Essen teilen: Foodsharing-Trend erreicht die Schweiz

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Essen teilenFoodsharing-Trend erreicht die Schweiz

Der Foodsharing-Trend geht von New York aus um die Welt. Doch in der Schweiz wird fast nur verschenkt statt getauscht. Nicht selten kommt es wegen Essensgeschenken zum Streit.

S. Heusser
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S. Heusser

Der sogenannte «Food sharing» oder «Food swapping» Trend (Essenstausch auf Deutsch) findet immer mehr Anhänger in der Schweiz. Die Bewegung, welche in Brooklyn (USA) ihren Ursprung nahm und über England ihren Weg bis in die Schweiz gefunden hat, will den Lebensmittel-Abfall reduzieren und lokale Gemeinschaften zusammenbringen, indem Mitglieder Essen tauschen, welches sie selber nicht benötigen.

Die Essenstauschs sind organisierte Events, an welche die Leute ihre Lebensmittel mitbringen und mit diesen handeln. Geld wird dabei keines gewechselt, Essen ist die einzige Währung. Doch während in England einige Gruppen die Idee weiterentwickeln und thematisch orientierte Essenstauschs wie «Zweiter Weltkrieg Essenstausch» veranstalten, wandelt sich der Tauschgedanke in der Schweiz zur Spendenbörse.

Ich geb dir meins - gib du mir deins nicht

Weil nur bei wenigen der 555 Mitglieder in ihrer Gruppe die Abfallreduktion noch im Vordergrund stand, änderte die Foodsharerin und Gruppengründerin Maria Scheuch den Namen ihrer Facebook-Gruppe in «Schweizer Lebensmittel Schenkbörse» um. «Mittlerweile geht es fast ausschlieslich darum, ärmeren Menschen Essen zu schenken, darum habe ich den Namen der Gruppe angepasst.» Obwohl sie sich wünschte, dass mehr Menschen bei realen Treffs zusammenfänden, verschickten Schweizer Spender hauptsächlich Lebensmittel-Pakete per Post.

Immer öfter stellen sich in der Gruppe Menschen «mit ihrer Leidensgeschichte» vor und «betteln» um ein Fress-Päckli, klagt Scheuch. Einige hätten auch schon nach einem iPhone gefragt. Offenbar seien viele Gruppenteilnehmer Sozialhilfe- oder Arbeitslosengeld-Empfänger. «Doch vor allem selber Bedürftige melden sich in der Gruppe, wenn sie einmal Teigwaren übrig haben, um es jenen zukommen zu lassen, denen es noch schlechter geht», freut sich Scheuch.

Teilen verdoppelt das Glück

Ab der Frage, wer wirklich arm genug sei für ein Essenspaket, eskaliere jedoch immer öfter Streit, sagt die Gruppengründerin, die selber durch den Dokumentarfilm «Taste The Waste» motiviert wurde, etwas gegen die «Wegwerfmentalität der modernen Wohlstandsgesellschaft» zu unternehmen. Sie wünscht sich, dass die Essensschenker und –teiler sich zwischenzeitlich wieder einmal an das Gruppenmotto erinnern. Es kommt von Albert Schweitzer: «Das Glück ist das Einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt.»

Dass nicht mehr Leute den Tausch-Trend mitmachen, findet auch Hans-Niklaus Müller von Umweltnetz-Schweiz schade. «Es könnte viel Lebensmittel-Abfall eingespart werden, wenn mehr Schweizer Foodsharing machen würden.» Er glaubt, die Schweizer würden sich vielleicht vor abgelaufenem Essen fürchten und wollten darum lieber ihr Essen verschenken, als es zu tauschen. Jede Verwertung von Lebensmitteln, die ansonsten weggeworfen würden, sei aber intelligent. «Die Idee des Tauschens, Teilens und Ausleihens ist ökologisch sinnvoll und erfreut sich zum Glück wachsender Beliebtheit.»

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