Bekanntgabe von Straftäter-Nationalität«Gegen Rechtsgutachten anzutreten, ist schwierig»
Auch künftig soll die Berner Justiz die Nationalität von Straftätern nicht in jedem Fall offenlegen müssen. Eine entsprechende Forderung des Parlaments verstosse gegen das Recht.
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- sul/rc
Im September 2016 hatte der Grosse Rat eine Motion überwiesen, die verlangt, dass die Justiz bei Medienorientierungen über Straftaten in jedem Fall auch die Nationalität der Tatverdächtigen nennen muss. Für das Anliegen, das auch in anderen Landesteilen wie etwa dem Kanton Zürich kontrovers diskutiert wird, bringt der Regierungsrat «durchaus ein gewisses Verständnis» auf, wie er in einer Mitteilung vom Donnerstag schreibt.
Also hat der Regierungsrat die Forderung durch ein externes Gutachten überprüfen lassen. Dieses kommt nun zum Schluss, dass der Grosse Rat gar nicht befugt ist, die Informationspraxis der Staatsanwaltschaft gesetzlich zu regeln. «Gemäss der aktuellen Rechtslage kann die Staatsanwaltschaft nicht gezwungen werden, die Nationalität von Tatverdächtigen bekannt zu geben», erklärt Philippe Müller, Direktor der Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern. Zudem stehe die Forderung in Konflikt mit Bundes- und kantonalem Recht.
«Schwierig, gegen Rechtsgutachten anzutreten»
Die Kantonsregierung beantragt deshalb dem Parlament, den Vorstoss als nicht erfüllbar abzuschreiben. Man werde nun mit der Sicherheitskommission des Grossen Rates die verschiedenen Möglichkeiten ausloten, sagt Müller. In der Frühjahrssession 2019 wird dann der Grosse Rat über das Geschäft diskutieren. Doch Müller, der vor zwei Jahren zu den Erstunterzeichnern der Motion gehörte, macht sich keine grossen Hoffnungen: «Gegen ein Rechtsgutachten anzutreten, ist schwierig.»
Hat die Politik also gar keine Möglichkeit, der Justiz vorzuschreiben, dass sie die Herkunft von Straftätern konsequent nennen muss? Doch, sagt Regierungsrat Müller. «Dann muss sie allerdings die Gesetze auf kantonaler oder nationaler Ebene ändern. Und das ist ein aufwendiger Prozess.»
«Justizleitung zeigt keinen Willen, Motion umzusetzen»
Grossrätin Andrea Gschwend-Pieren (SVP), ebenfalls Erstunterzeichnerin der Motion, verweist darauf, dass ein grosses Interesse der Öffentlichkeit daran bestehe, die Nationalität von Straftätern zu erfahren. «Es geht nicht darum, jemanden an den Pranger zu stellen. Doch man sollte die Öffentlichkeit mit den Informationen versorgen, die sie auch interessieren. Auch um Spekulationen keinen Raum zu geben», so die Grossrätin aus dem Emmental.
Sie selbst hat erst kürzlich erfahren, dass ihre Motion anscheinend gegen Bundesrecht verstosse, und übt nun Kritik an der Staatsanwaltschaft: «Die Justizleitung zeigt keinen Willen, die Motion umzusetzen. Deshalb wird es sehr schwierig für uns werden.» Sie finde dies sehr problematisch und verstehe nicht, weshalb dieselbe Forderung in anderen Kantonen schon längst umgesetzt werde. Andere Kantone würden das ja wohl kaum illegal tun.
Motion «hochproblematisch»
«Es ist ein Kampf wie David gegen Goliath», so Gschwend-Pieren. Trotz des Gutachtens wird sie nicht aufgeben: «Wir werden das weitere Vorgehen an der Sicherheitskommission Anfang nächsten Jahres besprechen.»
Grossrätin Regina Fuhrer (SP) hingegen begrüsst den Entscheid des Regierungsrates. Die Motion sei «in dieser umfassenden Art hochproblematisch»: «Im Grunde genommen will sie aufzeigen, dass immer die anderen schuld sind. Sie macht andere Nationalitäten schlecht.» Einen Mehrwert bringe der Vorstoss nicht. «Ich werde mich in der Frühjahrssession ganz sicher dafür einsetzen, dass die Motion abgeschrieben wird», kündigt Fuhrer an.
Das sagt der Gutachter
Laut Gutachter Markus Mohler wollen die Motionäre eine Ergänzung auf kantonaler Ebene durchsetzen. «Gefordert wird, dass die Polizei die Nationen bereits bei den allerersten Ermittlungen bekanntgibt», erklärt Mohler. Dies würde jedoch gegen das Bundesrecht verstossen. Die Strafprozessordnung schreibt vor, dass die Staatsanwaltschaft und die Gerichte die Öffentlichkeit nur über hängige Verfahren orientieren können, wenn dies für bestimmte Zwecke erforderlich ist. Dies ist etwa der Fall, wenn dadurch die Bevölkerung beid er Aufklärung von Straftaten oder bei der Fahndung nach Verdächtigen mitwirkt. «Auf kantonaler Ebene würde das Parlament der Justiz zudem dreinreden, was in Bezug auf die Gewaltentrennung heikel ist.» (bz)