FinanzkriseGenf rechnet mit hohen Steuerausfällen
Der Finanzplatz Genf hat die Folgen der Finanzkrise bislang weit weniger zu spüren bekommen als andere Bankenplätze. Dennoch erwartet die Stiftung «Finanzplatz Genf» für 2009 deutlich rückläufige Gewinne - und damit Steuerausfälle über mehrere Hundert Millionen Franken.
Dies erklärte der Genfer Privatbankier Ivan Pictet am Dienstag vor den Medien in Genf. Der Präsident der Stiftung «Finanzplatz Genf» bezeichnete die Finanzkrise als äusserst gravierend. Bislang habe sich der Finanzplatz Schweiz aber gut halten können.
Im speziellen die Genfer Finanzindustrie, bekannt vor allem für das Vermögensverwaltungsgeschäft und den Rohstoffhandel, sei nicht direkt getroffen worden, sagte Pictet.
Einen wichtigen Grund dafür sieht er darin, dass die Schweiz anders als die USA, Grossbritannien, Irland, Spanien und Russland nicht mit einer hausgemachten Immobilienkrise zu kämpfen hat. Zudem nehme das Investment Banking im Vergleich zu anderen Standorten eine mindere Rolle ein.
Trotz Krise mehr Personal
Pictet untermauerte seine Aussagen mit einer Umfrage unter den Mitgliedern der Stiftung «Finanzplatz Genf». Zwar wurde sie letzten Juni durchgeführt, also noch vor der Spitze der Kreditkrise, dem Absturz der Börsen und den staatlichen Rettungspaketen.
Doch schon vorher hatte sich die Lage auf den Finanzmärkten zugespitzt. Zwei Drittel der befragten Genfer Banken und Vermögensverwalter bezeichneten den Einfluss der Finanzkrise auf ihr Institut im ersten Halbjahr 2008 als gering.
Gleichzeitig beurteilten sie das Geschäft als schwierig oder sehr schwierig. Dennoch haben die meisten von ihnen im selben Zeitraum zusätzliches Personal eingestellt und höhere Lohnsummen ausbezahlt.
Rezession als Kollateralschaden
Getroffen werde Genf und der Finanzplatz nun vor allem in der dritten Phase der Finanzkrise, sagte Pictet. «Die Lähmung der Banken wird die schon vor einem Jahr für die Schweiz vorausgesagte konjunkturelle Abkühlung in eine Rezession verwandeln.»
Blaise Goetschin, CEO der Genfer Kantonalbank (BCGE), sprach in diesem Zusammenhang von «gewissen Kollateralschäden», die den Finanzsektor schrumpfen liessen.
Laut Pictet wird das bei den Steuererträgen der öffentlichen Hand deutliche Spuren hinterlassen. Realistischerweise müsse davon ausgegangen werden, dass die Beiträge des Finanzplatzes Genf an das Genfer Steuervolumen um ein Drittel einbrechen würden.
Angesichts des Gewichts der Finanzindustrie in der Genfer Wirtschaft - sie trug im vergangenen Jahr etwa einen Drittel der 5 Mrd. Fr. Steuererträge - wird sich der Steuerausfall für den Staat auf gegen 500 Mio. Fr. belaufen.
In den letzten Tagen und Wochen hatten auch andere Kantone sowie der Bund die erwarteten Steuerausfälle beziffert. In Zürich sollen bereits in diesem Jahr 400 Mio. Fr. weniger in die Staatskasse fliessen. In den nächsten zwei Jahren sollen es jeweils mehrere hundert Millionen sein. Der Bund seinerseits erwartet für 2009 einen Steuerausfall von einer Milliarde Franken.
Warnung vor Überregulierung
Privatbankier Pictet äusserte sich auch zum Umgang der Staaten mit der Krise. Die Rettungsaktionen seien unumgänglich und dringlich gewesen, auch im Fall der UBS. «Ich betrachte das Bankensystem nun als gerettet», erklärte er.
Gleichzeitig warne er aber davor, in der vierten Phase der Finanzkrise, der Rückkehr des Staates, in Protektionismus zu verfallen und zuviel Regulierung anzustreben. Damit bremse man den Aufschwung.
Die gleiche Abwehrhaltung äusserte Pictet im Zusammenhang mit der Bonusfrage. Es sei gefährlich zu strikte Regeln einzuführen, da man sonst Arbeitskräfte an die Konkurrenz verliere. (sda)