«Freundliche Menschen gelten als klüger» – Forscher zerlegt IQ-Mythen

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Intelligenz«Freundliche Menschen gelten als klüger» – Forscher zerpflückt IQ-Mythen

Linkshänder, grosse Menschen und Einzelgänger seien besonders klug, heisst es. Stimmt das? Intelligenz-Forscher Jakob Pietschnig ordnet ein.

Claudia Blumer
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Claudia Blumer
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«Linkshänder sind auf keinen Fall intelligenter als andere Menschen. Hingegen gibt es einen gewissen Zusammenhang zwischen Hirngrösse und Intelligenz», sagt der Wiener IQ-Forscher Jakob Pietschnig.

«Linkshänder sind auf keinen Fall intelligenter als andere Menschen. Hingegen gibt es einen gewissen Zusammenhang zwischen Hirngrösse und Intelligenz», sagt der Wiener IQ-Forscher Jakob Pietschnig.

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Zwischentitel

  • Menschen, die Smalltalk hassen, gern allein sind und sich schwer verlieben, seien besonders intelligent, schreibt die «Elle».

  • Ebenso Linkshänder und grosse Menschen.

  • Jakob Pietschnig forscht an der Universität Wien über Intelligenz. Er sagt, die meisten Vorurteile seien Unsinn. Einzig die Kopf- und Körpergrösse könne ein Indiz sein.

Herr Pietschnig, sind unsoziale Menschen intelligenter? Ein «Elle»-Artikel handelt davon.

Ich weiss nicht, wer sich das ausgedacht hat. Aber damit ist eigentlich auch schon alles gesagt. Es hat mit der Realität wenig zu tun. Wenn man jemandem an der Nasenspitze ansehen könnte, ob er klug ist, dann wären wir wahrscheinlich auch schon darauf gekommen.

Apropos Nasenspitze: Auch körperliche Merkmale deuten laut dem Magazin auf Intelligenz hin, und zwar Körpergrösse, Kopfgrösse und Linkshänder-Sein.

Linkshänder sind auf keinen Fall intelligenter als andere Menschen. Hingegen gibt es einen gewissen Zusammenhang zwischen Hirngrösse und Intelligenz. Und es gibt wiederum einen Zusammenhang zwischen Hirn- und Kopfgrösse. Wenn man nun davon ausgeht, dass grössere Menschen auch einen grösseren Kopf haben, dann könnte man dieser These etwas abgewinnen, dass grössere Menschen klüger sind. Allerdings ist die Korrelation zwischen Hirngrösse und IQ klein.

Gibt es Merkmale, die verlässlich auf Intelligenz hindeuten?

Generelle Aussagen sind nicht seriös. Die Intelligenz hängt im Wesentlichen davon ab, wie gut die Nervenzellen im Kopf miteinander durch den Kopf hindurch verbunden sind, vereinfacht gesagt. Man muss sich das vorstellen wie ein elektrisches Schaltgerät. Wenn irgendwo eine Isolierung fehlt, funktioniert die Leitung nicht so gut. Ebenso, wenn irgendwo eine Kabelverbindung gekappt ist.

Warum kursieren dann solche Gerüchte?

Um Intelligenz ranken sich unzählige Mythen. Zum Beispiel: Wenn jemand freundlich zu mir ist, schätze ich die Person automatisch als intelligenter ein. Studien haben auch gezeigt, dass Leute mit Piercings und Tattoos für weniger intelligent gehalten werden. Auch überschätzen sich fast alle. Ausser die besonders Intelligenten, die unterschätzen sich ein wenig. Aber die meisten Menschen schätzen ihren IQ um ein paar Dutzend Prozentpunkte höher ein, als er tatsächlich ist. Ein Mythos ist auch, dass klassische Musik klug mache.

Das stimmt nicht?

Nein, da ist nichts dran. Der Mythos geht auf einen Artikel der «New York Times» von Anfang der Neunzigerjahre zurück. Der Autor berief sich auf eine Studie, wonach Kinder intelligenter würden, wenn sie Mozart hören. Doch die Studie wurde später widerlegt. Dennoch wurde das irreführende Fazit weiterverbreitet und vermarktet. Klassische Musik per se hat keine Auswirkungen auf die Intelligenz.

Was macht denn klug?

Im Kindes- und Jugendalter kognitives Training, also Lesen, Dinge anschauen, Gespräche führen, ins Museum gehen, in die Natur gehen, Puzzle machen und auch einmal das Handy benutzen. Wichtig ist die Abwechslung. Immer dasselbe machen, trainiert gewisse Fertigkeiten, aber nicht die Intelligenz. Man hat einen positiven Effekt dieser kognitiven Trainings in guten Studien festgestellt, in denen Kinder über Jahre begleitet und in Gruppen unterschiedlich trainiert wurden. Die Gruppe, die gefördert wurde, hatte später nicht nur einen höheren IQ, besseren Bildungsabschluss und höheres Einkommen, sondern war auch zufriedener und gesünder.

Kann man die Intelligenz auch im Erwachsenenalter noch trainieren?

Nach der Adoleszenz ist eigentlich Schluss, also ungefähr mit 18. Aber dann gibt es das bewahrende Training, das davor schützt, mit dem Älterwerden abzubauen. Auch hier gilt: Immer nur Kreuzworträtsel lösen bewahrt das Hirn weniger gut vor dem Abbau als eine Vielzahl an Beschäftigungen, die man abwechslungsweise macht. 

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