Vorspiel zum WahlherbstFrühstarter blasen bereits zum Wahlkampf
Das neue Parlament wird erst im Oktober gewählt, doch schon jetzt starten einzelne Kandidaten ihren persönlichen Wahlkampf – und erregen damit sowohl Aufmerksamkeit als auch Unmut.
- von
- Ruedi Studer

Hat mit seiner frühzeitigen und witzigen Plakatkampagne für Aufsehen gesorgt: Ex-Fernsehmann und SP-Nationalratskandidat Matthias Aebischer.
SP-Nationalratskandidat Matthias Aebischer sorgte in Bern mit einer witzigen Plakatkampagne für Aufsehen. In Zürich markiert CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer ebenfalls auf Plakaten «mit Herzbluet für d'Familie» frühzeitig Präsenz. Und mit wöchentlichen Inseraten beglückt FDP-Nationalrat Kurt Fluri seit Mai die Leserschaft der Solothurner Medien. Es fällt auf: Einige Kandidaten starten sehr früh in den Wahlkampf und sorgen im gekauften Raum – also mit Plakaten und Inseraten – bereits für Aufmerksamkeit. «Das ist unüblich», sagt der Berner Politikberater Mark Balsiger.
Im Wahljahr besteht laut Balsiger nämlich eine traditionelle Zweiteilung: Vor den Sommerferien starten die grossen Parteien ihre nationale Kampagne, wo sie ihre inhaltlichen Botschaften platzieren – aktuell etwa die CVP, die mit zwei Volksinitiativen das Thema Familienpolitik für sich beansprucht. Die Kantonalparteien und mit ihnen die einzelnen Kandidaten hingegen legen in der Regel erst nach der Sommerpause los. Mit dieser Tradition wird zunehmend gebrochen: «Die Tendenz zu einem früheren individuellen Wahlkampfstart ist unverkennbar», so Balsiger. «Manche Kandidaten werben lieber dann, wenn noch praktisch keine Konkurrenz sichtbar ist und sie damit auffallen – und nicht erst im Herbst, wenn sie einer unter Dutzenden sind.»
Herausforderer, Wackelkandidaten, Unbekannte
Die Beweggründe für das Vorpreschen sind unterschiedlich. Da gibt es die Neulinge, die Herausforderer mit intakten Chancen auf ein Parlamentsmandat. «Die setzen ihre Kampagne gezielt zu jenem Zeitpunkt an, wann sie sich am meisten Aufmerksamkeit und damit Erfolg versprechen.» Vorzeigebeispiel für diesen Typus ist Matthias Aebischer, der sich aufgrund seines Bekanntheitsgrads als Fernsehmoderator gewisse Wahlchancen ausrechnen darf. Aebischer selbst erklärt seinen Frühstart weiter damit, dass er dem Wahlvolk rechtzeitig klar machen müsse, dass er sich nicht mehr beim Fernsehen, sondern neu in der Politik engagiere. Noch heute meinten viele, er moderiere den «Kassensturz» - obwohl das mittlerweile einige Jahre her sei.
Eine weitere Kategorie sind die Herausgeforderten, die Wackelkandidaten, die um ihre Wiederwahl bangen. Dazu gehört Schmid-Federer, die vor vier Jahren überraschend den Sprung in den Nationalrat geschafft hatte. Verliert die Zürcher CVP im Herbst bei den Nationalratswahlen nun aber ähnlich stark wie bei den Kantonsratswahlen vom April, geht ihr einer ihrer drei Nationalratssitze flöten. Das heisst: Einer der drei Bisherigen müsste über die Klinge springen. «Ich musste vor vier Jahren um den Sitz kämpfen und werde auch diesmal darum kämpfen müssen», sagt Schmid-Federer.
Ständeratswahl mit ein Grund
Ähnlich ergeht es dem Solothurner FDP-Mann Kurt Fluri. Zwar hat der Bisherige sein Nationalratsmandat auf sicher. Doch Fluri strebt nach Höherem: Er will von Rolf Büttiker den traditionellen FDP-Ständeratssitz erben. Doch angesichts eines starken Kandidatenfelds – für die SP kandidiert Ständerat Roberto Zanetti erneut, die Nationalräte Pirmin Bischof (CVP) und Walter Wobmann (SVP) treten als Herausforderer an – droht der FDP ein Sitzverlust. Fluri gibt mit seiner Inseratekampagne Gegensteuer: «Klar hängt das mit dem Ständeratswahlkampf zusammen», gibt er offen zu. «Der Zweck ist, meine Haltungen bekannt zu machen und meinen Bekanntheitsgrad zu vergrössern.»
Schliesslich bleiben noch die Unbekannten, die sich mit einem Frühstart ins Gespräch bringen wollen. Zu dieser Kategorie gehörte Schmid-Federer vor vier Jahren – quasi als Pionierin – und war damit erfolgreich. Mittlerweile hat sie Nachahmer gefunden, wie etwa den Walliser CVP-Kandidaten Jean-Paul Salamin. Während einer Woche im April waren im Wallis Dutzende Grossplakate von ihm ausgehängt, was für viel Furore sorgte. Der Zeitung «Le Matin» verriet Salamin die Quelle seiner Inspiration: Barbara Schmid-Federer.
Keine Erfolgsgarantie
Doch der Frühstart ist keine Erfolgsgarantie, wie Politprofi Balsiger betont: «Ein früher, sichtbarer Wahlkampf ist nur ein Faktor unter vielen für den Wahlerfolg. Der unsichtbare Teil – etwa die Bewirtschaftung einer grossen Adresskartei, dank welcher man potenzielle Wähler direkt anschreiben kann – ist effektiver als Werbung im gekauften Raum.»
Und Freunde unter den Mitkandidaten schafft man sich auch nicht unbedingt, wie Balsiger betont: «Die grössten Konkurrenten finden sich immer im eigenen Lager – und da ärgert sich der eine oder andere über das Vorpreschen eines Parteikollegen.»