Verhaltensforscher zu Video «Geh weg!» – wie verhält man sich richtig, wenn ein Wolf angerannt kommt?
Eine Begegnung mit einem Wolf auf einem Feld in Niedersachsen lässt eine Hundehalterin aus vollem Hals schreien. Was macht sie richtig, was falsch?
Darum gehts
Eine Frau und ihr Hund begegnen in Niedersachsen einem Wolf.
Dieser lässt sich nicht so einfach vertreiben.
Ein Biologe erklärt auf spiegel.de, wieso das so ist und was die Frau hätte besser machen können.
Auf einem Feld in Niedersachsen trifft eine Frau mit Hund auf einen Wolf. Sie filmt, wie sie das Tier schreiend verjagt. Hat sie sich richtig verhalten? Ja und nein, sagt Verhaltensforscher Kurt Kotrschal (67) vom Wolf Science Center im österreichischen Ernstbrunn auf Spiegel.de.
Bei dem Wolf, der sich auf dem Feld immer wieder Frau und Hund nähert, habe es sich wahrscheinlich um einen neugierigen Jungwolf gehandelt, «der sich die Sache mal angesehen hat.» Der Biologe vermutet, dass das Tier wohl eher einfach vorbeigelaufen wäre, hätte die «Frau nicht derartig gezetert».
«Das macht sie eher interessant»
Er verstehe natürlich, dass der Spaziergängerin mulmig zumute sei. «Aber die Körperhaltung des Wolfs drückt eher unsichere Neugierde aus als die Absicht, eine Beute anzugreifen», so Kotrschal. Die Frau hat bei dem Schockzusammentreffen richtig reagiert, indem sie stehen geblieben sei und den Wolf anschrie, als er nicht sofort verschwand. «Sich gross machen und drohen kann auch helfen, oder dem Wolf selbstbewusst entgegenzugehen und – wenn möglich – Erdbrocken zu schleudern. Ansonsten sollte man sich freuen und schauen, ob es wirklich ein Wolf ist. Meist sind es doch Hunde.»
Weniger gut sei es, von einem Wolf wegzulaufen. Oder wenn, wie in diesem Fall, die Stimme der Frau Angst und Panik verrate. «Das macht sie eher interessant. Junge Wölfe können neugierig sein, deswegen sind sie aber noch nicht gefährlich.»
Rat an Hundehalter
Dass ein Wolf den Menschen bei einer unverhofften Begegnung wie in Niedersachsen als Beute sehen und ihn anfallen könnte, schliesst der Biologe aus: Mitteleuropäische Wölfe seien wegen der hohen Wilddichten bestens genährt. «Sie haben gar keinen Grund, sich an Menschen zu versuchen. Wenn sie es darauf abgesehen hätten, wäre schon längst mal etwas passiert.»
Hundehaltern rät Kotrschal: «Wenn Ihr Hund nahe an Ihnen ist, besteht keine Gefahr. Auch in Wolfsgebieten sollte der Abstand nicht näher als 50 Meter sein. Das gilt auch für Kinder – wobei für Hunde die Gefahr grösser ist; als Artgenossen können sie eine Territorialverteidigung auslösen.» Wölfe würden auch nichts dabei finden, «einen menschenfernen Hund zu töten und zu fressen.»
«Kritisch kann es nur werden, wenn die Wölfe gefüttert werden»
Angesichts der wachsenden Wolfspopulation schliesst der Verhaltensforscher nicht aus, dass Wölfe ihre Scheu vor dem Menschen zusehends verlieren. Deswegen seien sie aber nicht notwendigerweise gefährlich, wie Untersuchungen, etwa aus Norwegen, zeigten. «Kritisch kann es nur werden, wenn die Wölfe gefüttert werden». Die bislang in Deutschland legal abgeschossenen Wölfe seien alle angefüttert gewesen und hätten deswegen «ihre Distanz» verloren. Auch die Tollwut stelle ein Risiko dar.
Kotrschal, der sich im Wolfsforschungszentrum vor allem um die Handaufzucht und den Umgang mit den Tieren kümmert, forscht über die sozialen Beziehungen und das Benehmen von Wölfen. «Wölfe sind natürlich nicht völlig ungefährlich und es hat früher immer wieder Wolfstote gegeben», sagt er. «Aber Wildschweine, Hunde und Pferde sind im Moment sehr viel gefährlicher.»