Hass-Tweet: Fliegt der Absender der Drohung gegen Projer auf?

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Hass-TweetFliegt der Absender der Drohung gegen Projer auf?

Nach der «Arena»-Sendung zu No Billag wurde Moderator Jonas Projer massiv bedroht. Ein IT-Anwalt sagt, was er nun tun kann.

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Schon die Sendung war emotional. Nach der «Abstimmungsarena» wird Moderator Jonas Projer gar bedroht.

Die Wogen gingen hoch in der dritten Sendung zur No-Billag-Abstimmung: Initiant Olivier Kessler und Moderator Jonas Projer gerieten sich andauernd in die Haare. Nach der Ausstrahlung der «Abstimmungsarena» am Freitag wurde der vierfache Familienvater Projer dann auf Twitter bedroht. Ein Nutzer schrieb: «Mitten in der Nacht werden wir kommen und Dich richten.» Auch die Kinder erwähnt der Unbekannte.

IT-Anwalt Martin Steiger rät Projer, den Twitterer zu verfolgen: «Der Aufwand für einen Strafantrag ist klein und die Drohung auf jeden Fall rechtswidrig. Der Tweet ist auch ehr- und persönlichkeitsverletzend.» Bedingung für eine Strafverfolgung ist, dass die betroffene Person in Angst und Schrecken versetzt wurde.

«Erfolg zweifelhaft»

Laut Steiger ist in diesem Fall die Grenze klar überschritten worden: «Als ‹Arena›-Moderator hat Herr Projer sicher eine dicke Haut entwickelt. Weil er als SRF-Angestellter direkt von der Abstimmung betroffen ist, steht er jetzt aber noch stärker im Fokus.» Die Drohung dürfte an Projer und seiner Frau nicht spurlos vorbeigehen, vermutet der Anwalt. Schaue man sich die weiteren Tweets auf dem Konto an, zeige sich ein wirres Weltbild: «Was zurückbleibt, ist ein ungutes Gefühl.»

Doch auch wenn Projer einen Strafantrag stellt, ist es laut Steiger unwahrscheinlich, dass der Absender erwischt wird. «Unsere Strafverfolgungsbehörden sind in solchen Fällen oft zu langsam. Die Daten bleiben nicht dauerhaft gespeichert.» Man müsse Daten vorsorglich sichern lassen und mit einem Rechtshilfegesuch an Twitter in Irland gelangen. Aber selbst wenn Twitter die Nutzerdaten liefern würde, könne der Urheber des Tweets seine IP-Adresse verschleiert haben.

Leuthard wurde beleidigt

Auch Jolanda Spiess-Hegglin vom Verein Netzcourage sagt: «Die Chancen, dass man einen solchen Twitterer erwischt, sind verschwindend klein.» Es sei aber gut, dass man über solche Drohungen rede. Im Kampf um No Billag beobachte sie immer wieder Grenzüberschreitungen. «Bundesrätin Doris Leuthard wurde auf der Seite des Initiativkomitees als ‹traurige, kinderlose Scheiss*****› beschimpft.»

Unverständlich sei, dass die Drohung gegen Projer noch immer nicht gelöscht wurde. «Das zeigt, dass die Betreiber von sozialen Netzwerken dringend eine Anlaufstelle in der Schweiz schaffen müssen, wo man solche Fälle direkt melden kann – auch telefonisch.»

Brauchen Facebook und Co. eine Vertretung in der Schweiz?

Bereits aktiv ist die Politik: So verlangt die SP in einem Vorstoss, dass soziale Netzwerke in der Schweiz über eine Vertretung verfügen, die den Ermittlern die für das Verfahren benötigten Daten direkt übermitteln kann, ohne dass die Schweizer Behörde internationale Rechtshilfe beantragen muss. «Der Fall Projer zeigt, wie wichtig es ist, dass Daten schnell geliefert werden», sagt alt Nationalrat Jean Christophe Schwaab, der Vater des Vorstosses.

Für kontraproduktiv hält die Forderung IT-Anwalt Steiger: «Sonst müssten auch Schweizer Firmen Ableger im Ausland gründen. Das wäre zu unserem Nachteil.» Ziel müsse sein, die internationale Rechtshilfe zu beschleunigen. Zudem müssten soziale Netzwerke ab einer gewissen Grösse ein Zustellungsdomizil in der Schweiz haben, damit man einfacher an sie gelangen könne. Auch der Bundesrat hat festgehalten, man könne Unternehmen selbst mit einer Vertretung im Land nicht zwingen, im Ausland gespeicherte Daten herauszugeben. Das gehe nur über den Weg der Rechtshilfe.

Ob Projer diesen beschreitet, ist unklar: Zwar fragte er die Twitter-Community, ob er den Fall der Polizei melden soll. Ob er einen Strafantrag erstattet hat, wollten am Sonntag aber weder Projer noch sein Arbeitgeber verraten.

Vergiftetes Klima: Solche Zuschriften erhielt Initiant Olivier Kessler nach seinem «Arena»-Auftritt:

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SRF-Mann Jonas Projer wird übel bedroht nach der Ausstrahlung der «Abstimmungsarena», Initiant Olivier Kessler wird nach seinem Auftritt beschimpft.

SRF-Mann Jonas Projer wird übel bedroht nach der Ausstrahlung der «Abstimmungsarena», Initiant Olivier Kessler wird nach seinem Auftritt beschimpft.

Wirre Angriffe via Facebook: Kessler gehöre ins KZ, schreibt ein Nutzer.

Wirre Angriffe via Facebook: Kessler gehöre ins KZ, schreibt ein Nutzer.

Initianten ebenfalls bedroht

No-Billag-Initiant Olivier Kessler verurteilt die Drohung gegen Projer gegenüber 20 Minuten aufs Schärfste: «Das ist einer Demokratie nicht würdig und dafür gibt es keine Rechtfertigungen. Jeder soll seine Meinung frei äussern dürfen, ohne deswegen um sein Leben fürchten zu müssen.»

Kessler hofft, dass der der Täter gefunden wird: «Von wo und von wem diese Drohung an Jonas Projer versandt wurde, kann die Strafverfolgungsbehörde innerhalb weniger Stunden herausfinden.» Leider gebe es auch unter den No-Billag-Gegnern solche, die mir in Mails und auf Social Media mit Gewalt drohten, bis hin zu Sprüchen wie «ins KZ mit Dir». Er rufe alle Befürworter und Gegner der Initiative dazu auf, auf Drohungen und Gewalt zu verzichten.

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