Aktualisiert

Ashley MadisonFremdgeh-Portal: Rendezvous ohne Reue?

Mehr als 40 000 Schweizer tummeln sich mittlerweile auf AshleyMadison.com: Wir sprachen mit dem Europa-Chef und mit «Dr. Sex» über das Seitensprung-Angebot, den Frauenanteil und die Moral.

von
Philipp Dahm

Webseiten, auf denen die Geschlechter einander kennen lernen können, gibt es zuhauf. Doch nie hat ein Anbieter derart direkt damit geworben, dass auf seinem Terrain auch Eheleute vogelfrei sind: AshleyMadison.com will die Gräben zwischen den Menschen in Beziehungen verkleinern, damit sie einen Seitensprung wagen können. Mehr als 43 000 Schweizer haben sich bereits auf dem Fremdgeh-Portal angemeldet: Der Frauenanteil ist mit 40 Prozent für solche Seiten erstaunlich hoch.

Schnelle Schweizer an der Grenze

«Im internationalen Vergleich ist das aus unserer Sicht einmalig, denn in anderen Ländern ist der Männeranteil wesentlich höher», freut sich deshalb Constantin Dietrich. Welche Schäferstündchen dabei herausgekommen sind, kann der Europa-Chef von Ashley Madison aber nicht verraten: «Wie viele unserer Mitglieder sich auch persönlich treffen, wissen wir natürlich nicht genau: Wir respektieren die Privatsphäre unserer Kunden, bekommen aber viel Feedback von `beglückten? Schweizern, die nach dem virtuellen Kontakt einen Schritt weiter gegangen sind.»

Wenn sich der eine heimlich mit der anderen trifft, bleibt der Kontakt meistens im Verborgenen. «Hin und wieder» würden aber «Ashley Madison»-Kunden in Mails von ihren Dates erzählen, bestätigt Constantin Dietrich auf Nachfrage. «Das Spektrum reicht von heissen Liebesnächten, wenn die Chemie gestimmt hat, bis zu harmlosen Abendessen, wenn der Funke nicht überspringen wollte. Interessant ist auch, dass wir kürzlich Feedback von einer deutschen Nutzerin bekamen, die feststellte, dass die Schweizer Männer wesentlich schneller auf ihre Nachrichten reagieren als deutsche.»

Seitensprung als Alternative?

So gesehen kann das Fremdgeh-Portal sogar zur Völkerverständigung beitragen, denn die Nutzer bestimmen selbst, wie gross ihr Suchradius in Sachen Rendezvous sein soll. «Wir gehen davon aus, dass sich gerade Menschen, die in Grenznähe wohnen, auch für Mitglieder aus den Nachbarländern interessieren», so Dietrich. Wer Interesse hat, kann sich nach der Anmeldung durch eine Galerie Gleichgesinnter durchklicken. Wenn eine Person angeschrieben werden soll, kostet diese Aktion Punkte, die man einkaufen muss (s. Infobox).

Was bleibt, ist schliesslich die Frage nach der Moral von der Geschichte. Fremdgehen ist wohl ein noch älteres Phänomen als die Ehe selbst, doch der Europa-Chef des Webportals glaubt sogar, dass sein Service solchen Beziehungen eher gut tun als schaden kann. «Mit Ashley Madison bieten wir Menschen, die in ihrer Beziehung unglücklich sind, eine Alternative. Eine Alternative dazu, sich damit abzufinden, dass sie unglücklich sind. Eine Alternative dazu, den Partner, den man eigentlich liebt, zu verlassen, nur weil es auf sexueller Ebene nicht funktioniert. Vielen Menschen wird nach einem Seitensprung erst wieder bewusst, was sie an ihrem Partner oder ihrer Partnerin haben.»

Der hohe Frauenanteil unter den Schweizer Usern kommt laut Dietrich auch zustande, weil sich viele Single-Damen mit Ambitionen anmelden. «Gerade Karrierefrauen schätzen die Vorteile, die diese Art des Datings bietet: Man erlebt nur die schönen, intimen Stunden zu zweit, erspart sich aber den Beziehungsstress, den es in jeder normalen Partnerschaft gibt.» Die Kritiker des Dienstes würden dagegen seinen Einfluss überschätzen: «Wir sind uns sicher, dass wir Menschen, die in ihrer Beziehung glücklich sind, nicht zum Fremdgehen verleiten – denn diese Menschen sind gegen Ashley Madison immun. Wir bieten Fremdgängern lediglich die Plattform, auf der sie ihre Affäre diskret realisieren können.»

Der dritte Weg

Einer, der sich mit dem Fremdgehen auskennt, ist Bruno Wermuth. Als «Dr. Sex» berät der Pädagoge Singles wie Paare in horizontalen Notlagen und geht kritisch mit Dietrichs Argumenten ins Gericht. «Die These, dass man nur das Schöne erlebe und sich den Beziehungsstress spart, greift zu kurz. Sexuelle Beziehungen sind nun mal nicht unabhängig von Emotionen: Spätestens beim zweiten Mal stellen sich gewisse Fragen.»

Er gibt Constantin Dietrich zwar Recht, wenn dieser sagt, sein Portal könne eine gesunde Liaison nicht gefährden. Doch andersherum werde laut Wermuth kein Schuh draus: «Wenn man in seiner Partnerschaft unglücklich ist, auch weil es im Bett nicht läuft, muss man das nicht hinnehmen. Ich finde die Idee komisch, man müsse sich mit so einer Situation abfinden. Da kann die Wahl nicht bloss Betrug oder Trennung sein: Es gibt oft noch einen dritten Weg.» Das Geld, das in das amouröse Davonlaufen investiert werde, könne auch für eine Paarberatung oder einen gemeinsamen Urlaub gesteckt werden, so «Dr. Sex».

Das Ashley-Madison-Punktesystem

User können sich auf AhleyMadison.com gratis registrieren, um sich umzuschauen. Wenn sie mit anderen Usern in Kontakt treten wollen, müssen sie sich einkaufen: Für 99 Franken bekommen sie 100 Credits, für 149 Franken 200 Credits, für 299 Franken 500 Credits und für 499 Credits 1000 Credits. Eine Dame oder einen Herrn anschreiben kostet fünf Punkte, für Folgemails muss nichts investiert werden. Gemäss Portal verfallen die Punkte nicht.

Deine Meinung