Linsmayer liest: «Feminismus zum eigenen Vergnügen»

Der bekannte Schweizer Literaturkritiker Charles Linsmayer rezensiert für 20 Minuten regelmässig Neuerscheinungen und Klassiker.

Der bekannte Schweizer Literaturkritiker Charles Linsmayer rezensiert für 20 Minuten regelmässig Neuerscheinungen und Klassiker.

20min/Ela Çelik
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Linsmayer liest«Feminismus zum eigenen Vergnügen»

In seiner Literaturkolumne rezensiert Charles Linsmayer für 20 Minuten Neuerscheinungen und Klassiker. Dieses Mal: «Mehr Feminismus» von Chiamanda Ngozi Adichie.

Charles Linsmayer
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Als ihr jemand sagt, Feministinnen seien Frauen, die unglücklich sind, weil sie keinen Mann finden, beschliesst Chiamanda Ngozi Adichie eine «glückliche afrikanische Feministin» zu werden, «die Männer nicht hasst und Lippenstift und hohe Absätze zum eigenen Vergnügen und nicht zum Vergnügen der Männer trägt.» So nachzulesen im Manifest «Mehr Feminismus» der 1977 im nigerianischen Enugu geborenen Autorin, das um vier Stories mit illustrierenden Beispielen ergänzt ist. So wird mit der Ärztin Chinwe eine Autorität in Sachen Gleichberechtigung demontiert, die einseitig auf das Wohlwollen der Männer ausgerichtet ist («Der weibliche Irrtum»), zeigt «Der Schmerz Fremder» auf, dass es einer Autorin und Dozentin nicht mehr genügen kann, als «dunkelhäutige Schönheit» bezeichnet zu werden, während «Apollo» vorführt, wie ein herablassend behandelter Hausbursche eines Tages als Rädelsführer bei einem Raubüberfall ertappt wird.

Chiamanda Ngozi Adichie: «Mehr Feminismus. Ein Manifest und vier Stories». Fischer-Taschenbuch. Fr. 16.50

Chiamanda Ngozi Adichie: «Mehr Feminismus. Ein Manifest und vier Stories». Fischer-Taschenbuch. Fr. 16.50

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Eher versöhnlich endet dagegen der Konflikt, den die junge Afroamerikanerin Ralindu mit ihrer Mutter austrägt. Englisch statt Igbo darf sie nur reden, wenn Mama es nicht hört; dass sie ihren Namen in Lin abkürzt, duldet die traditionsbewusste Nigerianerin ebenso wenig wie die Ersetzung der Wörter ede durch Kartoffel oder ugu durch Spinat. Zu einer im letzten Moment dann gestoppten brutalen Strafaktion aber setzt die Mutter an, als Lin den Boyfriend unter ihren Büstenhalter langen lässt. Und der Titel der Geschichte? «Meine Mutter, die durchgeknallte Afrikanerin.»

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