Aus Versehen: Frau (26) infiziert sich mit pockenähnlichem Virus

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Aus VersehenFrau (26) infiziert sich mit pockenähnlichem Virus

Eine US-Laborantin hätte sich impfen lassen können, lehnte den Piks aber ab – aus Angst vor möglichen Nebenwirkungen. Das sollte sie bereuen.

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Eine Infektion mit Pockenviren (Variola major und Variola minor) kann schwere Folgen haben. Durch ihre hohe Infektiosität und Mortalität gehört die Erkrankung zu den gefährlichsten des Menschen.

Eine Infektion mit Pockenviren (Variola major und Variola minor) kann schwere Folgen haben. Durch ihre hohe Infektiosität und Mortalität gehört die Erkrankung zu den gefährlichsten des Menschen.

CDC/ Fred Murphy / PD
Die Übertragung der Viren erfolgt laut Bundesamt für Gesundheit durch Tröpfchen auf kurze Entfernung, durch direkten Kontakt mit Verletzungen (Haut, Mund und Rachen) oder indirekt über kontaminierte Gegenstände.

Die Übertragung der Viren erfolgt laut Bundesamt für Gesundheit durch Tröpfchen auf kurze Entfernung, durch direkten Kontakt mit Verletzungen (Haut, Mund und Rachen) oder indirekt über kontaminierte Gegenstände.

Screenshot Youtube/Massachusetts Institute of Technology

Die 26-jährige Amerikanerin hatte gerade erst angefangen in einem Hochsicherheitslabor zu arbeiten, als es zu einem folgenschweren Zwischenfall kam: Sie infizierte sich mit einem gentechnisch veränderten Stamm pockenähnlicher Viren.

Dies aus Versehen, wie die US-Seuchenschutzbehörde CDC im «Mobidity and Mortality Weekly Report» schreibt. Eigentlich habe sie die Viren einer Labormaus injizieren wollen.

Erste Symptome nach zehn Tagen

Als Sofortmassnahme spülte die Laborantin die betroffene Stelle 15 Minuten unter fliessendem Wasser aus und informierte ihren Vorgesetzten über den Vorfall. Dieser beurlaubte sie augenblicklich und schickte sie in die Notaufnahme. Dort konnten die Ärzte jedoch nicht viel ausrichten. Auch vor der Gefahr, andere anzustecken, warnten sie ihre Patientin nicht.

Nach zehn Tagen traten dann die ersten Symptome auf. So hatten sich an der Einstichstelle einige für Pocken typische Bläschen gebildet. Nach weiteren zwei Tagen kamen Fieber, geschwollene Lymphknoten in der linken Achselhöhle, Unwohlsein und Schmerzen hinzu. An ihrem Finger hatte sich zudem ein Ödem gebildet (siehe Bildstrecke).

Gewebe stirbt ab

Daraufhin übernahmen Seuchenexperten von der CDC. Diese zeigten sich beunruhigt über die rasch voranschreitenden Probleme der 26-Jährigen, wie es im Fallbericht heisst. So entwickelte sich an ihrem Finger ein Kompartmentsyndrom, bei dem zunehmender Druck im Gewebe zu einer Verminderung der Durchblutung führt. Im Fall der Amerikanerin kam es sogar zum Absterben des Gewebes (Nekrose).

Ein weiteres Problem aus Sicht der Experten: Die Frau hatte sich nicht gemerkt, mit welchem Virenstamm sie zum Zeitpunkt des Unfalls hantiert hatte. Darum konnte niemand den weiteren Verlauf der Infektion vorhersagen.

Wirkstoff erstmals am Menschen getestet

Um Schlimmeres zu vermeiden, spritzten ihr die Mediziner am 12. Tag eine hohe Dosis Vaccinia-Antikörper, die Grundlage aller Pockenimpfstoffe. Zudem verschrieben sie ihr eine zweiwöchige Therapie mit Tecovirimat. Dabei handelt es sich um einen antiviralen Wirkstoff, der jedoch noch nie zuvor zur Behandlung eines Menschen eingesetzt wurde. Dies, weil Pocken seit 1980 als ausgerottet gelten (siehe Box). Entwickelt worden war Tecovirimat, um auf einen eventuellen Einsatz des Pockenerregers als biologischer Kampfstoff vorbereitet zu sein.

Die Premiere glückte: Zwar hatte die Patientin mit leichten Nebenwirkungen wie Übelkeit, Muskelschmerzen und Juckreiz zu kämpfen, aber innerhalb von 48 Stunden bildeten sich die Symptome zurück. Lediglich die Nekrose dauerte 94 Tage an. Deshalb – und um eine Übertragung des Virus auszuschliessen – wurde die Patientin etwa vier Monate von der Arbeit ausgeschlossen.

Fall hat auch Positives

Dass es überhaupt zu einer Infektion gekommen ist, hat sich die 26-Jährige gemäss den Informationen der CDC selbst zuzuschreiben. So hatte der neue Arbeitgeber ihr noch vor Arbeitsantritt angeboten, sie gegen das Pockenvirus impfen zu lassen. Dies habe die Laborantin jedoch aus Angst vor möglichen Nebenwirkungen der Immunisierung abgelehnt.

Doch der Fall habe auch etwas Gutes, wie die CDC schreibt. Demnach habe er gezeigt, dass die Kombination aus Tecovirimat und Vaccinia-Antikörper eine Pockeninfektion beim Menschen abklingen lässt. Dennoch sei es sicherer, Personen, die mit pockenähnlichen Erregern zu tun hätten, im Voraus zu impfen.

Pocken offiziell ausgerottet

Pocken gelten seit 1980 offiziell als ausgerottet. Die letzte natürliche Infektion wurde nach WHO-Angaben 1977 in Somalia registriert. 1978 kam bei einem Laborunfall im englischen Birmingham ein Mensch durch Pockenviren ums Leben. Zuvor existierte die Krankheit mehr als 3000 Jahre lang und forderte Millionen Menschenleben. Durch weltweite Impfprogramme wurden Pocken schliesslich ausgerottet. Dies gilt als einer der grössten Erfolge des öffentlichen Gesundheitssystems in der Menschheitsgeschichte.

Nach offiziellen Angaben gibt es noch zwei Orte auf der Welt, an denen Pockenviren gelagert werden: In den Labors der amerikanischen Seuchenschutzbehörde CDC in Atlanta und im russischen Pendant, dem Vector-Labor südöstlich von Nowosibirsk.

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