Video von Murmeltier auf Zürcher Rentenwiese ist fake

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FaktencheckNein, da war kein Murmeltier am Ufer des Zürichsees

Auf Tiktok und Instagram ist ein Video aufgetaucht, das zeigt, wie sich ein Murmeltier seelenruhig am Food von Rentenwiese-Besuchern bedient. Echt ist es nicht.  

Darum gehts

  • Auf Tiktok und Instagram ist ein Video aufgetaucht, das angeblich ein Murmeltier auf der Rentenwiese in Zürich zeigt.

  • Mehr als 100’000 Leute haben die Szene auf den verschiedenen Accounts und Plattformen aufgerufen. 

  • Aber: Das Video ist nicht echt. Das Murmeltier wurde am Computer nachträglich ans Ufer des Zürisees gesetzt. 

Ein 27-sekündiges Video, das am 7. September 2023 um 16.50 Uhr erstmals auf Tiktok aufgetaucht ist, zeigt ein Murmeltier, das am Ufer des Zürichsees genüsslich eine Frucht verspeist. Und Reissaus nimmt, als eine der filmenden Personen ihm Nachschlag reichen möchte (siehe Video oben). Doch die Szene hat sich so nicht abgespielt, wie der genaue Blick zeigt: Das Video, das auf verschiedenen Accounts über 100’000 Aufrufe hat, ist fake. 

Kein Biber, sondern ein Murmeli

Ein Biber? Meersäuli? Die beiden Männer liefern gleich mehrere Vorschläge, um was für ein Tier es sich handelt, das da auf der Rentenwiese in Zürich sitzen soll. Doch auf die richtige Tierart kommen sie nicht. «Es ist eindeutig ein Murmeltier», so die Wildtierbiologin Katja Rauchenstein von SWILD – Stadtökologie, Wildtierforschung, Kommunikation. So sehen es auch die zahlreichen Kommentarschreibenden auf Tiktok (hier und hier) und Instagram.

Alpenmurmeltiere sind – der Name verrät es schon – in höheren Lagen heimisch. Sie kommen nur von der Baumgrenze bis etwa 200 Höhenmeter darüber vor. Maximal leben sie in 3000 Metern Höhe. Unter einer Höhe von 800 Metern sind sie nicht anzutreffen. 

Ort ist eindeutig

Deutlich treffsicherer als bei der Bestimmung der Tierart zeigen sich die Urheber bei der Beschreibung des Ortes. Das Video – zumindest Teile davon – wurde ziemlich sicher auf der Rentenwiese am Ufer des Zürichsees aufgenommen. Zu sehen sind nämlich kurz die Füsse der Aphrodite-Statue, die vier Abfalltonnen und die Fassade des unlängst sanierten Geschäftshauses Schader.

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Ein Biber ist das im Clip auf Social Media zu sehende Tier nicht und auch kein Meersäuli: Es ist ein Murmeltier. 

Ein Biber ist das im Clip auf Social Media zu sehende Tier nicht und auch kein Meersäuli: Es ist ein Murmeltier. 

Screenshot Tiktok
Richtig ist dagegen der von den Urhebern angegebene Ort: Alles, was um das Murmeli herum geschieht, wurde auf der Rentenwiese aufgenommen. Dafür spricht etwa der Ausblick auf den Zürichsee und das gegenüber liegende Ufer.

Richtig ist dagegen der von den Urhebern angegebene Ort: Alles, was um das Murmeli herum geschieht, wurde auf der Rentenwiese aufgenommen. Dafür spricht etwa der Ausblick auf den Zürichsee und das gegenüber liegende Ufer.

Screenshot Tiktok
Auch lassen sich im Video kurz zu sehende Details eindeutig dem kleinen Park zuordnen. So gehören diese Füsse…

Auch lassen sich im Video kurz zu sehende Details eindeutig dem kleinen Park zuordnen. So gehören diese Füsse…

Screenshot Twitter

Video ist fake

Doch auch wenn die Umgebung echt ist: Die im Clip zu sehende Szene hat sich nicht so abgespielt. Dafür sprechen einerseits das Verhalten der beiden Männer, andererseits technische Details.

So beginnt das Video etwa mit den Worten «Bro, es lauft. Es lauft», was nach Inszenierung tönt. Schliesslich wäre eine Murmeltier-Sichtung in Zürich höchst ungewöhnlich. Es ist davon auszugehen, dass die Reaktion dann anders – spontaner, überraschter – ausfallen würde. Dazu passt, dass «nur die ersten paar Sekunden verwackelt sind. Danach wird die Kamera sofort konsequent statisch positioniert. Dadurch wird das Motion Tracking (die Verfolgung einer Bewegung eines Objekts oder Subjekts, Anm. d. Redaktion) vereinfacht», so Marc Ruef von der Scip AG. Damit ist die Bewegungsverfolgung von bestimmten Objektes gemeint.

Der Internetexperte hat das Video für 20 Minuten analysiert. Das ist Ruef sonst noch aufgefallen – vier Beispiele:

  • Duplizierte Zwischenframes: «Es gibt Zwischenframes, die dupliziert wurden, weshalb das zweite Frame dann nicht animiert ist. Das erste Zwischenframe weist Bewegungen auf, jedoch nur durch das Murmeltier.» Weil das im Clip nur einmal passiert, sei nicht davon auszugehen, dass das ein Kompressions-Artefakt ist. Also eine Bildstörung, die durch verlustbehaftete Kompression der Ausgangsdaten entstanden ist.

  • Auffällige Farbkorrektur: «Das Color-Grading ist zunächst blass (wenig Kontrast, wenig Sättigung). Das wurde wahrscheinlich gemacht, um den echten Hintergrund dem eingefügten Murmeltier anzupassen», so der Experte. Erst wenn das Murmeltier aus dem Bild verschwindet, sei das Color-Grading korrigiert worden. «Dies passiert jedoch nicht gleichmässig und gleichzeitig, sondern von links nach rechts.» Das sehe man sehr gut am grünen Rasen unter dem Arm, der immer mehr an Farbe gewinne.

  • Fehlerhafte Lichtstreuung: «Die Kontur des Fells des Murmeltiers weist kein Subsurface Scattering bei den durch die Sonne beschienenen Teilen des Rasens auf.» Auch das spreche für ein nachträgliches Hinzufügen des Murmeltiers ins Bild.

  • Verräterischer Pixelfehler: «Wenn die Kamera nach längerer statischer Betrachtung eine sachte Bewegung nach oben macht, verschiebt sich das Murmeltier um mehrere Pixel ab dem zweiten Frame», sagt Ruef. Dies deute auf ein unsauberes Motion Tracking hin.

Der Murmeli-Clip von der Rentenwiese weist laut Ruef aber auch logische Auffälligkeiten auf.

  • «Als das Murmeltier die Flucht ergreift, stösst es sich mit seinen Hinterpfoten ab. Dabei bleiben die durch die Krallen erwarteten Kerben in der Erde aus.»

  • »Das Murmeltier lässt sein Fressen fallen. Bei der Kamerafahrt der Verfolgung liegt dieses dann aber nicht wie erwartet dort am Boden.»

  • «Es ist erstaunlich, dass im Hintergrund nur eine Person anhält, wartet und filmt. Als sie den Bildausschnitt betritt, bleibt sie kurz unnatürlich stehen, als würde sie auf Regieanweisungen warten. Und wieso ist das Video dieser Person noch nicht aufgetaucht?»

  • «Die Eiben, in die das Murmeltier geflüchtet sind, wackeln nicht. Wenn ein solch grosses Tier in einen dermassen dichten Strauch flüchtet, würde man das sehen können.»

Wichtiger Ratschlag

Zur Einschätzung des IT-Experten passt, dass niemand sonst in Zürich das Murmeltier zu Gesicht bekommen hat. «Von weiteren Murmeltier-Sichtungen aus Zürich haben wir keine Kenntnis», so Wildtierbiologin Rauchenstein. Sollte man dennoch einmal in der Region einem so zutraulichen Murmeltier begegnen, sollte man anders reagieren als die beiden Männer im Video vorgeben: «Personen sollten nicht zu nah an das Tier gehen und es nicht jagen/bedrängen.» 

Fazit

Das Video ist fake – das zeigt die Analyse des Videos durch Fachleute. Auch aus logischer Sicht spricht einiges dagegen.

Ist dir der Clip auch komisch vorgekommen? 

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