Vor GerichtFreispruch für Polizist nach «Scheissjugo»
Laut Anklage hat ein Zürcher Polizist auf der Regionalwache Aussersihl einen Mann aus dem Balkan als «Scheissjugo» beschimpft. Der Polizeibeamte wurde freigesprochen.
- von
- Attila Szenogrady

Ein Polizist der Stadtpolizei Zürich wurde beschuldigt, einen Mann aus dem Balkan als «Scheissjugo» bezeichnet zu haben.
Am Mittwoch musste sich ein heute 44-jähriger Zürcher Stadtpolizist wegen Beschimpfung vor dem Bezirksgericht Zürich verantworten. Bei einem Schuldspruch drohte ihm neben einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu 120 Franken eine Busse von 400 Franken. Zudem wären ihm bei einer Verurteilung möglicherweise auch noch negative berufliche Folgen erwachsen.
Die Anklage ging auf die Nacht vom 18. September 2011 zurück. Damals tauchte ein aufgebrachter Mann in der Regionalwache Aussersihl auf. Der wütende Serbe suchte seine Jacke, die man ihm bei einer zuvor erfolgten Polizeikontrolle abgenommen hatte. Kaum hatte er sein Kleidungsstück erhalten, beschwerte er sich unflätig über die Fahnder, die er bereits vorher auf der Strasse als Nazi-Schweine bezeichnet hatte. Er sollte dafür später mit 500 Franken gebüsst werden.
«Use, du Scheissjugo»
Laut Anklage war es aber nun der Beschuldigte, der als stellvertretender Wachtchef wegen des unangenehmen Besuchers die Fassung verlor.
«Use, du Scheissjugo» und «Du Scheissjugo, use, hani gseit, verstahsch kei Dütsch?», zitierte die Staatsanwaltschaft den langjährigen Fahnder, der vor Gericht diese in der Anklageschrift aufgeführten Worte allerdings entschieden in Abrede stellte. Er habe so etwas nie gesagt, erklärte er. Er habe früher als Schiffskoch in aller Herren Länder gearbeitet und überhaupt nichts gegen Ausländer, wehrte er sich gegen den Vorwurf.
Verteidiger für Freispruch
Der Verteidiger verlangte einen vollen Freispruch. Selbst wenn sein Mandant den Geschädigten so beschimpft hätte, wäre eine Befreiung von einer Strafe angezeigt. So habe sein Klient lediglich unmittelbar auf eine Provokation reagiert.
Im Hauptantrag ging der Anwalt von einer schlicht unbewiesenen Anklage aus. So habe der Privatkläger gar nicht mitbekommen, wer die Beleidigung ausgestossen habe. So hätten sich damals mehrere Polizisten auf der Wache aufgehalten. Bei der Untersuchung sei der im Schalterdienst stehende Beschuldigte ins Visier geraten. Zu Unrecht, wie der Anwalt plädierte.
Freispruch und Entschädigung
Erstaunlich war allerdings, dass weder der beleidigte Anzeigeerstatter noch sein Rechtsvertreter am Prozess erschienen waren, womit die Sichtweise der Gegenseite vor den Schranken nicht zum Zuge kam und zum Schluss ein voller Freispruch erfolgte: «Wir wissen nicht, wer es war», erklärte der zuständige Einzelrichter und sprach dem entlasteten Fahnder eine Entschädigung von 7000 Franken zu.
Der Richter verwies darauf, dass der Geschädigte den Beschuldigten nie direkt bezichtigt habe. Der Staatsanwalt habe den Privatkläger auch nicht gefragt, ob es sich beim Beschuldigten um den fraglichen Mann handle. Das Gericht schränkte zudem die allgemeine Glaubwürdigkeit des Privatklägers ein. Dieser habe nämlich gegenüber einem anderen Polizeibeamten ausgeführt, dass er bei einem Nichteintreten auf seine Strafanzeige die ganze Sache nach «Balkan-Art» lösen würde – was ebenfalls nicht für den Geschädigten spreche, sagte der Richter.