FrühjahrssessionParlament hat BVG-Reform beschlossen – Jetzt sammelt Linke für das Referendum
Während der laufenden Frühlingssession streiten sich National- und Ständerat über die grossen politischen Themen. Es geht um Kinderbetreuung, Waffenlieferungen, Altersvorsorge und Energie. Alles Wichtige im Live-Ticker.
- von
- Stefan Lanz
- Christof Vuille

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Parlament hat BVG-Reform beschlossen – Jetzt sammelt Linke für das Referendum
Der Nationalrat hat die BVG-Reform 21 in der Schlussabstimmung mit 113 Ja- zu 69 Nein-Stimmen bei 15 Enthaltungen angenommen. Die Enthaltungen kamen vor allem von bürgerlichen Bauern- und Gewerbe-Vertretern.
Mit der Annahme der Reform im Nationalrat ist sicher, dass Linke und Gewerkschaften das Referendum ergreifen werden. Das letzte Wort wird das Volk voraussichtlich im März 2024 haben.
Vergeblich versuchten Mattea Meyer und Katharina Prelicz-Huber in einem letzten Votum vor der Ratsabstimmung ihre Kolleginnen und Kollegen von der Mitte bis Rechts von einem Nein zu überzeugen.
Beide linken Rednerinnen argumentierten mit den hohen Kosten der Vorlage bei wenig Ertrag. Besonders Frauen, die ein geringes Einkommen haben, würden wesentlich höhere Lohnabzüge während des Erwerbslebens in Kauf nehmen müssen, hätten dafür aber im Alter kaum eine nennenswert höhere Rente als heutzutage. Sie wären also künftig trotzdem von Ergänzungsleistungen abhängig.
Auf der anderen Seite argumentierten Regine Sauter für die FDP, Melanie Mettler von der GLP und Benjamin Roduit von der Mitte für die Reform. Alle drei betonten bei ihren Voten den Kompromiss, der gefunden wurde. Ein guter Kompromiss bedinge immer, dass beide Seiten etwas geben müssen, genau das sei hier passiert. Roduit sprach gar davon, dass heute «Historisches» geschehe. Während nämlich genau dieser Tage in Frankreich grosse Proteste gegen die Rentenreform der Regierung Macron stattfinden, sei es der Schweiz nach zwei Jahren zähem Ringen gelungen, auf friedlichem Wege diese Reform auf den Weg zu bringen.
Wichtige Entscheide zu Schweizer Stromzukunft gefallen
Am Mittwoch hat der Nationalrat den «Mantelerlass Strom» zu Ende beraten. Trotz des Neins der SVP und der Enthaltung der Grünen kam das Geschäft in der Gesamtabstimmung durch.
Künftig gilt eine Solarpflicht
Bei Neubauten, aber auch bei «erheblichen Umbauten», wie beispielsweise einer Dachsanierung, soll künftig auch gleich eine Solaranlage mitgebaut werden müssen. Die SVP kämpfte als einzige vergeblich gegen diesen Vorschlag.
Abgelehnt wurden Anträge, künftig auch wieder Atomkraftwerke bauen zu dürfen, falls die beschlossenen Ausbauziele für erneuerbare Energien nicht erreicht werden.
Bereits in den Tagen zuvor beschloss die bürgerliche Mehrheit eine Aufweichung der Restwassermengen bei Wasserkraftwerken.
Der Mantelerlass wurde nun von beiden Räten ein erstes Mal beraten. Doch es bleiben zahlreiche Differenzen. Voraussichtlich wird sich der Ständerat in der Sommersession mit diesen befassen. Energieminister Albert Rösti appellierte an die Räte, einen Kompromiss zu finden. Einen Plan B zum Mantelerlass habe der Bundesrat nicht.
Steuern sollen direkt vom Lohn abgezogen werden – freiwillig
Fast zehn Prozent der Schweizer Bevölkerung sei in Verzug mit den Steuern, sagte SP-Nationalrat Emmanuel Amoos am Mittwoch bei der Begründung seines Vorstosses im Nationalrat. Gemeinden, Kantone und der Bund müssten jährlich Hunderte Millionen Franken abschreiben, weil die Steuern nicht bezahlt würden, argumentierte er.
Damit sich die Schuldenberge der Steuerzahlenden nicht ins Unermessliche erhöhen, soll es künftig möglich sein, die Steuern freiwillig direkt vom Lohn abbuchen zu lassen. Den Nationalrat überzeugte diese Idee. Er überwies die Motion an seine Wirtschaftskommission.
Die Einwände von Bürgerlichen, die unter anderem argumentierten, dass das Instrument kaum von jenen genutzt werde, die eben gefährdet seien, ihre Steuern nicht zu bezahlen, setzten sich nicht durch.
In der Vergangenheit wurde immer wieder diskutiert, die Steuern direkt dem Lohn zu belasten, wie das in vielen Ländern oder auch bei Quellenbesteuerten in der Schweiz üblich ist, die Idee fand bisher aber noch nie eine Mehrheit.
Ständerat sagt Nein zu Renteninitiative der Jungfreisinnigen
Die Renteninitiative der Jungfreisinnigen fordert, das Rentenalter zuerst auf 66 Jahre zu erhöhen und es danach Schrittweise an die Lebenserwartung der Bevölkerung zu koppeln. Nur so könne das Schweizer Rentensystem, besonders die AHV, überleben, sind die Initianten überzeugt.
Doch diese Argumente fanden im Ständerat kein Gehör. Mit 30 zu 11 Stimmen empfahl er die Initiative zur Ablehnung. Einen Gegenvorschlag brauche es ebenfalls nicht, argumentierte die kleine Kammer. Das Geschäft geht nun in den Nationalrat.
Nationalrat schlägt bei Energiezukunft Pflöcke ein
Am Montagabend hat der Nationalrat mit der Debatte des sogenannten «Mantelerlass Strom» begonnen.
Nach einer längeren Grundsatzdebatte zu Beginn trat der Rat oppositionslos auf das Geschäft ein.
Allerdings war es dann schnell vorbei mit der Harmonie. So beschloss die bürgerliche Mehrheit, dass die Restwassermengen unterhalb von Staudämmen erst später als geplant erhöht werden müssen. Ein mühsam errungener Kompromiss des Ständerates mit Fischern und Naturschützern ist damit infrage gestellt. Für die SP ist damit sogar eine «rote Linie überschritten», wie es Nadine Masshardt ausdrückte.
Dafür wird der Biotopschutz nicht angetastet, hat der Rat beschlossen. Sonnen-, Wind- und andere Kraftwerke dürfen damit weiterhin nicht in Moorlandschaften, Biotopen von nationaler Bedeutung oder Wasser- und Zugvogelreservaten gebaut werden.
Der Nationalrat wird auch am Dienstag und Mittwoch weiter über den Mantelerlass debattieren. Ein grosser Knackpunkt ist dabei die Solarpflicht.
Jugendliche Straftäter sollen verwahrt werden können
Darüber will der Ständerat zumindest weiter diskutieren. Er hat den Antrag seiner eigenen Kommission, das Geschäft abzuschreiben, abgelehnt. Derzeit ist es so, dass ein Mörder, der die Tat im Alter von 16 oder 17 Jahren begangen hat, spätestens an seinem 25. Geburtstag in die Freiheit entlassen werden muss – auch wenn er eine grosse Gefahr für Dritte darstellt. Diese Lücke müsse geschlossen werden, sagten bürgerliche Ständeräte. Die Rechtskommission des Ständerates muss den Gesetzesvorschlag nun ausarbeiten und ihn dann dem Rat wieder unterbreiten.
Nationalrat will nicht, dass UNO-Vollversammlung Waffenlieferungen legitimiert
Soll die Schweiz indirekte Waffenlieferungen an die Ukraine erlauben? Und wie soll eine Blockade des Sicherheitsrates durch eine Vetomacht umgangen werden? Diese zwei Fragen diskutierte der Nationalrat am Mittwochnachmittag in einer emotionalen Debatte.
Grundlage war eine Motion der nationalrätlichen Sicherheitskommission, die die SP eingebracht hatte. Die Motion verlangte, dass eine Zweidrittelmehrheit der UNO-Vollversammlung einen Krieg als völkerrechtswidrig verurteilen kann. Dann wäre es der Schweiz erlaubt, einseitig Waffen an eine Kriegspartei zu liefern.
Bundesrat Guy Parmelin, der als Wirtschaftsminister für das Thema Waffenlieferungen zuständig ist, erklärte im Rat, dass die Vollversammlung der UNO keine völkerrechtlich verbindlichen Entscheide fällen kann – anders als der UNO-Sicherheitsrat. Darum könne ein noch so deutlicher Entscheid der UNO-Vollversammlung Schweizer Waffenlieferungen nicht in Einklang mit der Neutralität bringen.
Es wurde ein knapper Entscheid im Nationalrat erwartet, doch am Schluss folgten 117 der 200 Ratsmitglieder der Logik des Bundesrates und der Minderheit der Sicherheitskommission.
Wesentlich knapper wurde das bereits geltende Recht bestätigt. Dieses erlaubt jetzt schon Waffenlieferungen, wenn der UNO-Sicherheitsrat einen Krieg als völkerrechtswidrig verurteilt. Diese Abstimmung endete mit 98 zu 96 Stimmen bei zwei Enthaltungen.
Polit-Wissenschaftler: «Wir stehen am Anfang einer spannenden Neutralitätsdebatte»
20 Minuten hat mit Politologe Daniel Kübler von der Universität Zürich über die heutige Debatte im Nationalrat gesprochen.
Für ihn ist es wenig verwunderlich, dass Waffenlieferungen der Schweiz an die Ukraine vorläufig vom Tisch sind: «Waffenlieferungen sind das Einzige, das im Neutralitätsrecht explizit erwähnt wird. Wenn man Waffen liefern will, muss man die Neutralität aufgeben. Das sagen auch Rechtswissenschaftler.»
Für Kübler muss erst eine grundsätzliche Debatte über die Schweizer Neutralität geführt werden, bevor Waffenlieferungen eine Chance haben. «Ist die Neutralität angesichts der aktuellen Bedrohungslage noch die richtige Haltung? Kann die Schweiz noch lange so tun, als ginge sie der Krieg in der Ukraine wenig bis gar nichts an? Das sind die Fragen, die jetzt gestellt werden müssen.»
Gerade im Wahljahr wird diese Debatte laut Kübler äusserst spannend: «Die SVP hat sich klar und glaubwürdig positioniert. Auch die Grünen haben Stellung bezogen. Bei der SP beginnt dieser Prozess gerade. Die Partei ist gespalten, Ständerat Daniel Jositsch hat etwa relativ klar gegen Waffenlieferungen Stellung bezogen.» Klar sei: «In der Bevölkerung geniesst die Neutralität grossen Rückhalt. Sie wird also ein spannendes Wahlkampfgefäss werden.»
Die nächste Gelegenheit, um im Parlament über das Thema zu reden, gibt es vielleicht schon in der Sommersession. Denn in den Sicherheitskommissionen wird derzeit eine parlamentarische Initiative zum Thema vorbereitet.
FDP fordert Verzicht auf Lohnerhöhung für Politiker
Die Entschädigung für Parlamentarierinnen und Parlamentarier soll an die Teuerung angepasst werden. Das entschieden die Büros von National- und Ständerat letzte Woche. Der Entscheid sorgte für einen Aufschrei.
Die Ratsmitglieder würden dadurch pro Jahr nämlich mehrere Tausend Franken mehr kassieren, während sie den AHV-Rentnern den Teuerungsausgleich vorenthalten wollen. Nun zeichnet sich eine Kehrtwende ab. Die FDP-Fraktion habe einstimmig entschieden, die Lohnerhöhung für sich selbst zu verwerfen, teilt sie via Twitter mit.
Die Nationalrätin und Mitglied des Büros, Maja Riniker, hatte letzte Woche noch für die Prüfung des Teuerungsausgleichs gestimmt, wie 20 Minuten publik machte. Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy hat bereits erklärt, dass er nach dem AHV-Entscheid nun ebenfalls Nein stimme zum Lohn-Zückerli für die Politikerinnen und Politiker.
Sogar die grüne Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber bezeichnete die Pläne im «Sonntalk» als «zynisch». Damit hat sich das zusätzliche Geld für die Ratsmitglieder wohl schon vor der Abstimmung in der Sommersession erledigt.
Nationalrat beschliesst Wind-Express
Windkraftanlagen sollen schneller gebaut werden können, hat der Nationalrat am Mittwoch beschlossen. Die Standardverfahren für die Bewilligung von Windkraftanlagen sollen solange ausgesetzt werden, bis Windräder mit einer Leistung von 600 Megawatt gebaut wurden.
Derzeit erteilen die Gemeinden Baubewilligungen für Windräder, gemäss dem Beschluss sind nun die Kantone zuständig. Für den Baustart braucht es eine rechtskräftige Nutzungsplanung. Die Baubewilligung kann nur noch vor dem höchsten kantonalen Gericht angefochten werden. Das soll die Verfahren massiv beschleunigen. Gegen die Vorlage war einzig die SVP. Nun ist der Ständerat am Zug.
SVP fordert Grenzkontrollen
Die SVP hat sich in ihrer Fraktionssitzung mit dem «Asylchaos» beschäftigt, wie sie es nennt. In den nächsten Tagen reicht sie dazu mehrere Vorstösse ein, erklärte sie an einer Pressekonferenz.
Die Partei will an den Landesgrenzen Transitzonen schaffen, damit weniger Personen vorläufig aufgenommen werden. Das Resettlement-Programm, mit dem verletzliche Personen in die Schweiz geholt werden sollen, müsse gestoppt werden, forderte Nationalrätin Martina Bircher.
Weiter will die Rechtspartei den Bundesrat beauftragen, per sofort Grenzkontrollen einzuführen. Damit soll der «Zustrom von Asylschmarotzern» gebremst werden, teilt die Partei mit. Der Bundesrat müsse seinen Spielraum nutzen, erklärte Nationalrat Gregor Rutz.
Zusätzlich fordert die SVP die Einsetzung eines neuen Sonderbeauftragten. Dieser soll mit Staaten wie Tunesien Rücknahmeabkommen abschliessen. Sollten die entsprechenden Staaten nicht kooperieren, sei diesen die Entwicklungshilfe zu streichen.
Vereinfachte Mieter-Kündigung angenommen
Die Grosse Kammer hat mit 114 zu 79 Stimmen entschieden, dass im Falle von Eigenbedarf die Mietenden rascher ihre Wohnungen verlassen müssen. Der Nationalrat will einerseits die Voraussetzungen lockern, damit die Dringlichkeit des Eigenbedarfs als gegeben gilt. Andererseits sollen gekündigten Mietern künftig weniger Rechte eingeräumt werden, damit diese ihr Daheim schneller verlassen.
Der Zeitpunkt des Entscheids ist heikel: Die ganze Schweiz diskutiert aktuell über Wohnungsnot und hohe Mieten. Dennoch folgte die bürgerliche Ratsmehrheit dem FDP-Anliegen - gegen den Widerstand von SP und Grünen. «Das ist ein Angriff der Vermieterlobby auf das Gleichgewicht zwischen Vermietern und Mietenden», wetterte etwa Florence Brenzikofer (Grüne) vergeblich.
Die Berner Nationalrätin Christa Markwalder vertrat den brisanten Vorstoss für ihren Ex-Kollegen Giovanni Merlini. «Die Initiative verlangt bloss, dass das Argument des Eigenbedarfs auch wirklich gilt», argumentierte sie.
Der Bundesrat sprach sich gegen die neuen Regeln aus. Die hohe Einigungsquoten bei Schlichtungsverfahren würden zeigen, dass das geltende Recht funktioniere. Der Vorstoss geht nun in den Ständerat.
Ständerat will Burkaverbot doch national regeln
Aus Sicht des Ständerates sind nun doch nicht die Kantone für die Umsetzung des Burkaverbotes zuständig. Der Ständerat verwarf damit den Antrag seiner Staatspolitischen Kommission. Ein Verhüllungsverbot gehöre in die kantonalen Polizeigesetze und nicht in ein Bundesgesetz, hatte die Kommission noch begründet. Diverse Kantone haben bereits entsprechende Gesetze in Kraft.
Die Debatte verlief für ständerätliche Verhältnisse durchaus emotional. Man habe das Verhüllungsverbot in der Verfassung, also sei es nur richtig, dass es auch auf Bundesebene in einem Gesetz umgesetzt werde. Eine Regelung auf Kantonsebene führe zu einem Flickenteppich, argumentieren mehrere bürgerliche Ständeräte.
Der Rat folgte dieser Argumentation mit 27 zu 15 Stimmen bei einer Enthaltung.
Der Antrag der Kommission auf Nichteintreten sorgte schon im Vorfeld für Stunk. So sprach SVP-Ständerat und Parteipräsident Marco Chiesa bei 20 Minuten von einer «Farce». Die Burka-Initiative wäre die dritte SVP-Initiative, die das Parlament nicht im Sinne des Stimmvolkes umsetze. Nach Zählung der SVP wurden auch die Masseneinwanderungsinitiative und die Ausschaffungsinitiative vom Parlament nicht im Sinne der Partei umgesetzt.
SP-Funiciello feiert «Nein heisst Nein» plötzlich als Sieg
Der Ständerat ist beim Sexualstrafrecht weitgehend auf die Linie des Nationalrates eingeschwenkt. Allerdings verweigert die kleine Kammer das Label «Nur Ja heisst Ja».
Für SP-Nationalrätin Tamara Funiciello, die sich an vorderster Front für die Reform eingesetzt hat, trotzdem ein Freudentag: «Heute feiern wir Frauen und alle Opfer von sexualisierter Gewalt einen grossen Sieg. Wir haben das Maximum erreicht, was in diesem Parlament möglich war.»
Der Ständerat hat sich in wichtigen Punkten der «Ja heisst Ja»-Lösung des Nationalrates angenähert. Grundsätzlich muss ein Opfer zwar immer noch sein «Nein» zu einer sexuellen Handlung ausdrücken, ob verbal oder nonverbal, allerdings erkennt der Ständerat an, dass sich ein Opfer in einem Schockzustand befinden kann. Dieses «Freezing», also der Zustand der Bewegungs- oder Reaktionsfähigkeit eines Opfers, muss von einem Gericht berücksichtigt werden.
Zudem müssen Täter künftig Kurse besuchen und ihre Tat aufarbeiten. Dies soll helfen, Wiederholungstaten zu verhindern.
Der Nationalrat muss dem Kompromiss des Ständerates noch zustimmen, die Unterstützung gilt aber als relativ sicher. Ausserdem müssen sich die Räte noch in weiteren kleineren Punkten einig werden, die Inkraftsetzung der neuen Regeln wird also noch etwas dauern.
«Grusig» – wer Insekten isst, soll das wissen müssen
Eine neue EU-Regelung, die auch in der Schweiz gilt, hat in den letzten Wochen die Wogen hochgehen lassen. Neu dürfen Insekten in gemahlener Form als Eiweisszusatz in Lebensmitteln wie Brot, Saucen oder gar Fleischprodukten zugesetzt werden. Dabei müssen sie nur mit ihrem lateinischen Namen in der Zutatenliste erwähnt werden.
Das sei ein Problem, sagt SVP-Nationalrat Franz Grüter: «Hätten Sie bei der Zutat ‹Tenebrio molitor› an den Mehlwurm gedacht oder bei ‹Locusta migratoria› an eine Heuschrecke?»
Grüter spricht von versuchter Verbrauchertäuschung mit dem lateinischen Namen für Mehlwürmer und Heuschrecken. Er hat darum eine Motion eingereicht, die 20 Minuten vorab vorliegt. Darin verlangt er eine klare und deutliche Kennzeichnung in der Landessprache, wenn ein Lebensmittel eben Insekten enthält. «Ich finde, Insekten zu essen, persönlich grusig, aber wenn es denn schon erlaubt sein soll, dann will ich wenigstens wissen, dass ich Insekten esse», sagt Grüter. Die Motion wird von der SVP, aber auch von mehreren Vertretern der FDP und dem Präsidenten des Bauernverbandes, Markus Ritter, von der Mitte-Partei unterstützt.
Mieter einfacher rauswerfen?
Die ganze Schweiz diskutiert aktuell über Wohnungsmangel und hohe Mieten. Ausgerechnet heute entscheidet der Nationalrat über einen FDP-Vorstoss zum Thema. Dieser verlangt, dass im Fall von Eigenbedarf des Vermieters oder Familienangehörigen die Mietenden rascher aus der Wohnung geworfen werden können.
Auf bürgerlicher Seite hat das Anliegen gute Chancen, während die Ratslinke dieses bekämpft. Die Debatte wird zeigen, ob die aktuelle Debatte einen Einfluss auf die Entscheidung hat.
Keine Schweizer Waffen für die Ukraine
Der Ständerat will nicht, dass Schweizer Kriegsgerät an die Ukraine weitergegeben werden kann. Er hat am Montagabend eine Motion von FDP-Ständerat Thierry Burkart mit 23 zu 18 Stimmen und zwei Enthaltungen abgelehnt, die dies unter gewissen Voraussetzungen gefordert hatte. Die sicherheitspolitische Kommission sowie der Bundesrat hatten sich dagegen ausgesprochen.
Burkart will, dass Staaten, die ähnliche Werte und strenge Exportkontrollen wie die Schweiz haben, schweizerisches Kriegsmaterial leichter weitergeben dürfen. Die Länder sind im Gesetz definiert, es handelt sich unter anderem um Deutschland, Spanien, Polen, Ungarn und die USA. Diese müssten nicht einmal mehr anfragen, wenn sie Waffen exportieren wollen. Für die Schweizer Rüstungsindustrie wäre das von Vorteil. Der Bundesrat ist skeptisch. Die Waffen könnten in unerwünschte Hände kommen, heisst es.
Keine Fristerstreckung für Nebenkosten
Der Ständerat will keine Fristerstreckung für Mieterinnen und Mieter, die wegen hoher Stromrechnungen in die Bredouille geraten. Er hat einen entsprechenden Vorstoss von SP-Ständerat Carlo Sommaruga am Montagabend abgelehnt. Bundesrat Guy Parmelin hatte sich dagegen ausgesprochen.
Höhere Nebenkosten bereiten manchen Leuten Alpträume. Das hat ein Aufruf von 20 Minuten bei der Leserschaft ergeben. Die Energiepreise sind in den letzten Monaten stark gestiegen, bei der nächsten Nebenkostenabrechnung dürfte sich das zeigen und manche Mieterinnen und Mieter in Bedrängnis bringen, schätzt der Mieterverband Zürich. Betroffen seien insbesondere Mietende von Wohnungen, die mit Gas beheizt werden, sagt Mediensprecher Walter Angst. Der Preis von Heizgas habe sich seit Mitte 2021 mehr als verdoppelt, die Mehrkosten pro Miethaushalt könnten 1000 Franken pro Jahr übersteigen.
Kein Teuerungsausgleich für AHV-Rentner
Nach dem Nationalrat hat sich am Donnerstag nun auch der Ständerat gegen einen Teuerungsausgleich für AHV-Bezügerinnen und Bezüger ausgesprochen. Der Entscheid fiel äusserst knapp mit 21 zu 20 Stimmen bei einer Enthaltung.
Bei sich selbst scheinen die Parlamentarierinnen und Parlamentarier jedoch etwas offener: Wie es in einer Medienmitteilung heisst, hat das Büro des Nationalrates am Donnerstag dem Entscheid des Büros des Ständerates zugestimmt, eine Kommissionsinitiative zu beschliessen, welche verlangt, dass eine Anpassung der Entschädigungen der Ratsmitglieder und der Fraktionen an die Teuerung geprüft wird. Das bei einem Nationalratsgehalt von 132’500 Franken und einem Ständeratsgehalt von 142’500 pro Jahr. Die Vorlage soll in der Sommersession ins Parlament kommen.
SVP-Nationalrat Thomas Aeschi kündigte auf Twitter bereits an, den Teuerungsausgleich für National- und Ständeräte bekämpfen zu wollen.
Nationalrat nimmt Sonntags- und Nachtarbeit bei Strommangellage an
Trotz vehementem Gegenwind durch die SP und Grünen und einer Ablehnungs-Empfehlung des Bundesrats hat der Nationalrat am Donnerstag die Flexibilisierung des Arbeitsgesetzes im Falle einer Strom- oder Gasmangellage mit 109 zu 72 Stimmen bei acht Enthaltungen angenommen. Somit können Betriebe in Strommangellagen ihre Arbeitszeiten flexibilisieren und auch Nacht- oder Sonntagsarbeit verordnen. Zuvor hatte bereits der Ständerat dem Vorstoss zugestimmt.
Ja zur Kita-Vorlage
Der Nationalrat hat die Kita-Finanzierungsvorlage mit 107 zu 79 Stimmen bei fünf Enthaltungen angenommen. Damit sagt die grosse Kammer Ja zum Vorhaben, die familienergänzende Kinderbetreuung substanziell zu unterstützen, sodass die Eltern-Tarife um rund 20 Prozent sinken. Nun geht das Geschäft in den Ständerat.
Die Vorlage beinhaltet Investitionen des Bundes von rund 700 Millionen Franken im Jahr, mit denen die Kosten für die Eltern reduziert und die Qualität in den Kindertagesstätten verbessert werden sollen. Heute sind viele Kitas finanziell am Anschlag, gleichzeitig belasten die Kita-Kosten die Mittelstands-Haushalte, weshalb sich eine Berufstätigkeit für viele nicht lohnt.
Vertreterinnen und Vertreter von SVP und FDP kämpften gegen die Vorlage. Die FDP-Fraktion beantragte gar, sie gar nicht erst zu behandeln – angesichts der schwierigen Finanzlage. Die Befürworterinnen und Befürworter der anderen Parteien hingegen sind der Meinung, dass dem Arbeitskräftemangel entgegengewirkt werden muss und die Erwerbstätigkeit der Eltern durch günstigere Kita-Plätze gefördert werden soll.