Interview«Für meinen Sohn wird E-Mobilität normal sein»
Heute Samstag ist der Bieler Porsche-Werksfahrer Neel Jani noch als Zuschauer beim ABB FIA Formel-E-Rennen in Bern dabei. Ab Ende Jahr will er um Podestplätze kämpfen.
- von
- Nina Treml
Nach vier Traumsaisons in der prestigeträchtigen Langstrecken-WM wechselt der 35-Jährige Seeländer Ende Jahr in die zuweilen noch belächelte Formel E. «Ich kenne das Werksteam. Ich weiss, wie es arbeitet. Wenn Porsche etwas macht, dann richtig», so Jani. Die Chance, mit dieser Professionalität in eine sich rasend weiterentwickelnde Serie einzusteigen, die von Werksteams und namhaften Fahrern überrannt wird und wo einzigartige Stadtkurse – und seit 2018 erst noch in der Schweiz! – befahren werden, will er nicht verpassen. Doch an diesem Wochenende muss sich der Vollblutrennfahrer mit seiner Rolle als Zuschauer begnügen.
Wir haben den Seeländer Langstrecken-Weltmeister im Vorfeld des Rennwochenendes getroffen und ihm ein paar Fragen gestellt.
Neel Jani, erinnerst du dich, als du das erste Mal von der Formel E hörtest?
Ja, das war 2013, als ich in der American Le-Mans-Serie in Long Beach fuhr. Der italienische Pilot Lucas di Grassi erzählte mir dort von seinen Plänen, in einer neuen elektrischen Meisterschaft zu starten.
Dachtest du nicht, wie so viele andere auch: Was für ein Schwachsinn!?
Warum? Weil die Motoren elektrisch sind? Es heisst ja schliesslich Motorsport, nicht Benzinsport! Ich wäre schon damals gerne in die Formel E eingestiegen, nur hatte ich da gerade frisch bei Porsche unterschrieben für die grosse Rückkehr nach Le Mans. Das hatte Priorität.
Ende 2019 steigst du nun gemeinsam mit Porsche in die Formel E ein. Fühlt sich das nach drei erfolgreichen Langstrecken-Rennsaisons inklusive WM-Titel nicht nach Rückschritt an?
Überhaupt nicht. Klar bedauere ich es, dass Porsche aus der Langstrecken-WM ausgestiegen ist – es war eine grossartige Ära mit diesen unglaublich schnellen Hybridautos. Aber mir war wichtig, mit Porsche zu bleiben. Ich kenne das Werksteam, ich weiss, wie es arbeitet. Wenn Porsche etwas macht, dann richtig.
Warum die elektrische Meisterschaft für Hersteller interessant ist, liegt auf der Hand: Es geht um Image und Technologietransfer. Worin liegt der Reiz aus Fahrersicht?
Die Serie ist in kürzester Zeit extrem professionell geworden und das fahrerische Niveau hoch. Dazu kommt die Herausforderung, auf einzigartigen, teilweise tückischen Stadtkursen zu fahren. Waren in der Langstrecken-WM vor allem die Autos spannend, sind hier die Events an sich ein Erlebnis.
Du hast inzwischen bereits tausende Testkilometer im E-Boliden zurückgelegt. Wie gross ist die Umstellung?
Kleiner als man denken könnte. Das Auto ist ein richtiger Rennwagen und macht auch richtig Spass. Ausserdem hatte ich ja schon im Porsche 919 Hybrid einen E-Motor an Bord und musste mit der Energie haushalten. Gewöhnungsbedürftig finde ich nur, dass in der Formel E mit einheitlichen Allwetterreifen statt Slicks gefahren wird.
Und dass der Sound fehlt, macht dir nichts aus?
Mein Lieblingssound ist und bleibt der eines Ferrari Formel 1 mit V12-Motor von 1995, denn damit bin ich aufgewachsen. Aber den Zeiten solcher Rennwagen nachzutrauern wäre wie wenn du sagen würdest: Schade, dass ich meine Texte auf dem Keyboard statt auf der Schreibmaschine schreiben muss. Die Welt entwickelt sich nun mal weiter. Während viele meiner Generation noch mit der E-Mobilität hadern, wird sie für meinen Sohn normal sein.
Nebst den angesprochenen Reifen sind in der Formel E auch Chassis und Batterie einheitlich. Inwiefern ist dein neuer Dienstwagen überhaupt ein echter Porsche?
Natürlich sind die Unterschiede zu den Autos anderer Teams gering, wenn das Reglement bloss den Antriebsstrang, die hintere Aufhängung und die Software als Eigenentwicklungen vorsieht. Aber genau das ist die Idee der Formel E: Die Einheitstechnik verhindert eine Kostenexplosion wie in der Formel 1 und gibt auch kleineren Teams eine Chance. Umso grösser die Herausforderung übrigens, sich Vorteile zu verschaffen.
Und umso entscheidender der Fahrer?
Ich bin als Fahrer nur das letzte Puzzleteil, das Gesamtpaket muss stimmen. Auch die Erfahrung zählt. Wir steigen erst in der 6. Saison ein und sehen uns deshalb als Rookies.
Keine Hoffnungen auf einen Sieg in der kommenden Saison?
Unser Ziel ist klar, ums Podest zu kämpfen, aber wir müssen realistisch bleiben. Andere Teams haben uns fünf Jahre voraus.
Motorsport wird ja oft damit verteidigt, dass der Technologietransfer aus dem Rennsport in die Entwicklung von Serienautos fliesse. Stimmt das?
Das ist keine Verteidigung, sondern eine Tatsache: Wenn das nicht so wäre, würden die Hersteller diesen Aufwand nicht betreiben. Es geht beim Motorsport auch darum, neue Technologien am Limit zu testen. Ganz besonders in der Formel E, denn die E-Mobilität und die Reduktion der Emissionen sind derzeit das grosse Thema.
Und wie «sauber» ist die Formel E wirklich?
Die Boliden der Formel E fahren zwar mit elektrischer Energie, aber CO2-neutral ist die Serie deshalb nicht. Aber das ist keine Sportart dieser Welt.
Bei Porsche in Weissach wird ja nicht nur am Formel-E-Renner gearbeitet, sondern auch am ersten serienmässigen Elektro-Sportwagen von Porsche, dem Taycan. Ein Auto für Dich?
«Natürlich, der Taycan gefällt mir sehr. Und ich habe Zuhause schon dafür gesorgt, dass ich eine Ladestation installieren kann. Ich bin bereit für die E-Mobilität.»