Frauenfeld: Für Rentner war Gefängnis wie «Luxusferien»

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FrauenfeldFür Rentner war Gefängnis wie «Luxusferien»

700 Franken Busse zahlen wollte er nicht, deshalb zog ein 75-jähriger Thurgauer das Kantonalgefängnis Frauenfeld vor. Die sieben Tage waren für ihn offenbar wie Ferien.

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Das Kantonalgefängnis in Frauenfeld. (Bild: ajv.tg.ch)

Das Kantonalgefängnis in Frauenfeld. (Bild: ajv.tg.ch)

«Ich bin pensioniert und hatte Zeit, in die Kiste zu gehen», so der 75-Jährige. Eigentlich hätte er nach einem Verkehrsdelikt 700 Franken Busse zahlen müssen, wie die «Frauenfelder Nachrichten» schreiben. Das passte dem Rentner aber offenbar nicht: Er zog es vor, die Strafe in Form eines Gefängnisaufenthaltes im Kantonalgefängnis in Frauenfeld abzusitzen. Mit einem Tagessatz von 100 Franken waren das sieben Tage. Seine Familie war zwar wenig begeistert: «Meine Verwandtschaft hat rebelliert. Aber diesen Luxus wollte ich mir einfach gönnen», erzählt er weiter.

Super Service, gutes Essen und ein Bett wie daheim

Tatsächlich hören sich die Erzählungen des Rentners über seinen Gefängnisaufenthalt wie Ferien in einem schicken Hotel an. So sagt er gegenüber der Zeitung: «Ich habe die Woche wirklich sehr genossen. Musste nicht kochen, wurde bewirtet und betreut.» In seiner Einzelzelle hatte er einen TV gegen die Langeweile. Ansonsten vertrieb er sich die Zeit mit Sudoku oder las Zeitung.

Besonderes Highlight: Das Essen. Es war gut, kam immer pünktlich und der Service sei super gewesen. Und auch das Bett habe sich wie Daheim angefühlt. Sogar Rauchen in der Zelle sei erlaubt gewesen.

Nichts bereut

Während der Zeit im Gefängnis habe er sich auch Gedanken über den Strafvollzug in der Schweiz gemacht. «Ich finde es total unverhältnismässig, dass Verbrecher so behandelt werden. Es müssen andere Massstäbe gesetzt werden. Man könnte sie geradeso gut in ein Hotelzimmer einschliessen», findet der 75-Jährige. Er wäre deshalb eher für Fussfesseln.

Bei kleineren Vergehen hält er gemeinnützige Arbeit für angebracht. In seinen Augen sollen Kleinkriminelle lieber etwas leisten als eine entspannte Zeit im Gefängnis zu verbringen. Seinen Aufenthalt bereut er jedoch nicht: «Ich würde es jederzeit wieder so machen!»

Wirklich so paradiesisch?

Dass Gefängnisse in der Schweiz paradiesisch sein sollen, wurde schon oft diskutiert. Wie jedoch Benjamin F. Brägger, Sekretär des Strafvollzugskonkordats der Nordwest- und Innerschweizer Kantone, in einem früheren Interview fest hielt, sind Gefängnisse in einem Land ein Spiegel des Entwicklungsstands der jeweiligen Gesellschaft. Zudem seien schlechte Vollzugsbedingungen kontraproduktiv und würden bei Betroffenen Wut gegen den Staat schüren: «Es verhärtet den Menschen und er kann nicht auf die rechte Bahn kommen.» Beides wolle der Staat nicht.

Grundsätzliches zum Gefängnisalltag:

Das sogenannte Normalisierungsprinzip ist heute allgemein anerkanntes Konzept im Freiheitsentzug der Schweiz. Darunter wird die Angleichung der Verhältnisse im Gefängnisalltag an jene ausserhalb der Mauern verstanden. Insbesondere durch die Schaffung realitätsnaher Anforderungen an die Inhaftierten (Arbeitspflicht, sportliche Aktivitäten, strukturierte Tageprogramme, etc.).

Das oberste Ziel des Strafvollzugs ist die Senkung der Rückfallgefahr. Dies lässt sich nur dann dauerhaft verringern, wenn die Gefangenen nach der Entlassung diejenigen Kompetenzen besitzen, die ihnen ein straffreies Leben ermöglichen können. Der Strafvollzug versucht deshalb auf die Persönlichkeit und das Verhalten des Gefangenen einzuwirken.

Die Freiheitsstrafe besteht darin, dass einem Menschen das Grundrecht auf Freiheit auf bestimmte Zeit entzogen wird. Damit einher gehen bspw. eingeschränkte Selbstbestimmung, Intimität und Kontakt zur Aussenwelt. Diesbezüglich wird man dem Auftrag der Strafe Freiheitsentzug in der Schweiz ganz sicher gerecht.

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