Italien: Frau 22 Jahre lang von Bruder eingesperrt – «durfte mich nur einmal im Monat waschen»

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ItalienFrau 22 Jahre lang von Bruder eingesperrt – «durfte mich nur einmal im Monat waschen»

Eine 67-Jährige aus der Provinz Campobasso wurde 22 Jahre von ihrem Bruder und ihrer Schwägerin als Gefangene gehalten. Obwohl sie immer wieder um Hilfe schrie, will in dem Dörfchen niemand etwas davon bemerkt haben.

Karin Leuthold
von
Karin Leuthold
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In diesem Waschbecken durfte sich das Opfer nur einmal im Monat waschen: Eine Frau aus Campobasso wurde vor wenigen Tagen von der italienischen Polizei aus ihrer Gefangenschaft befreit.

In diesem Waschbecken durfte sich das Opfer nur einmal im Monat waschen: Eine Frau aus Campobasso wurde vor wenigen Tagen von der italienischen Polizei aus ihrer Gefangenschaft befreit.

Carabinieri Campobasso
Der Bruder und die Schwägerin der Frau sollen sie 22 Jahre lang in einem Zimmer weggesperrt haben.

Der Bruder und die Schwägerin der Frau sollen sie 22 Jahre lang in einem Zimmer weggesperrt haben.

Screenshot Sky News
Im 550-Einwohner-Dörfchen Casalciprano will niemand etwas davon gewusst haben – nur eine Person meldete sich anonym bei den Behörden.

Im 550-Einwohner-Dörfchen Casalciprano will niemand etwas davon gewusst haben – nur eine Person meldete sich anonym bei den Behörden.

Screenshot Rai

Darum gehts

Es war ein albtraumhaftes Leben, das vor 22 Jahren begonnen hatte: Eine 67-jährige Frau wurde von ihrem Bruder und ihrer Schwägerin in einem Haus in der Ortschaft Casalciprano in der italienischen Region Molise in einem kleinen Raum des Hauses eingesperrt und wie eine Gefangene gehalten. Als die Polizei vor wenigen Tagen ins Haus kam, um die Frau zu befreien, begann das Opfer vor Erleichterung zu weinen: «Ihr seid wirklich hierher gekommen, um mich zu retten? Danke ... Ich bin jetzt frei.»

Wie das Portal «Oggi» berichtet, hatte der Horror angefangen, als die Frau - damals 40 Jahre alt - 1995 verwitwete. Ihr Bruder bot ihr an, zu ihm zu ziehen. «Damit du nicht allein bist», soll er zu ihr gesagt haben. Die Frau bezog zunächst das Zimmer ihrer Eltern, doch fünf Jahre später schlug der Bruder der Frau vor, in ein kleines Zimmer neben einem Holzschuppen zu ziehen. 

Sie trug dieselben Kleider wie bei ihrem Einzug

Die Tür zu diesem Zimmer konnte nur von aussen geschlossen werden. Mit einem Seil, das an einer Wand mit Nägeln befestigt war, banden die Peiniger die Frau fest, um zu verhindern, dass sie das Haus verlassen könne. Nach seiner Rettung erzählte das Opfer der Staatsanwaltschaft von seinem qualvollen Leben: «Sie liessen mich nicht einmal ein Bad nehmen. Ich durfte mich nur einmal im Monat im Waschbecken waschen.»

Wenn sie etwas ohne Erlaubnis sagte, wurde sie geohrfeigt und beschimpft. Heizung in dem Raum gab es keine: «Im Winter habe ich Decken benutzt, um mich vor der Kälte zu schützen.» In den 22 Jahren Gefangenschaft hatte sie nur dieselbe Kleidung getragen, die sie bei ihrem Einzug mitgebracht hatte. Nicht einmal einen Fernseher hatte sie zur Unterhaltung bekommen. 

«Ich bin eine Gefangene, rettet mich!»

Immer wieder versuchte die weggesperrte Frau, Passantinnen und Passanten auf sich aufmerksam zu machen. Wenn sie bemerkte, dass jemand durch die enge Gasse vorbeilief, klopfte sie an die Scheibe, um bemerkt zu werden. Im Winter stand sie den ganzen Tag am Fenster und sprach leise das Wort «Hilfe» aus. Wenn ihr Bruder und die Schwägerin weg waren, wagte sie, zu schreien: «Ich bin eine Gefangene, rettet mich!» Doch in dem 550-Einwohner-Dorf wollte sich niemand einmischen. Die Menschen zuckten beim Vorbeigehen mit den Schultern und ignorierten die Frau, wie «Corriere della Sera» schreibt. 

Eine Person im Dorf muss sich jedoch ihrer erbarmt haben, denn vor einiger Zeit erhielt die Polizei zwei anonyme Briefe, in denen von der Gefangenschaft der Frau berichtet wurde.

Bürgermeister lobt Peiniger

Bürgermeister Eliseo Castelli ist von der Horrorgeschichte überrascht: Der Bruder und seine Frau seien «zwei umgängliche, freundliche Menschen», meint Castelli. Er warnt vor voreiligen Schlüssen. «Wir sollten jetzt keine Schuld zuweisen, auch um die Privatsphäre der Beteiligten zu schützen», sagt Castelli.

Die Ermittler und Ermittlerinnen spekulieren über das Motiv für die Tat. Nach ersten Erkenntnissen dürfte es jedoch ein finanzielles Interesse gewesen sein: Das Täter-Paar behielt offenbar in all den Jahren der Gefangenschaft die Witwenrente des Opfers in Höhe von 400 Euro für sich. 

Bist du oder ist jemand, den du kennst, von sexualisierter, häuslicher, psychischer oder anderer Gewalt betroffen?

Hier findest du Hilfe:

Polizei nach Kanton

Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz

Lilli.ch, Onlineberatung für Jugendliche

Frauenhäuser in der Schweiz und Liechtenstein

Zwüschehalt, Schutzhäuser für Männer

LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133

Alter ohne Gewalt, Tel. 0848 00 13 13

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Beratungsstellen für gewaltausübende Personen

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