Basel«Fingierte Besetzungen sind ungewöhnlich»
Gleich drei Mal wurden im Juni in Basel Liegenschaften als besetzt gemeldet. Nur fehlte jedes Mal von den Besetzern jede Spur. Diese Inszenierungen findet auch ein Experte ungewöhnlich.
- von
- las
In den vergangenen Wochen kam es im Raum Basel wiederholt zu Hausbesetzungen. So scheint es zumindest. An den betroffenen Liegenschaften hingen Transparente und auf einschlägigen Webseiten aus dem linksautonomen Spektrum wurden Bekennerschreiben publiziert.
Doch als die Polizei anrückte, um dem Treiben ein Ende zu setzen, war niemand zu Hause, nicht einmal die Besetzer. So auch im Fall der Liegenschaften an der Hardstrasse 112 bis 116 im Gellertquartier Anfang Juni, und am 11. Juni wurden auch nur scheinbar mehrere Abbruchliegenschaften an der Elsässerstrasse besetzt.
Die «Tageswoche» schreibt von einer Phantombesetzung. Jüngstes Beispiel: Am Donnerstag soll das ehemalige Gewächshaus der Urban Farmers auf dem Dreispitzareal vom «Besetzlings Kollektiv Kopfsalat» in Beschlag genommen worden sein, wie Onlinereports berichtet. Das Anliegen: Kampf gegen den Leerstand. Auch zeugte ausser einem Transparent nichts von den Besetzern. Transparente wurden am Samstag auch wieder an der Elässerstrasse gehisst.
Warum eine Besetzung vortäuschen?
«Dass solche Besetzungen fingiert werden, ist ungewöhnlich», sagt Dirk Baier, Leiter des Instituts Delinquenz und Kriminalprävention der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Zwar könnten Linksextreme dadurch auf aus ihrer Sicht mögliche Missstände aufmerksam machen und dabei weitestgehend anonym bleiben. «Der Effekt wird aber schnell verpuffen, weil die Polizei dies schnell durchschaut», so Baier.
Die Inszenierungen taxiert er als« eine Art intellektualisierten Linksextremismus». «Man macht auf ein Anliegen aufmerksam, ohne als Person in Erscheinung zu treten, das heisst ohne selbst wirklich aktiv zu werden und die negativen Konsequenzen – wie Verhaftung – fürchten zu müssen», hält Baier fest.
Dass die Aktivisten mit den Phantomaktionen an Glaubwürdigkeit verlieren, glaubt Baier hingegen nicht: «Zwar ist die Besetzung erfunden, nicht aber das Problem, dass aus Sicht der Linksextremen dahinter steckt, warum Häuser zu lange leer stehen», sagt er. Das Ziel sei es, die Bevölkerung für real vorkommende Phänomene wie Gentrifizierung in Städten zu sensibilisieren.
Kaum Erfahrung mit Phantomen
«Hausbesetzungen sind aus unserer Sicht eher ein städtisches Problem», sagt Adrian Gaugler, Sprecher der Baselbieter Polizei. Damit die Behörden im Landkanton, auf dessen Gebiet sich das scheinbar besetzte Urban-Farmers-Gewächshaus befindet, aktiv würden, müssten die Liegenschaftsinhaber erst einen Strafantrag stellen. Im Stadtkanton verhält sich das gleich.
«Für uns ist das Phänomen neu», sagt Toprak Yerguz, Sprecher der Basler Justiz- und Sicherheitsdepartements. Man habe kürzlich zwei solche Scheinbesetzungen festgestellt. Ob es sich um einen Trend oder um Ausnahmefälle handelt, will Yerguz nicht spekulieren.
Katz-und-Maus-Spiel in München
Phantombesetzungen machten bereits in Deutschland Schlagzeilen. In München hielten sogenannte Spontanbesetzungen die Polizei letztes Jahr über Monate in Atem. Auf jedes Transparent folgte ein Grosseinsatz. Früher oder später werden wir sie schon kriegen, sagte eine Polizeisprecherin der «taz».