Bezirksgericht Dietikon: Freundin niedergestochen, Räuber vorgeschoben

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Bezirksgericht DietikonFreundin niedergestochen, Räuber vorgeschoben

Zuerst stach eine Frau mit dem Messer in deren Wohnung auf ihre Freundin ein, dann täuschten die beiden einen Raubüberfall am Bahnhof Schlieren vor. Nun wurde die Täterin verurteilt.

A. Szenogrady
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A. Szenogrady
Am Bahnhof Schlieren wurde die Frau am 28. November 2014 gefunden - doch die Messerattacke ereignete sich in einer Wohnung.

Am Bahnhof Schlieren wurde die Frau am 28. November 2014 gefunden - doch die Messerattacke ereignete sich in einer Wohnung.

Es ist eine bizzare Geschichte, die die Anklageschrift schildert. Im Zentrum steht eine spanische Mutter und Hausfrau aus Schlieren ZH, die sich mit einer Freundin aus Portugal zerstritten hatte. Grund: Die Portugiesin verdächtigte die spätere Beschuldigte, ihr 1000 Franken gestohlen zu haben. Deshalb habe sie Anzeige bei der Polizei erstattet, was nicht der Fall war.

Die Spanierin tauchte so dann am 28. November 2014 am Vormittag in der Wohnung der Geschädigten auf und gab an, Frieden schliessen zu wollen. Plötzlich versetzte sie der ahnungslosen Privatklägerin von hinten mit einem Küchenmesser einen vier Zentimeter tiefen Stich in den Rücken und sagte: «Ich will dich jetzt töten.» Es folgte ein zweiter Stich in die Brust.

Sie warfen sich auf den Boden und schrien

Die Geschädigte kam mit verhältnismässig leichten Verletzungen davon. Sie redete beruhigend auf die Beschuldigte ein. So kamen die beiden Frauen überein, einen Strassenräuber als Urheber der Verletzungen vorzuschieben. Kurz darauf begab sich das Duo zum Bahnhof Schlieren, wo sich die Verletzte in der Unterführung auf den Boden warf und wie die Beschuldigte lauthals um Hilfe rief.

Der eingetroffenen Polizei gaben sie an, überfallen worden zu sein. Zwei Tage später wurde die 35-jährige Messerstecherin allerdings verhaftet. Die Portugiesin hatte ihre ersten Angaben inzwischen widerrufen und gegenüber der Polizei erklärt, dass sie in Wahrheit von ihrer Freundin niedergestochen worden sei.

Aussage gegen Aussage

Am Montag musste sich die Spanierin wegen Tötungsversuchs sowie Irreführung der Rechtspflege am Bezirksgericht Dietikon verantworten. Die Beschuldigte wies die Vorwürfe der Anklage zurück und beharrte weiterhin auf der Räuber-Geschichte. Danach sei der Mann mit der Handtasche geflohen.

Nun stand Aussage gegen Aussage. Die Staatsanwaltschaft glaubte der Portugiesin, die erklärte hatte, dass sie aus Angst um sich, aber auch um ihren Sohn zunächst beim falschen Theater mitgemacht habe. Die Portugiesin akzeptierte später auch einen Strafbefehl wegen Irreführung der Rechtspflege. Fahnder stellten zudem die Tatwaffe im Geschirrspüler fest – mit Blutspuren des Opfers. Fingerabdrücke der Täterin waren nach dem Waschgang jedoch nicht mehr zu finden.

Tatwaffe von zentraler Bedeutung

Während Staatsanwalt Frank für die Spanierin eine Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren verlangte, forderte Verteidiger Andreas Josephson mangels Beweisen einen vollen Freispruch und die sofortige Haftentlassung seiner Klientin. Er lastete der Geschädigten widersprüchliche Angaben an

Das Gericht folgte aber der Anklage und stufte die Aussagen der Geschädigten zum Tatablauf als im Kerngeschehen glaubhaft ein. Von zentraler Bedeutung für den Schuldspruch sei die Tatwaffe: «Die Privatklägerin konnte im Spital noch unmöglich wissen, dass sich ihre DNA auf der Messerklinge befindet», so der Gerichtsvorsitzende Stephan Aeschbacher. Die Geschädigte hätte nachträglich eine falsche Spur durch Hinterlassung eigenen Blutes legen müssen. Dies sei durch den Spitalaufenthalt ausgeschlossen.

Strafe auf über sechs Jahre erhöht

Mit sechs Jahren und vier Monaten wegen Tötungsversuchs ging das Gericht über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus. Es lastete der Beschuldigten eine erhebliche kriminelle Energie sowie ein hinterhältiges Vorgehen an. Immerhin habe sie das Ziel der Tötung nicht konsequent durchgesetzt. Der Verteidiger legte noch im Gerichtssaal Berufung gegen das Urteil ein.

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