Autoindustrie: Ford entdeckt China wieder

Aktualisiert

AutoindustrieFord entdeckt China wieder

Vor 100 Jahren war Ford noch der Pionier in China. Ab 1913 wurde das Model T in China verkauft. Den jetzigen Boom in Asien hat der Autobauer aber verschlafen. Nun ist der US-Konzern aufgewacht.

Dee-Ann Durbin
AP
von
Dee-Ann Durbin
,
AP
Fords grösster Standort nach Detroit ist inzwischen das Werk in der Millionenstadt Chongqing.

Fords grösster Standort nach Detroit ist inzwischen das Werk in der Millionenstadt Chongqing.

Erst wollte niemand bei Ford so recht an China als grossen Absatzmarkt glauben, dann stand sich das US-Unternehmen durch interne Probleme selbst im Weg. Nun aber investiert der Automobilkonzern riesige Summen, um die verlorene Zeit aufzuholen und zur Konkurrenz aufzuschliessen.

Ford-Manager Dave Schoch hat einen der härtesten Jobs im gesamten Konzern: Er ist dafür zuständig, dass der Autobauer auf dem chinesischen Markt Fuss fasst. Als Schoch vor 13 Jahren das erste Mal nach China kam, baute der Staat in den Grossstädten achtspurige Schnellstrassen, aber die wurden zunächst vor allem von Fahrradfahrern und Fussgängern genutzt. Weniger als zwei Millionen Pkw und Pickups kaufte das Milliardenvolk damals pro Jahr. In den USA waren es zum selben Zeitpunkt 14,4 Millionen.

Letztes Jahr kehrte Schoch nach China zurück und erkannte es kaum wieder: Die Schnellstrassen waren verstopft mit Fahrzeugen aller Preisklassen. Dank Chinas Wirtschaftsboom können sich heute Millionen Menschen erstmals einen Wagen leisten oder auf teurere Modelle umsteigen. «Man muss schon dort sein und es sich ansehen, um zu begreifen, was dort in den vergangenen zehn Jahren geschehen ist», sagt Schoch, der seit Herbst 2012 für Fords Aktivitäten im asiatisch-pazifischen Raum zuständig ist.

Nur drei Prozent Marktanteil

19 Millionen Pkw und Pickups kauften die Chinesen vergangenes Jahr - mehr als jede andere Nation der Welt. Fords Marktanteil betrug gerade einmal drei Prozent. Während sich Konkurrenten wie General Motors (GM), Toyota und Volkswagen in China festsetzten, bremste sich Ford durch internes Chaos und Finanzprobleme selbst aus.

Doch der Kuchen ist noch nicht endgültig verteilt. Auf 1000 Chinesen kommen gerade mal 58 Autos. Viele Analysten prognostizieren, dass die Chinesen bis 2020 um die 30 Millionen Fahrzeuge pro Jahr kaufen werden. Schoch soll nun dafür sorgen, dass Ford bei diesem phänomenalen Wachstum nicht aussen vor bleibt.

Fünf neue Werke

Bis 2015 soll der Marktanteil dank sechs neuer Modelle allein in diesem Jahr auf sechs Prozent klettern. Für die Aufholjagd nimmt Ford so viel Geld in die Hand wie seit langem nicht mehr. Fünf neue Werke in China schlagen mit fünf 5 Milliarden Dollar (3,9 Milliarden Euro) zu Buche, 2015 soll die Produktionskapazität in China bei 1,7 Millionen Fahrzeuge pro Jahr liegen.

«Früher trödelten sie herum, waren vorsichtig. Jetzt sind sie voll und ganz dabei», sagt Michael Dunne von der Hongkonger Beraterfirma Dunne & Company. «Sie erklären: 'Wir glauben an den chinesischen Markt. Wir glauben an unser Produkt. Wir können hier gewinnen.'»

Zu teure Autos

407 721 Fahrzeuge setzte Ford im ersten Halbjahr in China ab - neuer Firmenrekord, aber nur ein Viertel dessen, was GM unters Volk brachte. Und während Volkswagen mit sechs Marken von Skoda bis Bentley alle Käufergruppen bedienen kann, ist Ford nur mit der Marke Ford vertreten. Die Tochter Lincoln folgt 2014.

Hinzu kommt, dass Ford teuer ist. In China kosten 70 Prozent der Autos umgerechnet weniger als 11 500 Euro, aber Fords günstigstes Angebot ist der Fiesta mit einem Einstiegspreis von 10 400 Euro. Der Geländewagen Explorer kostet aufgrund von Einfuhrzöllen mindestens 62 000 Euro.

Verluste in Europa

Ford benötigt den Erfolg in China. Das Unternehmen setzt aktuell 73 Prozent seiner Fahrzeuge in Europa und Nordamerika ab, verlor aber allein in Europa vergangenes Jahr 1,75 Milliarden Dollar (1,37 Milliarden Euro), weil die Rezession die Nachfrage einbrechen liess. Für dieses Jahr geht Ford von zwei Milliarden Dollar Minus im Europageschäft aus.

Vor 100 Jahren war Ford noch der Pionier in China. Ab 1913 wurde das Model T in China verkauft, auch über den Bau eines Werks in China wurde nachgedacht. Die einzige Ford-Niederlassung in China schloss zu Beginn des Zweiten Weltkriegs, erst 1997 kehrte der Konzern nach China zurück und konzentrierte sich dann zunächst auf den Lieferwagenmarkt - auch deshalb, weil man in der Ford-Zentrale nicht mit einem derart explosionsartigen Wachstum des chinesischen Markts rechnete.

«Kein Sprint, sondern eine lange Reise»

«Wäre ich damals zur Geschäftsführung gegangen und hätte denen erzählt, dass 2013 in China 20 Millionen Fahrzeuge gekauft werden, hätten die sich echt Sorgen um mich gemacht», sagt Schoch lachend. 2001 korrigierte der Konzern seine Fehleinschätzung und ging eine Partnerschaft mit dem chinesischen Hersteller Changan Automotive ein. Seit 2003 wird der Fiesta in China gebaut, doch es fehlte an Investitionsmitteln für einen grösseren Angriff auf den Markt. Das musste bis 2009 warten, als Ford nach einer längeren Durststrecke endlich wieder Gewinne erzielte.

Inzwischen ist die Millionenstadt Chongqing Fords grösster Standort nach Detroit. Von dort aus will der Konzern auch die bislang praktisch unerschlossenen ländlichen Märkte im Westen Chinas erobern. Gelingen soll das mit dem Chevrolet Sail, einem Wagen, der etwa 7500 Euro kosten soll.

Schoch sagt, er wolle den Ruf seines Unternehmens in China weiter verbessern und Kunden überzeugen, dass Ford-Autos ihr Geld wert seien. «Marktanteil und Gewinn sind wichtig, aber nicht so wichtig wie die Frage, wie unsere Kunden Ford wahrnehmen», so der Manager. «Für mich ist das kein Spurt, sondern Teil einer sehr, sehr langen Reise.»

Deine Meinung