Basel«Geht richtig unter die Haut» – Bucket-List vor Altersheim polarisiert
Vor dem Basler Pflegehotel St. Johann kann man öffentlich niederschreiben, was man vor dem Tod noch verwirklichen möchte. Die Tafel wird rege genutzt, stösst bei den Bewohnenden des Heims aber nicht nur auf Begeisterung.
Darum gehts
In Basel kann an der Fassade des Pflegehotels St. Johann aufgeschrieben werden, was man vor dem eigenen Tod noch erleben möchte. Bevor ich sterbe, möchte ich… «meine Familie stolz machen», «in meinem Heimatland Iran leben», oder «finanziell unabhängig sein», ist etwa zu lesen. Andere wünschen sich, ein Bad Bunny Konzert zu sehen oder sich richtig zu verlieben.
Es sei nicht das erste Mal, dass in der Schweiz das amerikanische Kunstprojekt «Before I die» von Candy Chang aufgegriffen wird, es sei aber das erste Mal, dass es an der Wand eines Altersheims gezeigt wird. «Ich und andere Mitarbeitende laufen jeden Tag an der Tafel vorbei. Gewisse Aussagen gehen richtig unter die Haut», sagt Geschäftsführer André Gyr gegenüber 20 Minuten.
Jeden zweiten Tag wische ich eine, oder zwei Tafeln frei, damit wieder Platz zum Schreiben ist. Das Angebot wird fleissig genutzt», so Gyr. Vorbeigehende, wie auch die Seniorinnen und Senioren, die im Altersheim leben, reagieren auf die Kunstinstallation.
«Ein Passant fand die Frage vor einem Altersheim unethisch»
«Manche Seniorinnen und Senioren störten sich an gewissen Aussagen, finden sie völlig daneben oder unanständig. Ein Passant kam zu mir, um mir mitzuteilen, dass das Kunstprojekt vor einem Altersheim unethisch ist», so der Geschäftsführer. Auch könne das Bewusstmachen nach der eigenen Vergänglichkeit Angst machen. «Diese Angst loszulassen, ist ein Prozess», sagt Gyr. Doch die meisten Reaktionen seien durch und durch positiv. Auch wurde die Einrichtung für ihren Mut beglückwünscht.
«Der Tod gehört zum Leben dazu. Das möchten wir damit zeigen». Besonders, dass man sich im Angesicht der eigenen Sterblichkeit die Frage stellen sollte, was will ich noch? «Teilweise schiebt man das Thema vor sich hin oder verdrängt es. Und wenn der Moment näher kommt, muss man sich wahnsinnig viele Gedanken machen, die vorher nicht stattfanden», so Gyr.
«Wir wollen das Thema sichtbar machen und nach Aussen tragen»
Dieser Dialog soll mit dem Kunstprojekt sichtbar, und nach Aussen getragen werden. «Die Tafeln werden für ein Jahr, bis Oktober 2023, aufgestellt sein», sagt der Geschäftsführer. In den nächsten zwei Jahren sollen weitere Projekte zu Themen wie Endlichkeit, Tod, oder Zerbrechlichkeit in Zusammenarbeit mit Kunstschaffenden entstehen, schliesst der Leiter des Pflegehotels ab.
Das Projekt «Before I die» ist ein globales Kunstprojekt von der amerikanischen Künstlerin Candy Chang. Das Projekt entstand 2011, als Chang einen geliebten Menschen verlor und sich mit dem Gedanken auseinandersetzte, was sie vor dem Tod noch verwirklichen und erleben möchte. Die Idee, diese Gedanken mit Kreide auf eine Tafel zu schreiben, fand auf der ganzen Welt anklang. Auch in der Schweiz wurde es in verschiedenen Stätten bereits verwirklicht. Im Sommer 2022 fand es im Kanton St. Gallen statt, seit Oktober 2022 stehen Kreide und Tafeln vor dem Pflegehotel St. Johann in Basel.