Sitzungsfreie Tage: Als die Firma den «Focus Friday» einführte, freuten sich die Angestellten 

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Sitzungsfreie TageAls die Firma den «Focus Friday» einführte, freuten sich die Angestellten 

Eine Meeting-Flut kann sich negativ auf die Angestellten auswirken. Firmen in der Schweiz führen vermehrt sitzungsfreie Tage ein. 

Michelle Ineichen
Thomas Obrecht
von
Michelle Ineichen
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Thomas Obrecht

20 Minuten hat Passantinnen und Passanten in Zürich gefragt, was sie von Meetings halten.

Video: 20min/Janina Schenker

Darum gehts

  • Immer mehr Angestellte bezeichnen Meetings als «sinnlos» und «reine Zeitverschwendung».

  • In der Schweiz führen vereinzelte Firmen sitzungsfreie Tage ein. 

  • Gemäss den Unternehmen wird die Umstellung von den Angestellten geschätzt. 

Mittlerweile gibt es in Unternehmen so viele Meetings, dass sich immer mehr Angestellte beklagen (20 Minuten berichtete). In Deutschland haben einige Firmen sitzungsfreie Tage eingeführt. Auch in der Schweiz ziehen vereinzelte Unternehmen nach. So unter anderem Baloise: «Uns ist aufgefallen, dass wir viele Meetings haben und nicht alle zielführend sind. Aus diesem Grund wollten wir etwas unternehmen», sagt Laurent Steiner, Agile Coach bei der Versicherung. 

Zusammen mit anderen Mitarbeitenden hat er die Initiative zum Focus Friday gestartet. Mitarbeitende können am ersten Freitag im Monat frei wählen, ob sie an diesem Tag Meetings vereinbaren wollen oder ihren Kalender ganz freihalten möchten. Die Reaktionen seien mehrheitlich positiv: «Viele finden den Focus Friday sehr nützlich. Etwa die Hälfte der befragten Angestellten macht davon Gebrauch.» 

Dass sich die Umstellung auf meetingfreie Tage lohnt, merkt auch BlueGlass, eine Digital-Marketing-Agentur aus Zürich. Seit über einem Jahr hat die Firma eine sogenannte Fokus-Zeit eingeführt. Laut Renate Huber, Lead Marketing & Communication, finden am Montagnachmittag wie auch am Freitagnachmittag sowie während der Mittagspausen keine Meetings statt. «Wir haben seither mehr Zeit für die Projekte unserer Kundinnen und Kunden. Auch von den Mitarbeitenden wird diese Meeting-Kultur sehr geschätzt.» 

«Jedes Meeting bringt einen aus dem Konzept»

Gabriel Fischer, Leiter Bildungspolitik beim Arbeitnehmer-Verband Travailsuisse, begrüsst die Idee der meetingfreien Tage. «Sie ermöglichen es der gesamten Belegschaft, sich die Zeit zu nehmen für schwierigere Arbeiten, welche Übersicht, Kreativität und dementsprechend einen tieferen Workflow erfordern.» Ständige Unterbrechungen seien ein Qualitätsrisiko: «Wer immer wieder abgelenkt wird, ist weniger effizient, verliert den Überblick und macht mehr Fehler.»

Urs Wermelinger, Geschäftsführer der Beratungsunternehmen AliceBlue, empfiehlt Firmen bis zu drei meetingfreie Tage pro Woche: «Jedes Meeting bringt einen aus dem Konzept. Multitasking ist ein Mythos.» Je mehr Zeit man habe, um fokussiert zu arbeiten, umso besser sei die Qualität der Arbeit. Zudem seien die Leute zufriedener, wenn sie Feierabend machen können und ihre Arbeit vorher abschliessen konnten.

Vereinzelte Meetings hätten aber durchaus eine Daseinsberechtigung: «Manchmal ist es sinnvoller, eine Sitzung einzuberufen, anstatt zehn E-Mails hin und her zu schicken», so Wermelinger. Zudem sei bei gewissen Themen ein persönlicher Austausch besser, da man so die Emotionen besser spüren könne.

«Ganz ohne Meetings geht es nicht»

«Ob meetingfreie Tage eine Lösung sind, ist eher fraglich», sagt Hansjörg Schmid, Sprecher beim Verband Angestellte Schweiz. Es sei auf jeden Fall nicht sinnvoll, wenn die Meetings dadurch einfach auf die anderen Tage verschoben werden.

Zudem seien nicht alle Meetings unnötig: «Es kann ja sein, dass aufgrund eines Problems, das man rasch lösen sollte, gerade an diesem Tag ein Meeting notwendig wäre», so Schmid. Eine bessere Lösung sei, die Meetings zu hinterfragen, unnötige Meetings abzuschaffen und die notwendigen Meetings so kurz wie möglich zu halten. 

Auch Peter Modler, Unternehmensberater und Autor, sagt: «Ganz ohne Meetings geht es nicht. Gute Meetings gibt es aber nicht automatisch. Man muss wirklich etwas dafür tun.» Experten erklären, wie Sitzungen effizienter werden.

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Gabriel Fischer, Leiter Bildungspolitik beim Arbeitnehmer-Verband Travailsuisse, begrüsst die Idee der meetingfreien Tage. (Symbolbild)

Gabriel Fischer, Leiter Bildungspolitik beim Arbeitnehmer-Verband Travailsuisse, begrüsst die Idee der meetingfreien Tage. (Symbolbild)

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«Sie ermöglichen es der gesamten Belegschaft, sich die Zeit zu nehmen für schwierigere Arbeiten, welche Übersicht, Kreativität und dementsprechend einen tieferen Workflow erfordern», sagt Fischer. (Symbolbild)

«Sie ermöglichen es der gesamten Belegschaft, sich die Zeit zu nehmen für schwierigere Arbeiten, welche Übersicht, Kreativität und dementsprechend einen tieferen Workflow erfordern», sagt Fischer. (Symbolbild)

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«Ob meetingfreie Tage eine Lösung sind, ist eher fraglich», sagt hingegen Hansjörg Schmid, Sprecher beim Verband Angestellte Schweiz. (Symbolbild)

«Ob meetingfreie Tage eine Lösung sind, ist eher fraglich», sagt hingegen Hansjörg Schmid, Sprecher beim Verband Angestellte Schweiz. (Symbolbild)

Getty Images/Maskot

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