Neues BewertungssystemFarben statt Noten für Primarschüler
Viele Schweizer Schulen überarbeiten ihre Notensysteme. Eine St. Galler Primarschule hat nun Noten durch Kommentare und Farbcodes ersetzt.
- von
- Laly Zanchi
Die Primarschule Rotmonten in St. Gallen geht in Sachen Benotung neue Wege: Sie verteilt über das Semester keine Prüfungsnoten, sondern versieht die Blätter der Kinder mit einer Farbe und einem Kommentar, welche ausdrücken, wie gut es die gestellte Aufgabe erfüllt hat.
Die Farben sollen die verschiedenen Wachstumsstufen einer Blume darstellen, berichtete das «St. Galler Tagblatt». Braun stehe für die Wurzeln und damit für: «Das ist dir noch nicht gelungen». Über grün und orange klettert das Kind dann die Blume hinauf – gelb steht für eine besonders gute Leistung.
«Zahlennoten haben keine Aussagekraft»
Jürg Brühlmann, Leiter der pädagogischen Arbeitsstelle des Lehrerverbands, sieht die Farben und Blümchen als eine altersgemässe Methode, um der Einschätzung von Kompetenzen Form zu geben. «Natürlich brauchen Kinder solche Spielereien nicht unbedingt, um die Bewertung zu verstehen, doch es macht ihnen auch Freude.»
Er bezweifelt auch den Nutzen von reinen Zahlennoten: «In den 70ern und 80ern hat man Noten an vielen Primarschulen abgeschafft und erst in den letzten Jahren aus politischen Gründen per Volksentscheid wieder eingeführt», sagt Brühlmann. Den Kindern sei es in keinem der beiden Systeme besonders viel besser oder schlechter ergangen. Zahlennoten hätten an sich auch keine absolute Aussagekraft: «Wenn Sie die genau gleiche Matheprüfung drei verschiedenen Lehrern zur Bewertung abgeben, bekommen Sie drei verschiedene Noten zurück.» Für Brühlmann ist darum nach wie vor das Gespräch mit der Lehrperson das wichtigste Bewertungsinstrument um zu verstehen, wo besser gelernt werden kann.
«Misserfolge gehören zum Reifeprozess»
Alt-Nationalrat Ulrich Schlüer (SVP), Bildungspolitiker alter Schule, ist von alternativen Benotungssystemen wenig begeistert: «Dem Kind Misserfolge ersparen zu wollen, ist kontraproduktiv.» Lernen mit diesen umzugehen, gehöre ebenfalls zum Reifeprozess. «In meiner Erfahrung wollen Kinder auch etwas haben, wonach Sie ihre Leistungen messen können», sagt Schlüer.
Die Einschätzung, wonach eine Bewertung über Farben und Blümchen kindergerechter sei, teilt Schlüer auch nicht: «Dem Kind nach einer schlechten Note zu sagen: ‹Das musst du besser machen›, ist mindestens genauso kindergerecht wie Farben und Blümchen.» Auch in dem Alter sei das Bedürfnis, Ziele zu erreichen und Leistung zu zeigen, erkennbar. Die Blumenskala ist gemäss Schlüer zwar eine kreative Idee, «aber höchstens zur Illustration und nicht als Ersatz für die Note.»
Verbesserung belohnen
«Natürlich erfolgt die Bewertung nicht nur über Farben», schmunzelt Marius Ettlinger, Schulleiter der Primarschule Rotmonten-Gerhalde, auf Anfrage. «Was wir eingeführt haben, ist die Bewertung über Wortrückmeldungen.» Da diese für ein kleineres Kind abstrakt wirken können, soll die Blume mit der Farbskala bei der Einordnung helfen. Am Semesterende bekommen die Kinder im Zeugnis wie gewohnt eine Note in Zahlen, so wie es der Kanton vorschreibt.
Die neue Bewertung über Wortmeldungen solle kompetenzorientiert sein, also die Kinder nach ihren Fähigkeiten und nicht nach reinen Prüfungsleistungen bewerten. Gemäss Ettlinger hat dies den Vorteil, dass Kinder, die ihre Leistungen über das Semester stark verbessern, am Ende auch eine bessere Note im Zeugnis haben. «Bekam ein Kind bisher über das Semester fünf Noten und davon waren die ersten zwei ungenügend und die letzten drei gut, hatte es am Ende einen mittelmässigen Schnitt.» Im neuen System könne der Lehrer die Verbesserung besser gewichten.