FDP will links-grüne Umweltverbände zurückbinden
Am 30. November entscheiden Volk und Stände, ob das Beschwerderecht der Umweltorganisationen bei demokratisch abgesicherten Vorhaben ausgeschlossen werden soll. Dies verlangt die FDP mit einer Volksinitiative.
Die von den Zürcher Freisinnigen lancierte Initiative «Schluss mit der Verhinderungspolitik» will das Rekursrecht der Verbände ausschliessen, wenn Bauprojekte von Volks- und Parlamentsentscheiden in Bund, Kantonen und Gemeinden genehmigt worden sind.
Auslöser war eine Beschwerde des Verkehrs-Clubs der Schweiz (VCS) gegen das Fussballstadion Hardturm in Zürich. Das Initiativkomitee geht davon aus, dass die Verbände mit ihrem Beschwerderecht demokratisch gutgeheissene Grossprojekte verzögern oder verhindern und damit Milliardeninvestitionen blockieren.
Hin und Her im Bundesrat
Das Beschwerderecht steht seit 1967 im Natur- und Heimatschutzgesetz, seit 1983 auch im Umweltschutzgesetz. Es ermächtigt heute 30 national tätige und vom Bundesrat anerkannte Organisationen, gegen Bauvorhaben vor Gericht zu rekurrieren, wenn sie vermuten, dass Gesetze verletzt werden.
Der Nationalrat hat die Initiative knapp, der Ständerat deutlich abgelehnt. Auch der Bundesrat war zunächst dagegen, änderte dann aber seine Haltung. Weil er nach neuem Recht keine Abstimmungsempfehlung abgeben darf, die dem Parlament widerspricht, vertritt er nun wieder die Nein-Parole.
Neben der FDP unterstützen auch die SVP sowie die Wirtschaftsorganisationen Economiesuisse und Gewerbeverband die Initiative. Es ist nach ihrer Meinung nicht angängig, dass private Organisationen demokratisch zu Stande gekommene Entscheide aushebeln können.
Anwälte der Natur
Für ein von der CVP unterstütztes links-grün-bäuerliches Gegenkomitee ist das Beschwerderecht kein Verhinderungs-, sondern ein Verbesserungsinstrument. Die Natur habe keinen Anwalt. Deshalb müssten die Umweltorganisationen ihr eine Stimme verleihen können. Bauherren dürften nicht gegen Umweltauflagen verstossen.
Gegen die FDP-Volksinitiative eingestellt sind auch die wegen Einkaufszentren und deren Parkplatzangeboten oft mit Rekursen eingedeckten Grossverteiler Migros, Coop und der schwedische Mobelfabrikant Ikea. Sie bangen vor allem um ihr sorgsam aufgebautes Image als ökologisch denkende Unternehmen.
99 Prozent der Beschwerden kämen immer noch von Privaten und nicht von Umweltverbänden, argumentiert die Gegnerschaft. Die privaten Rekurse seien viel weniger erfolgreich als jene der Verbände. Die Initiative würde ausgerechnet jene treffen, die heute in zwei Dritteln der Fälle Recht bekämen.
BAFU wäre gefordert
Sollte die Initiative angenommen werden, könnten die Verbände künftig in wesentlich weniger Fällen den im schweizerischen Recht verankerten Schutz der Umwelt vor Gericht einfordern. Deshalb müsste das Bundesamt für Umwelt (BAFU) mit Steuergeldern ihre Rolle als Überwachungsinstanz übernehmen.
Bei einem Ja könnte zudem eine Gemeinde beschliessen, ob auf ihrem Gebiet das Umweltrecht gilt oder nicht. Für das gegnerische Komitee ist es nicht denkbar, dass nationales Recht so durch lokale Abstimmungen ausser Kraft gesetzt werden kann. Die Initiative schwäche nicht nur den Umweltschutz, sondern auch den Rechtsstaat.
Verschärfung schon in Kraft
Bei einem Nein zur Initiative gelten die Mitte 2007 in Kraft gesetzten einschränkenden Bestimmungen für die Verbandsbeschwerde weiter, die das Parlament in eigener Regie auf Grund einer Initiative des früheren Ständerates Hans Hofmann (SVP/ZH) erarbeitet hat.
Nach neuem Recht müssen Umweltorganisationen strengere Voraussetzungen erfüllen, um eine Beschwerde zu erheben. Sie haben zudem die Kosten zu tragen, wenn sie vor Gericht unterliegen. Eine Subkommission der Rechtskommission des Ständerates ist auf Grund einer Aargauer Standesinitiative daran, Fragen im Spannungsfeld zwischen Demokratie, Umweltschutz und Raumplanung zu klären.
(sda)