Bedingungen.
Sie stellen aber Bedingungen für den Elternurlaub?
Ja, den Urlaub gibt es unter der Bedingung, dass beide Eltern vor und nach der Geburt erwerbstätig sind. Wenn man nach der Geburt unverschuldet arbeitslos wird, dann passiert nichts, aber wenn man, kurz gesagt, nicht mehr arbeiten will, müsste die Urlaubsentschädigung zurückgezahlt werden, zumindest anteilsmässig. Das ist echte Gleichstellung.
Wir müssen unsere Haltung klarer kommunizieren.
Ist es Teil des GLP-Erfolges, dass die Partei eben nicht fassbar ist? Denn bis dahin kann jede und jeder in die GLP hineininterpretieren, was ihm passt.
Für Personen, welche sich eingehend mit unseren Positionen auseinandersetzen, sind wir sehr gut fass- und berechenbar. Dennoch können wir uns da sicher noch verbessern und unsere Haltung klarer kommunizieren. Unser Wählerpotenzial wird von Experten auf 30 Prozent geschätzt. Und wir sind noch bei unter zehn Prozent. Wir schöpfen unser Potenzial also noch lange nicht aus – anders als die linken und rechten Parteien.
Ich gebe Ihnen hier gerne eine Carte Blanche. Räumen Sie hier und jetzt auf mit dem Vorurteil auf, dass die GLP schwammig ist.
Die GLP ist eine verantwortungsvolle, liberale Partei. Wir wollen den Menschen und der Wirtschaft Freiheiten und Gestaltungsmöglichkeiten geben. Das schafft Innovation und Wohlstand. Wir sind keine Selbstbedienungsliberale, die nur aufs eigene Portemonnaie schauen. Wir sind verantwortungsvoll gegenüber den Schwächeren, der Umwelt und den Staatsfinanzen und wir sind liberal, weil die Selbstbefähigung der Menschen für uns im Zentrum steht.
Die GLP hat im Ständerat aktuell keinen einzigen Sitz. Ärgert sie das?
Ach, ärgern. Für mich ist das eine Herausforderung. Ich möchte das bei diesen Wahlen ändern. Wir gehen mit starken Kandidaturen ins Rennen. Wir wollen das unbedingt schaffen!
Aber was ist, wenn der Scoop nicht gelingt? Beerdigt die GLP dann die Bundesratsambitionen?
Es ist sicher schwierig, einen Bundesratssitz zu beanspruchen, wenn man nicht im Ständerat vertreten ist.
Es gibt neue Transparenzregeln für die Politik. Wie hoch ist das Wahlkampfbudget der GLP?
Aktuell planen wir mit einem Budget von circa einer Million Franken für die Wahlen. Darin enthalten ist auch die Unterstützung, die wir als nationale Partei den Kantonalparteien und den Jungen geben. Das macht etwa ein Drittel unseres Gesamtbudgets aus. Hinzu kommen die eigenen Budgets der Kantonalparteien und unserer Kandidatinnen und Kandidaten.
Und wie hoch ist ihr persönliches?
Ich werde irgendwo zwischen 100’000-200’000 Franken einsetzen, abhängig von den Spenden, die ich generieren kann. Das Budget ist so hoch, weil ich ja auch für den Ständerat kandidiere. Der Kanton Bern ist gross, da braucht es entsprechende finanzielle Mittel.
Zum Schluss noch ein paar persönliche Fragen: Wann sind Sie das letzte Mal geplatzt vor Wut?
Oh. Gute Frage (überlegt lange). Das kommt schon vor, aber sehr selten. Ich weiss aber gerade nicht, wann es das letzte Mal war.
20 Minuten trifft alle Parteichefs
Damit du den perfekten Überblick über die nationalen Wahlen hast, trifft das Politik-Team von 20 Minuten im August alle Präsidentinnen und Präsidenten der namhaften Parteien, die im Bundeshaus vertreten sind. Wir sprechen mit Ihnen über Politik, ihre Ziele am 22. Oktober und Persönliches.
Ihre Kinder sind erwachsen, ein Sohn wohnt noch zu Hause. Was haben Sie Ihren Kindern über die Zukunft erzählt?
Ich habe versucht, ihnen zu zeigen, welche Werte wichtig sind. Ich habe ihnen Mut gemacht, anzupacken, selber zu gestalten und die Zukunft zu beeinflussen. Das Schweizer System ist so genial, alle können ihren Wünschen und Fähigkeiten entsprechend mitwirken, im Verein, in der Wirtschaft und in der Politik.
Was war die letzte Aufgabe, an der Sie persönlich gescheitert sind?
Hm! (Überlegt lange) Ich bin sehr ehrgeizig, setze mir hohe Ziele und verfolge sie konsequent. Natürlich scheitere ich immer wieder einmal. Aber etwas Grosses kommt mir gerade nicht in den Sinn.
Was war denn der grösste Erfolg in letzter Zeit?
Es sind viele kleine Erfolge, die am Schluss den grossen Erfolg ausmachen. Ich habe beruflich und politisch schon viele Erfolge feiern dürfen. Ich denke etwa an den Zusammenschluss zum Eigenverbrauch von Solarenergie, an das nationale Ladenetz für Elektroautos oder an die Räumung des Munitionslagers in
Mitholz. Die Fokussierung auf grosse «Einzelerfolge» ist mir aber zu kurzfristig gedacht.
Was ist ihre grösste Zukunftsangst?
Angst habe ich eigentlich nie. Aber Respekt. Ich habe Respekt davor, dass wir als Gesellschaft an den grossen Problemen scheitern könnten, weil wir uns, statt diese anzugehen, an Kleinigkeiten aufreiben. Hoffnung macht mir aber, dass es die Menschheit bisher immer geschafft hat, sich weiterzuentwickeln und Probleme zu lösen.
Wir treffen uns ja hier in Frutigen, in ihrer Firma. Warum?
Damit Sie sehen, wo meine grosse Leidenschaft ist, nämlich im Unternehmertum.

Akku, Inselstromschalter und Wechselrichter. Das Herz und Hirn von Jürg Grossens Solarhaus.
Ihre Leidenschaft ist nicht im Solarbereich? Schliesslich ist ihr ganzes Gebäude – besonders die Fassaden – mit Panels belegt.
Das Gebäude ist ein Vorzeigeprojekt dafür, wie die Energiewende umgesetzt werden kann. Meine Leidenschaft ist es, aufzuzeigen, dass man bei wenig Energieverbrauch trotzdem hohen Komfort haben kann. Die Panels an den Fassaden sind besonders für den Winter sehr wichtig, wenn die Sonne tief steht. Fassaden-Anlagen produzieren dann nämlich mehr Strom als solche auf dem Dach. Wir können unsere Elektroautos optimal mit eigenem Solarstrom versorgen und das Gebäude dank toller Schweizer Technologie auch bei einem Stromnetzausfall weiter betreiben.
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