Todesfälle vergessen?Facebook-Jahresrückblick als taktlos kritisiert
Mit der«Year in Review»-App von Facebook sollen die besten Momente des Jahres geteilt werden. Doch viele, die 2014 Schicksalsschläge erlitten, empfinden dies als Affront.
- von
- sts
In den letzten Tagen kursierten auf Facebook Beiträge, die einen Überblick über das Jahr 2014 der User bieten. Fotos von Reisen, Partys und alten oder neuen Freunden aus der eigenen Timeline werden automatisch zusammengestellt und in einem farbenfrohen, fröhlich anmutenden Rahmen präsentiert. «Es war ein tolles Jahr. Danke, dass du ein Teil davon warst» ist in der deutschsprachigen Version als Überschrift zu lesen.
Wer die Anwendung noch nicht genutzt hat, wird in regelmässigen Abständen daran erinnert, dies doch noch zu tun. In einer Vorschauansicht erkennt man auch gleich, welche Bilder im eigenen Jahresrückblick erscheinen würden. Die Erinnerungen an 2014 können in einem nächsten Schritt mit Freunden geteilt werden.
Verstorbene Tochter inmitten von Luftballons
Bei der Erstellung der «Year in Review»-App wurde laut der Plattform Curved anscheinend aber nicht berücksichtigt, dass bisweilen auch tragische Ereignisse auf Facebook verarbeitet werden. Blogger Eric Meyer erfuhr dies am eigenen Leib: Umgeben von bunten Luftballons und mit der Standard-Überschrift wurden von der App Fotos seiner in diesem Jahr im Alter von sechs Jahren verstorbenen Tochter angezeigt. Der trauernde Vater machte Facebook auf die taktlose Botschaft aufmerksam.
«Natürlich ist mir bewusst, dass keine böse Absicht hinter dem Algorithmus steckt. All jene User, die 2014 eine nahestehende Person verloren, längere Zeit im Spital verbrachten oder eine Scheidung durchmachen mussten, möchten vielleicht nicht von einer App an diese Geschehnisse erinnert werden», heisst es in dem Blogeintrag. Der Produktmanager der Jahresrückblick-Applikation entschuldigte sich daraufhin bei Meyer.
Lover der Ex-Frau als Facebook-Freund?
Die Worte des Bloggers scheinen viele seiner Leser berührt zu haben. In 216 Kommentaren wird das Thema diskutiert und eigene Erfahrungen mit dem wenig sensiblen sozialen Netzwerk werden geteilt. «Einige von uns würden das Jahr lieber nicht Revue passieren lassen», schreibt ein Elternteil, der 2014 seinen Sohn verloren hat und das Foto des verstorbenen Kindes ebenfalls in der «Year in Review»-App angezeigt bekam.
«Ich habe mich dieses Jahr scheiden lassen und Facebook hat mir vorgeschlagen, den neuen Lover meiner Ex-Frau als Freund hinzuzufügen», berichtet ein anderer Blog-Besucher. In einem weiteren Kommentar wird Facebook gar direkt angegriffen: «Wer im Silicon Valley arbeitet, hat wohl das Gefühl, ewig zu leben. Es überrascht also wenig, dass der Tod ein blinder Fleck für die Facebook-Angestellten darstellt.»
Immerhin, das sei hier noch erwähnt, kann man die Bilderauswahl auch noch manuell anpassen – oder ganz auf einen solchen Jahresrückblick verzichten.