MilchskandalFast 50 000 Kleinkinder vergiftet
Die Zahl der Kleinkinder in China, die wegen verseuchter Milchprodukte ins Spital kamen, ist deutlich höher als bisher bekannt. Nach offiziellen Angaben wurden knapp 47 000 Kinder behandelt. Bislang war von 14 500 Kindern die Rede.
Wie das Gesundheitsministerium in Peking am Donnerstag mitteilte, befinden sich noch immer mehr als 10 000 Kleinkinder in stationärer Behandlung. Zudem wurden tausende Kinder behandelt, ohne ins Spital eingeliefert zu werden. Dazu lägen jedoch keine aktuellen Zahlen vor, hiess es.
In China waren gestreckte Milch und Milchprodukte mit der gefährlichen Industriechemikalie Melamin versetzt worden, um einen höheren Eiweissgehalt vorzutäuschen. Zunächst wurde die Substanz in Babymilchpulver entdeckt, später auch in Frischmilch, Joghurt oder Süssigkeiten.
Melamin wird eigentlich als Bindemittel zur Herstellung von Plastik und Klebstoffen eingesetzt. Die Chemikalie verursachte bei den Kindern Nierensteine und andere Gesundheitsprobleme. Nach bisherigen Angaben starben deswegen vier Kleinkinder.
Hunderttausend Kinder betroffen?
Als der Skandal Mitte September aufflog war zunächst von etwas über 400 erkrankten Kleinkindern die Rede. Nach einer Auswertung verschiedener Regionalmedien durch die Nachrichtenagentur Reuters dürfte die Zahl der betroffenen Kinder sogar noch weit höher liegen die am Donnerstag von der Regierung genannten 46 000. Reuters kommt auf fast 94 000 Kinder, die wegen Melamin erkrankt sind.
Der Milchskandal war lange vor der Öffentlichkeit geheim gehalten worden. Milchproduzenten und lokale Behörden wussten seit mindestens Anfang August von der Gefahr, ohne dass Alarm geschlagen und ein Rückruf gestartet wurde. Auch chinesische Medien hatten schon länger davon gewusst, durften aber wegen der Olympischen Spiele der Paralympics nicht berichten.
Erst nach einer Intervention der neuseeländischen Regierung wurde die Zentralregierung in Peking aktiv, da lokale Behörden den Skandal offenbar vertuschen wollten. Neuseeland war aktiv geworden, weil eine neuseeländische Firma massgeblich am Milchproduzenten Sanlu beteiligt ist; Sanlu musste inzwischen seine Produktion einstellen.
Staatshilfe für Milchbauern
Der Skandal hat das Vertrauen in die noch junge Milchwirtschaft Chinas zerstört. Die Regierung will deshalb in Bedrängnis geratene Milchbauern unterstützen.
Mit Hilfe eines «provisorischen Subventionsprogramms» in Höhe von 300 Millionen Yuan (50 Mio. Franken) solle die Entwicklung der Milchindustrie gefördert werden, teilten Finanz- und Landwirtschaftsministerium mit.
Die Chinesen trinken durchschnittlich etwa zehn Mal weniger Milch als Menschen in westlichen Staaten. Vor noch etwa 20 Jahren war Milch in China ein rares Gut. Erst die in den 80er Jahren begonnene Politik der Öffnung brachte das Getränk vom Westen nach China.
Aggressive Reklame, der höhere Lebensstandard mit Supermärkten und Kühlschränken brachten der Milch aber auch Süssgetränken im Teeland China den Durchbruch.
(sda)